Die Klima­an­pas­sungs­stra­tegie Deutschland im Entwurf

Spanien macht es erneut überdeutlich: Schon heute hat die Erder­wärmung ein Ausmaß erreicht, dass bessere Anpas­sungs­stra­tegien erfor­derlich macht. Denn selbst wenn die Bemühungen, Emissionen zu senken, erfolg­reich sind: Die schon emittierten Treib­hausgase werden in den nächsten Jahrzehnten unwei­gerlich das führen, dass es nicht bei den bisher 1,3° C bleibt.

Die Bundes­re­gierung hat deswegen erstmals einen recht­lichen Rahmen für die Anpassung an den unver­meid­lichen Klima­wandel gesetzt. Seit dem 01. Juli 2024 ist das Bundes-Klima­an­pas­sungs­gesetz (KAnG) in Kraft. Das KAnG verpflichtet Bund und Länder, eine Klima­an­pas­sungs­stra­tegie zu erarbeiten und in regel­mä­ßigem Turnus weiter­zu­ent­wi­ckeln (zum Gesetz schon hier).

Die erste Anpas­sungs­stra­tegie des Bundes liegt inzwi­schen im Entwurf vor. Die Anhörung von Bürgern und Verbänden hat statt­ge­funden. Inter­essant ist das Dokument allemal:

Die Strategie umfasst sechs ausdrücklich benannte Bereiche und übergreifende/ergänzende Handlungs­felder. Jeweils werden Risiken, Ziele und Instru­mente aufge­führt. Namentlich benannt sind Infra­struktur, Land und Landnutzung, Wald und Forst, Gesundheit und Pflege, Stadt­ent­wicklung, Raumordnung und Bevöl­ke­rungs­schutz, Wasser und Wirtschaft.

Viele der vorge­schla­genen Maßnahmen sind seit vielen Jahren bekannt, wie etwa mehr kühlende Oberflächen, mehr Stadtgrün und mehr Versi­cke­rungs­flächen, Aufklärung über zusätz­liche gesund­heit­liche Risiken wie zuneh­mende Pollen­all­ergien und Infek­ti­ons­krank­heiten und Dach‑, Fassaden- und Liegen­schafts­be­grü­nungen. Ziel ist es jeweils, die Residenz des jewei­ligen Sektors zu erhöhen, also Schäden durch eine wärmere Umwelt zu verringern und Risiken zu vermeiden.

Viele der vorge­schla­genen Maßnahmen wirken unmit­telbar einleuchtend, auf den zweiten Blick dürften sie aber Spreng­stoff entfalten. Denn gerade Städte sind durch eine Zunahme von Hitze, Trockenheit und Extrem­wetter besonders gefährdet, gleich­zeitig ist die Nutzungs­kon­kurrenz in Metro­polen aber auch besonders hoch. Flächen freizu­halten oder gar genutzte Flächen zu entsiegeln ist vielfach deswegen keine populäre Maßnahme. Auch die Erhöhung der biolo­gi­schen Vielfalt in der Landwirt­schaft und in Wäldern zur Resili­enz­er­höhung sehen Unter­nehmen kriti­scher als Wissen­schaftler, die die Strategie entwi­ckelt haben. Um so inter­es­santer ist es, wie die Strategie aussieht, wenn sie fertig ist, denn die Leitlinien der künftigen politi­schen Entwick­lungen hängt sicher nicht nur, aber eben auch davon ab, ob Maßnahmen Deutschland klima­wan­d­el­fester machen oder nicht. Der Prozess bleibt also weiter spannend (Miriam Vollmer).

2024-11-01T15:37:43+01:001. November 2024|Klimaschutz|

Wenn der Regio­nalplan zu wenig Windkraft vorsieht … Zu VG Gera (5 K 978/20 Ge)

Kennen wir alle: Man hat die besten Vorsätze, man verspricht alles Mögliche, aber wenn es dann konkret wird, passt es bei dieser Gelegenheit doch nicht. Nächstes Mal, dann aber ganz bestimmt.

Exakt so muss sich auch das Land Thüringen gefühlt haben, als es – nach Aufhebung seines alten Regio­nal­plans Ostthür­ningen von 2012 – seinen Regio­nalplan Ostthü­ringen 2020 beschloss. Zwar hatte man im Landes-Klima­gesetz 2018 hoch und heilig versprochen, mit dem Rauchen aufzuhö äh, also 1% der Landes­fläche vorrangig für Windkraft vorzu­sehen. Aber 2020 wollte man dann doch lieber keine Windkraft im Wald. Zusammen mit einigen anderen pauschalen Ausschluss­kri­terien für Windkraft­an­lagen („Tabuzonen“) blieb dann nicht mehr allzu viel übrig: Waren vor Erlass des Regio­nal­plans im ersten Planentwurf immerhin noch 0,88% des Landes­fläche Vorrang­gebiet für Windkraft, schrumpfte diese trotz aller Beteue­rungen 2020 bei Erlass auf 0,4%.

Dies wurde auch einem Vorhaben in der Nähe von Jena zum Verhängnis. Hier wollte der Vorha­ben­träger eine 200 m hohe Windkraft­anlage auf einem Acker errichten. Zunächst – das war noch vor dem Beschluss des Regio­nal­plans – hatte der Kreis die Geneh­migung abgelehnt, weil in rund 500 Metern neben der Anlage Rotmilane brüteten. Der Vorha­ben­träger versprach, während der Mahd und Aufzucht die Anlage abzuschalten, aber dem Kreis reichte das nicht, der wollte als entschie­dener Vogel­freund an dieser Stelle gar keine Windkraft. Es erging Wider­spruch, der zog sich, der Regio­nalplan erging und dann wies das Landesamt als Wider­spruchs­be­hörde den Wider­spruch ab. Dort, wo die Windkraft­anlage stehen sollte, sei Windkraft nunmehr unerwünscht. Der Vorha­ben­träger ging vor Gericht.

Windmühlen, Felder, Land, Bäume, Wald, Windrad, Energie

Das VG Gera prüfte den Regio­nalplan Ostthü­ringen, auf dem die Landes­ent­scheidung beruhte, in einem insgesamt 79 Seiten langen Urteil (5 K 978/20 Ge) gründlich durch und kommt zum Ergebnis, dass er materiell fehlerhaft sei und deswegen im Verfahren keine Anwendung finden könnte.

Zwar reicht es dem VG Gera nicht schon ohne weitere Schnörkel aus, dass der Regio­nalplan nicht die 1% Windvor­rang­ge­biete ausweist, die das Landes­kli­ma­schutz­gesetz fordert. Aber die Kammer bemängelt – für Nicht­ju­risten wirkt dies wider­sprüchlich, es ist aber eine schlicht andere Prüfungs­station – die Abwägungs­vor­gänge, auf denen die plane­ri­schen Festle­gungen beruhen. Zum Teil sind schon die Tabuzonen für Windkraft falsch festgelegt, weil sie Gebiete für die Windkraft ausschließen, für die das keineswegs gesetzlich geboten, natur­wis­sen­schaftlich zwingend oder zumindest hinrei­chend naheliegend ist. Aber das Land hat generell die Inter­essen an einer substan­ti­ellen Windener­gie­nutzung nicht ausrei­chend gewürdigt. Hier zitiert das VG Gera auch den Klima­schutz­be­schluss des BVerfG vom 24. März 2021 und führt dabei aus:

Das relative Gewicht des Klima­schutz­gebots nimmt in der Abwägung bei
fortschrei­tendem Klima­wandel aller­dings weiter zu“

Dann wendet sich das VG den 1% Windkraft­vor­rang­ge­bieten zu, die das Landes­kli­ma­schutz­gesetz fordert. Das Land wollte dies erst 2040 reali­sieren. Laut VG „unter­läuft“ es damit aber die Ziele des Klima­schutz­ge­setzes. Dies belegt das VG recht detail­liert anhand mehrerer Prüfbögen. Der Regio­nalplan hätte mehr Raum für Windkraft­an­lagen lassen müssen. Da das Gericht auch keine arten­schutz­recht­lichen Hinder­nisse sieht, ist die Entscheidung des Landes in seinen Augen rechts­widrig. Dass der Vorha­ben­träger trotzdem nicht die begehrte Geneh­migung, sondern „nur“ ein Beschei­dungs­urteil erhalten hat, liegt am Verfah­rens­stadium des Geneh­mi­gungs­ver­fahrens: Hier muss nun noch einmal die Behörde aktiv werden, es sei denn, die nächsten Instanzen entscheiden anders.

Was bedeutet diese Entscheidung nun für die Praxis? Inter­essant ist zunächst, dass die epochale Klima­schutz­ent­scheidung des BVerfG hier direkt den Abwägungs­vorgang beein­flusst. Inter­essant ist weiter, wie sehr das Gericht das Land beim Wort nimmt: Das  Klima­schutz­gesetz erweist sich als durchaus harte Nuss: Kein absolutes Verbot, keine direkten Ansprüche, aber eine relevante Verschiebung der für die Abwägung beim Planerlass entschei­denden Aspekte. Im Ergebnis steht auf fast 80 Seiten: Ihr habt den Klima­schutz nicht ausrei­chend berück­sichtigt, und wenn ihr euch Ziele in Klima­schutz­ge­setze schreibt, könnt ihr die nicht einfach beliebig ignorieren oder in die ferne Zukunft verschieben.

Wie eine frisch­ge­ba­ckene Altkanz­lerin jüngst sagte: Es ist ernst. Nehmen Sie es ernst (Miriam Vollmer).

2021-12-03T21:05:15+01:003. Dezember 2021|Allgemein, Erneuerbare Energien, Naturschutz, Strom, Umwelt|

Von Kindern und Weisen

Im August wird der Protest der Schüler von „Fridays for Future“ ein Jahr alt. Gemessen an der Kürze der Zeit, hat die 16-jährige Schülerin Greta Thunberg aus Stockholm unglaublich viel Aufmerk­samkeit für ihre Sache gewonnen. Nun ist Aufmerk­samkeit alleine nicht alles. Lange Zeit beherrschte die Frage die Diskussion, ob politi­scher Protest es überhaupt recht­fer­tigen könne, die Schule zu schwänzen. Ob die Schüler – mit anderen Worten – nicht lieber lernen und die schwie­rigen Fragen des Klima­schutzes den Profis überlassen sollten. Auf der anderen Seite gab und gibt es auch sehr viel Zustimmung. Die Aktivisten werden zu vielen Veran­stal­tungen und Treffen einge­laden und mit Preisen überhäuft. Aber auch das kann zweischneidig sein. Bezeichnend war die Verleihung der goldenen Kamera an Greta Thunberg, im Programm unmit­telbar gefolgt von einer Werbe­aktion, bei der VW einer Nachwuchs­schau­spie­lerin einen SUV spendete. Mit anderen Worten: Alles nur Umarmungs­taktik, bei der die Inhalte hinter einer diffusen Wolke von Sympathie auf der Strecke bleiben?

Wenn der gute Wille ausrei­chend bekundet wurde, ist es tatsächlich irgendwann an der Zeit, sich konkreten Inhalten zuzuwenden. Über die sich dann wieder trefflich streiten lässt. Und dann hat tatsächlich auch die Stunde der Profis geschlagen. Nicht weil sie es immer besser wissen, aber weil Teil ihrer Profes­sio­na­lität ist, hinrei­chend bestimmte und umsetzbare Vorschläge machen zu können. So vor ein paar Tagen der Sachver­stän­di­genrat zur Begut­achtung der gesamt­wirt­schaft­lichen Entwicklung, kurz: die fünf Wirtschafts­weisen. Sie haben im Sonder­gut­achten 2019 „Aufbruch zu einer neuen Klima­po­litik“ ein Gesamt­konzept vorgelegt, das als Kernelement die Bepreisung von CO2 beinhaltet, aber auch weitere flankie­rende Einzel­maß­nahmen vorschlägt. Dazu zählen sie die techno­lo­gie­neu­trale Förderung der Grundlagenforschung.

Dabei setzen die Wirtschafts­weisen langfristig auf eine Ausweitung des Europäi­schen Emissi­ons­handels (EU ETS), schließen aber als Übergangs­lösung eine CO2-Steuer oder einen separaten Emissi­ons­handel nicht aus. Die Wirtschafts­weisen kommen mit der von ihnen vorge­stellten Ausge­staltung des Konzepts vielen typischen wirtschafts- und sozial­po­li­ti­schen Einwänden bereits zuvor: 

So setzen sie sehr aus inter­na­tionale Koope­ration, halten nichts von natio­nalen Allein­gängen, wohl aber davon, durch Einhaltung inter­na­tio­naler und europäi­scher Verpflich­tungen seine Vorbild­funktion zu erfüllen. Außerdem sollen europäische Staaten ihre Klima­po­litik möglichst eng koordi­nieren. Zum Ausgleich von Wettbe­werbs­nach­teilen für die deutsche Produktion, die nicht schon durch kostenlose Zuteilung von Zerti­fi­katen ausge­glichen werden können, soll u.U. ein Grenz­aus­gleich statt­finden, bei dem Importen der CO2-Preis aufge­schlagen wird. 

Wie schon in vielen anderen Vorschlägen zur CO2-Bepreisung sollen die zusätz­lichen Einnahmen vor allem der sozialen Abfederung dienen. Vorge­schlagen wird eine Kopfpau­schale oder eine Strom­steu­er­senkung. Außerdem sollen indivi­duelle Maßnahmen zur Anpassung, etwa Austausch von Heizungen, gefördert werden.

Mögli­cher­weise gehen den protes­tie­renden Schüle­rinnen und Schülern die Forde­rungen der Wirtschafts­weisen nicht weit genug. Anderer­seits können sie auch ein bisschen stolz sein. Sie haben dazu beigetragen, dass die aktuelle Diskussion in ein Stadium getreten ist, in dem sich die promi­nen­testen Experten mit ganz konkreten Fragen der Klima­po­litik befassen. Das bedeutet zum einen viel Streit, zum anderen wächst aber auch die Wahrschein­lichkeit, dass den Worten irgendwann Taten folgen.

2019-07-16T12:53:54+02:0016. Juli 2019|Emissionshandel, Energiepolitik, Umwelt|