Wärmeplan mal anders

Manche einfache Fragen sind schwerer zu beant­worten als man so denkt. Kürzlich auf einer Veran­staltung fragte etwa jemand, wie es denn aussieht, wenn eine Stadt einen Wärmeplan aufstellt, aus dem sich ergibt, dass dauerhaft Erdgas genutzt werden soll. Also so richtig dauerhaft. Für immer.

Der Wärmeplan, so viel steht fest, wäre natürlich rechts­widrig. Nach § 9 Abs. 1 Wärme­pla­nungs­gesetz (WPG) sind die Ziele des Bundes-Klima­schutz­ge­setzes (KSG) zu beachten, und dessen § 3 Abs. 2 KSG schreibt 2045 THG-Netto­neu­tra­lität vor. Da die Verbrennung von Erdgas THG-Emissionen nach sich zieht, wäre der Plan schon deswegen nicht korrekt. Außerdem entspricht so ein Plan auch nicht § 20 Abs. 1 WPG, der eine Umset­zungs­stra­tegie mit dem Ziel einer Wärme­ver­sorgung ausschließlich aus erneu­er­baren Energien oder Abwärme gebietet. Doch das WPG sieht keine Sanktionen vor, wenn eine Kommune keine oder eben eine rechts­widrige Planung vornimmt. Kann also eine Gemeinde auf diese Weise den Ausstieg aus der Gasheizung lokal zu Fall bringen?

Wie Sie sich sicher schon gedacht haben: So einfach ist es nicht. Welche Heizung sich die Bürger einer Gemeinde einzu­bauen haben, ergibt sich nicht aus der Wärme­planung, sondern aus § 71 Gebäude-Energie­gesetz (GEG), nach dessen Absatz 1 beim Einbau einer neuen Heizung 65% Erneu­erbare genutzt werden müssen, was für die in Absatz 3 genannten Heizungs­tech­no­logien ohne weitere Prüfung angenommen wird. Heizungen, die mit Erdgas betrieben werden, gehören – abgesehen von Hybrid­hei­zungen als Redundanz zu Wärme­pumpen oder Solar­thermie – natürlich nicht dazu. Daran ändert die kommunale Wärme­planung gar nichts.

Auf die kommunale Wärme­planung kommt es nach § 71 Abs. 8 GEG nur in Hinblick auf den Zeitpunkt an, ab dem die 65%-Pflicht beim Einbau einer neuen Heizung gilt: Die neuen Pflichten gelten ab 2026 oder 2028, außer, die Gemeinde beschließt schon vorher vor Ort ein Wärme- oder Wasser­stoffnetz. Ansonsten kommt es auf den Inhalt des Wärme­plans nicht an. Auch ein beherztes „Erdgas forever“ verhindert es also nicht, dass ab 2026 bzw. 2028 nur noch in seltenen Ausnah­me­fällen eine neue Erdgas­heizung eingebaut werden kann.

Für den Bürger ändert sich also gar nichts, wenn eine Gemeinde rechts­widrig beschließt, dauerhaft am Erdgas festzu­halten. Sie müssen auch dann beim Heizungs­wechsel den Vorgaben des GEG nachkommen. Eine solche demons­trative Anti-Planung unter­scheidet sich damit nicht von einer Genmeinde, die die Planung nicht frist­ge­recht bewältigt. Der Unter­schied gegenüber Gemeinden, die eine sach- und fachge­rechte Wärme­planung haben: In einer solchen Gemeinde sind die Bürger auf sich selbst zurück­ge­worfen, wie sie die 65% – langfristig 100% – THG-freie Wärme­ver­sorgung gewähr­leisten. Auf Wärme­netze oder grüne Gase können sie nicht zählen. Und auch in Hinblick auf die Bepreisung von CO2 und die Verfüg­barkeit der vorge­la­gerten Gasnetz­ebene ist ein solcher kommu­naler Beschluss ohne jede Wirkung (Miriam Vollmer).

2024-09-06T21:49:35+02:006. September 2024|Allgemein|

Härte­fälle bei der Unter­bre­chung der Energieversorgung

Wir hatten hier vor kurzem über die geplanten neuen gesetz­lichen Vorgaben zur Unter­bre­chung der Energie­ver­sorgung wegen Nicht­zahlung der dafür anfal­lenden Entgelte berichtet. All diesen Regelungen, sei es die geplante Neuge­staltung, sei es das derzeit geltende Recht haben gemeinsam, dass der Energie­ver­sorger im Härtefall trotz offener Forde­rungen nicht sperren darf.

Aber was genau ist jetzt eigentlich ein Härtefall?

Erfor­derlich ist hier eine Abwägung im Einzelfall, aber die Recht­spre­chung hat hier in der Vergan­genheit verschiedene Entschei­dungen getroffen, die dafür als Leitlinien gelten heran­ge­zogen werden können.

Grund­s­ärtlich gilt, dass die allge­meinen Nachteile und Unannehm­lich­keiten die natur­gemäß immer aus einer Unter­bre­chung der Strom- oder Gasver­sorgung folgen noch keine unzumutbare Härte begründen. Es müssen erst weitere besondere Umstände hinzutreten.

Nach einer Entscheidung des Landge­richts Augsburg steht allein der Umstand, dass in einer betrof­fenen Wohnung Kinder bzw. Klein­kinder leben einer Unter­bre­chung der Versorgung nicht entgegen und stellt keinen beson­deren Härtefall da (LG Augsburg, 17.09.2021, 85 O 3309/21, bestätigt durch OLG München, 13.10.2021, 27 W 1457/21).

Anders sieht es aus, wenn die Unter­bre­chung der Versorgung zu einer Zeit mit besonders niedrigen Außen­tem­pe­ra­turen statt­findet. Hier hat das Landge­richt Neubran­denburg eine unzumutbare Härte bestätigt. Auch in dem Fall waren von der Sperrung Kinder betroffen (LG Neubran­denburg, 20.04.2010, 1 S 130/09).

Die Unter­bre­chung der Energie­ver­sorgung eines Mieters ist zulässig, auch wenn die offenen Forde­rungen des Energie­ver­sorgers gegenüber dem Vermieter bestehen und dieser die vertraglich geschul­deten Entgelte zur Versorgung der Wohnung nicht gezahlt hat (AG Bernau, Beschluss vom 06.04.2010, Az: 10 C 1361/09 (031).

Generell kann man betrof­fenen Kunden in einer solchen Situation nur raten, den möglichen Härtefall möglichst präzise dem Versorger und ggf. dem Gericht darzu­legen. Versorger sind gut beraten jeden Fall mit Augenmaß sorgfältig zu prüfen und sich ggf. juris­ti­schen Rat zu holen.

(Christian Dümke)

2024-09-06T21:24:23+02:006. September 2024|Verkehr|

Betrug mit Klima­schutz­pro­jekten in der Ölbranche

Kennen Sie noch die Geschichte mit den Potem­ki­schen Dörfern? Fürst Potjomkin habe Aufbau­erfolge als Gouverneur zum Besuch der Zarin durch bemalte Kulissen vorge­täuscht, um vor ihr besser dazustehen. Im Juni 2024 wurde bekannt, dass es in China wohl großan­gelegt gefälschte Projekte zur CO2-Minderung, sogenannte Upstream-Emissions-Reduk­tions-Projekte (UER) gibt. Die Auswertung von Satel­li­ten­bildern brachte wohl den Stein ins Rollen. Doch geht es hierbei nicht um den guten Eindruck, wie bei Fürst Potjomkin, sondern um Milli­arden und die Glaub­wür­digkeit eines wichtigen Instru­ments des Klima­schutzes. Das Umwelt­bun­desamt (UBA), das diese Projekte zerti­fi­ziert hat, zieht nun die Notbremse, wie heute in einer Presse­mit­teilung verkündet wurde. Fehler­hafte Zerti­fikate in Höhe von rund 215.000 Tonnen CO2 gelangen nicht in den Markt.

Mit Upstream-Emissions-Reduk­tions-Projekten haben Ölkon­zerne laut einem Bericht des BMUV seit 2018 die Möglichkeit, die gesetz­lichen Klima­schutz­ziele im Verkehrs­sektor zu erreichen. Die meisten dieser Projekte zielen darauf, den CO2-Ausstoß bei der Ölför­derung zu reduzieren, indem dabei anfal­lende Begleitgase nicht mehr abgefa­ckelt, sondern durch Umbau der Anlage ander­weitig genutzt werden. Für die so einge­sparten Emissionen erhalten die Unter­nehmen UER-Zerti­fikate, die sie einsetzen können, um die THG-Quote zu erfüllen.

Bei acht UER-Projekten in China, bei denen bis zum 31. August 2024 über die Freischaltung entschieden werden musste, werden wir aufgrund von uns ermit­telter Unregel­mä­ßig­keiten die beantragten Freischal­tungen nicht durch­führen. Es werden aus diesen Projekten also keine neuen UER-Zerti­fikate in den Markt gelangen. Das ist eine gute Nachricht“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner.

Bei sieben der acht Projekte – die von großen, inter­na­tio­nalen Unter­nehmen durch­ge­führt werden – wurden die Anträge auf Freischaltung von UER-Zerti­fi­katen für 2023 zurück­ge­zogen. Insgesamt hat das UBA auf diese Weise verhindert, dass unberech­tigte UER-Zerti­fikate im Umfang von 159.574 Tonnen CO2-Äquiva­lente in den Markt gelangt sind. Bei einem weiteren Projekt in China hat das UBA die Ausstellung von UER-Zerti­fi­katen untersagt, weil das Projekt, wie umfas­sende Satel­li­tenbild- und vertiefte technische Analysen durch UBA-Experten ergaben, vorzeitig begonnen wurde. Ein solcher vorzei­tiger Beginn ist nach der Verordnung zur Anrechnung von Upstream-Emissi­ons­min­de­rungen auf die Treib­haus­gas­quote (UERV) nicht zulässig. Hier hat das UBA durch die Versagung der Freischaltung verhindert, dass allein aus diesem Projekt unberech­tigte UER-Zerti­fikate im Umfang von 55.225 Tonnen CO2-Äquiva­lenten in den Markt gelangten.

In weiterem 21 Projekten wurden die Projekt­träger um Autori­sierung von Kontroll­be­suchen vor Ort gebeten, doch diese vielfach verweigert. Diese Verwei­gerung der Vor-Ort-Kontrollen deutet das UBA als sehr starkes Indiz, dass die Projekt­träger nicht bereit sind, ihre Verpflich­tungen unter der UERV zu erfüllen.

Neben den acht nun nicht freige­schal­teten Projekten wird das UBA weitere kritische UER-Projekte weltweit überprüfen, bis alle Vorwürfe ausge­räumt sind. Parallel ermittelt – laut Presse­mit­teilung – die Staats­an­walt­schaft Berlin gegen 17 Personen wegen des Verdachts des gemein­schaft­lichen gewerbs­mä­ßigen Betruges. Bei den Beschul­digten handelt es sich um die Geschäfts­führer bzw. Mitar­bei­tende von Prüfstellen, die an der Verifi­zierung UER-Projekten beteiligt gewesen sein sollen. Gegen die Beschul­digten bestehe der Anfangs­ver­dacht, die zustän­digen Mitar­bei­tenden des UBA hinsichtlich der Existenz und/oder jeden­falls der Antrags­be­rech­tigung verschie­dener Klima­schutz­pro­jekte getäuscht zu haben, weshalb zwischen­zeitig gewährte Sicher­heiten der Projekt­träger nicht zugunsten der Staats­kasse verein­nahmt werden konnten. (Dirk Buchsteiner)

2024-09-06T14:53:21+02:006. September 2024|Emissionshandel, Klimaschutz, Umwelt|