Über Fische im Strafprozess oder: Die Haftung lauert überall
Im Umweltrecht sind Ordnungswidrigkeiten schneller verwirklicht als man denkt. Die Nichtbeachtung von bußgeldbewährten Vorschriften reicht aus. Umweltstraftaten sind dem gegenüber besonders schwerwiegende Zuwiderhandlungen gegen das Umweltrecht. Sind Umweltstraftaten verwirklicht, werden diese mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet. Dadurch bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass die Gesellschaft diese schweren Verstöße gegen das Umweltrecht besonders missbilligt. Umweltrechtliche Straftatbestände finden sich in den §§ 324 ff. im 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches (StGB) unter dem Titel „Straftaten gegen die Umwelt“ und in einigen Umweltgesetzen (z. B. §§ 27 ff Chemikaliengesetz, §§ 71, 71a Bundesnaturschutzgesetz. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber mit diesen Regelungen europäische Vorgaben zur wirksamen Umweltpflege (EU-Richtlinie Umweltstrafrecht, 2008/99/EG) umgesetzt.
Das StGB kennt bisher 9 besondere Straftatbestände, die wir aus der Richtlinie 2008/99/EG übernommen haben. Durch die am 20.05.2024 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2024/1203 ist diese ersetzt worden. Die neue Richtlinie fordert den nationalen Gesetzgeber bis 2026 zur Erweiterung der Liste von Umweltstraftaten auf. Zukünftig werden nun zwanzig Handlungen gegenüber der Umwelt strafbar. Die Mitgliedstaaten sollen zum Beispiel sicherstellen, dass eine rechtswidrige Abfallbewirtschaftung eine Straftat darstellt, wenn eine derartige Handlung gefährliche Abfälle in nicht unerheblicher Menge oder andere Abfälle betrifft und solche anderen Abfälle erhebliche Schäden für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit verursachen oder dazu geeignet sind, dies zu verursachen. Spannend wird es sein, die unbestimmten Begriffe wie „nicht unerhebliche Menge“ näher zu bestimmen.
Zu erwarten ist, dass § 330 StGB – der besonders schwere Fall einer Umweltstraftat –, um weitere Qualifikationen erweitert wird. Führen Straftaten (vielfach wird in diesem Kontext von „Ökozid“ gesprochen) zur Zerstörung oder zu einer großflächigen und erheblichen Schädigung, die entweder irreversibel oder dauerhaft ist, eines Ökosystems von beträchtlicher Größe oder ökologischem Wert oder eines Lebensraums innerhalb eines Schutzgebiets oder zu einer großflächigen und erheblichen Schädigung, die entweder irreversibel oder dauerhaft ist, der Luft‑, Boden- oder Wasserqualität, so sollten Straftaten, die solche katastrophale Folgen herbeiführen nach der Richtlinie „qualifizierte Straftaten“ darstellen.
Insgesamt folgen aus der Richtlinie schärfere Strafrahmen und Sanktionen, insbesondere werden in Zukunft auch Unternehmen strafrechtlich sanktioniert. Dies geht weit über den Verfall von aus der Tat gezogenen Früchten hinaus, was auch bisher schon möglich ist.
Die Beteiligung der Öffentlichkeit als Dritte sollte auch mit Spannung erwartet werden. „The fish cannot go to court“ (und brauchen daher Unterstützung) heißt es dann nicht nur im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (siehe hier), sondern zukünftig auch vor den Strafgerichten. So sollen Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit im Namen der Umwelt als öffentliches Gut handeln können. Wie diese neuen Verfahrensrechte für die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit aussehen sollen, bleibt abzuwarten. (Dirk Buchsteiner)