Das 14. Türchen: Windbür­gergeld für Hessen

Windkraft ist umstritten. Teilweise beruht diese Ablehnung auf verbrei­teten Irrtümern, etwa über die Auswir­kungen von Windkraft­an­lagen auf Vögel oder die mensch­liche Gesundheit. Doch nicht jeder, der Windkraft skeptisch sieht, ist schlecht infor­miert. Vielfach beruht die Skepsis auch auf einem handfesten Grund: Die Gemeinde, in der ein Windpark errichtet werden soll, hat teilweise erheb­liche Planungs­auf­wände, das gewohnte Landschaftsbild ändert sich, aber die Menschen, die in der Gemeinde leben, haben oft nichts von den Windkraft­an­lagen. Denn während früher dort, wo Energie erzeugt wurde, die Gemeinden in Form von Gewer­be­steuern profi­tierten und Arbeits­plätze entstanden, verdienen heute oft Projekt­ge­sell­schaften in Metro­polen und die Erzeugung kommt mit einem Minimum an Mitar­beitern aus, die zudem nicht vor Ort leben und arbeiten. Kein Wunder, dass weder Gemein­de­ver­treter noch Anwohner jubeln, wenn ein Windpar­k­in­vestor auftaucht.

Dass ein Teil der Erträge vor Ort bleiben soll, hat der Gesetz­geber des EEG 2021 im § 6 EEG 2021 verankert. Auf dieser Grundlage dürfen Gemeinden finan­ziell beteiligt werden. Das verab­schiedete, ab dem kommenden Jahr geltende EEG 2023 weitet diese Möglichkeit auf größere Anlagen und Anlagen in der sonstigen Direkt­ver­marktung aus. Doch so sehr diese Möglichkeit zu begrüßen ist: Für die meisten Bürger ist Geld für die Stadt etwas völlig anderes als Geld, das ihnen direkt zukommt. Schließlich profi­tierten auch in den alten Zeiten der Boden­schätze nicht nur die Städte von dem natür­lichen Reichtum der Region, auch die Bürger profi­tierten. Warum also nicht ein Windbür­gergeld denje­nigen auszahlen, die im Umkreis der Anlage leben?

Doch darf ein Anlagen­be­treiber ein solches Windbür­gergeld zahlen? Wie kann und muss es ausge­staltet sein, vor allem auch in Hinblick auf die Grenzen des Kommu­nal­rechts? Diese Fragen haben wir für die Landes­en­er­gie­agentur Hessen, die LEA, geprüft und in zwei Muster­ver­trägen umgesetzt. Sie sind in die Toolbox einge­gangen, mit der das Land Hessen die Energie­wende in Kommunen unter­stützt. Die frei zugäng­liche Toolbox soll kommu­nalen Entschei­dungs­trägern, aber auch anderen Stake­holdern der Energie­wende vor Ort, Möglich­keiten aufzeigen, auf die man nicht sofort kommt, und mit Check­listen, Ratschlägen, Mustern und Ansprech­partnern den Ausbau der Erneu­er­baren fördern.

Das Mandat führt Dr. Miriam Vollmer.

2022-12-20T19:16:07+01:0020. Dezember 2022|Allgemein|

Das 13. Türchen: Die verhin­derte Schulweg-Ampel

Dass Schul­kinder möglichst früh lernen sollen, sich unabhängig und sicher in ihrem Wohnumfeld zu bewegen und in der Lage sein sollen, alleine zur Schule zu kommen, wird eigentlich öffentlich kaum bestritten. Wenn faktisch dennoch viele Kinder von ihren Eltern mit dem sogenannten „Elterntaxi“ gebracht werden, wird das oft der Überfür­sorg­lichkeit von „Helikopter-Eltern“ angelastet.

Die Realität sieht aber mitunter ganz anders aus. Die Verhält­nisse im Straßen­verkehr sind vielerorts einfach nicht so, dass Kinder gefahrlos zur Schule laufen können. Würden Sie etwa Ihre Kinder frühmorgens alleine über eine viel befahrene vierspurige Straße laufen lassen, wenn es dort weder einen Fußgän­ger­überweg noch eine Ampel­anlage gibt? Eine Initiative von Eltern und Anwoh­nenden in Berlin-Neukölln hat da berech­tigte Sorgen, die von der zustän­digen Verkehrs­be­hörde nicht geteilt werden.

Denn nach deutschem Straßen­ver­kehrs­recht ist für Beschrän­kungen des fließenden Verkehrs eine besonders quali­fi­zierte Gefah­renlage nach § 45 Abs. 9 StVO erfor­derlich. Diese Gefah­renlage wird von der Behörde im Fall der Schulweg-Ampel aus mehreren Gründen abgelehnt. Unter anderem seien zu wenig Schul­kinder unterwegs, um eine Licht­zei­chen­anlage zu recht­fer­tigen. Zudem gäbe es aufgrund benach­barter Verkehrs­ampeln immer wieder Lücken im Verkehrs­fluss, so dass ein Queren gefahrlos möglich sei. Fußgän­ger­un­fälle habe es an der betref­fenden Stelle bisher noch nicht gegeben.

Zwei Lichtzeichenanlagen

Wir haben nun für die Initiative, genau genommen für mehrere Schul­kinder, vertreten durch ihre Eltern sowie für ein Ehepaar mit Gehbe­hin­derung Klage einge­reicht. Denn wir halten den Antrag auf Einrichtung einer Fußgän­ger­ampel durchaus für begründet und ein gericht­liches Vorgehen trotz der relativ hohen recht­lichen Hürden in diesem Fall für sinnvoll.

Die Begründung der Behörde geht nämlich in wesent­lichen Punkten von falschen Tatsachen oder Bewer­tungen aus:

1) stellt sie einseitig auf die Sicherheit des Verkehrs ab, nicht auch auf die Mobili­täts­be­dürf­nisse der Kinder und von Menschen mit Behin­derung, die bei der Entscheidung nach § 45 StVO im Rahmen der Ordnung des Verkehrs auch berück­sich­ti­gungs­fähig sind. Insbe­sondere wird aus der Tatsache, dass aktuell wenig Fußverkehr an der Kreuzung herrscht, offenbar geschlossen, dass dort auch bei Herstellung einer besseren Querungs­mög­lichkeit kaum Bedarf bestünde;

2) wird bei der Beurteilung des Verkehrs­auf­kommens unter­schlagen, dass wegen der häufigen Sperrung des parallel gelegenen Autobahn­ab­schnitts die Straße oft viel dichter befahren ist, als bei den Verkehrs­zäh­lungen erhoben;

3) brauchen für eine quali­fi­zierte Gefah­renlage keine Unfälle nachge­wiesen werden, es reicht vielmehr, dass die Verhält­nisse vor Ort Unfälle sehr wahrscheinlich machen;

4) schließlich wird nicht berück­sichtigt, dass eine Ampel­schaltung möglich wäre, die sich auch an der grünen Welle orien­tiert und insofern kaum Einschrän­kungen für die große Mehrheit des Kfz-Durch­gangs­ver­kehrs bringen würde.

Zwar haben Behörden bei der Verkehrs­re­gelung einen weiten Ermessens- und Einschät­zungs­spielraum. Aller­dings müssen sie die Tatsa­chen­grundlage für ihre Entschei­dungen sorgfältig ermitteln und dürfen keine Wertungen treffen, die nicht rechts­konform sind. Den Fall betreut unser Partner Rechts­anwalt Dr. Olaf Dilling.

2022-12-20T09:57:17+01:0020. Dezember 2022|Allgemein, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Das 12. Türchen: Wie wirbt man (nicht) mit CO2-Kompensationen?

Die Bundes­re­gierung tut’s, viele andere tun’s: Unver­meid­liche Emissionen kompen­sieren. Doch nicht alle Angebote am Markt sind seriös. Entspre­chend gibt es immer wieder Bericht­erstattung in der Presse, dass manches Angebot nicht hält, was es verspricht. Das ist mindestens ärgerlich für die Kunden. Doch dann, wenn die Kunden mit dem Versprechen der Klima­neu­tra­lität am Markt aufge­treten sind, bekommt das unseriöse Angebot auch eine recht­liche Kompo­nente. Denn die meisten Käufer würden bei der Wahl zwischen einem klima­neu­tralen Müllbeutel und einem, der keine Klima­neu­tra­lität verheißt, zum klima­freund­lichen Produkt greifen, auch wenn es etwas mehr kostet. Die Frage, wie seriös Kompen­sa­ti­ons­an­gebote sind, hat also nicht nur eine ökolo­gische, sondern auch eine wettbe­werbs­recht­liche Kompo­nente, wie eine ganze Reihe von jüngeren Gerichts­ur­teilen zeigen.

Doch wann ist ein Angebot seriös? Und erfüllt das eigene Angebot diese Kriterien? Diese Frage haben wir für die Climate Company, GEMB Gesell­schaft für Emissi­ons­ma­nagement und Beratung mbH geprüft und ein Gutachten erstellt. Dabei haben wir aus der vorhan­denen Recht­spre­chung einen Dreischritt identi­fi­ziert und beschrieben:

  • Um sicher­zu­stellen, dass tatsächlich so viel CO2 kompen­siert wird, wie vorher emittiert wurde, muss im ersten Schritt überhaupt ermittelt worden sein, welche Menge kompen­siert werden muss. Die Ermittlung nach der DIN EN 16247–1 für Energie­audits, die das Unter­nehmen für die CO2-Bilanzen verlangt, sind unserer Ansicht nach geeignet, die Kompen­sa­ti­ons­menge zu identi­fi­zieren. Das gilt auch für Energie­da­ten­be­richte, wenn sie von Dritten stammen, und Tankmengen im Trans­port­wesen. Gibt es nur Primär­da­ten­be­richte, ist ein Aufschlag erfor­derlich. Was wir auch wichtig finden: Vermeidung und energe­tische Optimierung müssen vorrangig geprüft worden sein.
  • Weiter: Es gibt eine Vielzahl von Zerti­fi­katen und nicht immer ist der Umgang mit diesen frei von Risiken. Wir meinen, dass auf jeden Fall gewähr­leistet sein muss, dass die Minderung tatsächlich statt­ge­funden hat. Unsere Mandantin hat quali­tative Anfor­de­rungen, kompen­siert entlang des Gold-Standards oder durch VCS-Zerti­fikate des Registers VERRA und vermischt die Zerti­fikate aus unter­schied­lichen Projekten nicht, um Nachvoll­zieh­barkeit zu gewährleisten.
  • Abschließend haben wir geprüft, wie die Rahmen­be­din­gungen der Siegel aussehen, die die Käufer der Zerti­fikate erhalten. Hier ist der Abgleich mit der Markt­er­wartung wichtig. Es dürfen also keine unzutref­fenden Vorstel­lungen hervor­ge­rufen werden, was in einem Markt, von dem viele Menschen ohnehin nur sehr unscharfe Vorstel­lungen haben, natürlich nicht einfach ist. Unsere Mandantin erteilt ihren Kunden die Auflage, durch räumliche Nähe von Siegel und Zerti­fikat, aus dem sich ergibt, was genau hier nun kompen­siert wurde, Fehlvor­stel­lungen auszuschließen.

Wir sind am Ende unseres Gutachtens für das Produkt der Mandantin (rechts Geschäfts­führer Michael Kroehnert) zu positivem Ergebnis gekommen. Für manche Werbung mit Klima­neu­tra­lität, die man ansonsten so sieht, hätte das sicher nicht gegolten. Warum es sie trotzdem gibt, mag manchmal an Unkenntnis, manchmal an dem höheren Aufwand allein schon eines Energie­audits oder einer gleich­wer­tigen Feststellung der Emissionen liegen. Schade ist es allemal, denn eine an sich gute Sache wird so auch in den Augen der Öffent­lichkeit beschädigt.

Das Gutachten erstellten Dr. Miriam Vollmer und Dr. Olaf Dilling.

2022-12-16T19:31:28+01:0016. Dezember 2022|Umwelt|