Die geänderte Kosten­struktur, der starr­sinnige Kunde und der Fernwärmeliefervertrag

Der neue § 24 Abs. 4 S. 4 AVBFern­wärmeV bestimmt, dass Änderungen der Preis­än­de­rungs­klauseln nicht einseitig durch öffent­liche Bekanntgabe erfolgen dürfen. Der Versorger braucht also das Einver­ständnis des Kunden, wenn er die Klausel ändern möchte.

Doch Fernwär­me­lie­fer­ver­träge laufen lange. Sie werden meistens für zehn Jahre abgeschlossen und dann für jeweils fünf Jahre verlängert. Doch wie nun damit umgehen, wenn sich innerhalb der Vertrags­laufzeit die Kosten­struktur so tiefgreifend ändert, dass der Vertrag einfach  nicht mehr passt? Etwa, weil die Preis­gleit­klausel zum Zeitpunkt des Vertrags­schlusses einen Index für Stein­kohle enthält, aber drei Jahre später geht das alte Kraftwerk vom Netz und wird durch eine neue Anlage ersetzt, die Erdgas verbrennt.

Einfach abwarten, bis die Vertrags­laufzeit ausläuft und dann die Preis­gleit­klausel ändern, empfiehlt sich nicht. Denn der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat am 25.6.2014 ein Urteil gefällt, nach dem Klauseln unwirksam werden können, wenn sich die Verhält­nisse ändern (VIII ZR 344/13). Sie können dann nicht mehr für weitere Preis­an­pas­sungen heran­ge­zogen werden. Mit anderen Worten: Wenn ab 2021 Erdgas einge­setzt wird, kann 2023 keine Preis­an­passung auf den Stein­koh­le­index gestützt werden, selbst wenn dieser Index 2020 bei Vertrags­schluss richtig und die Klausel wirksam war.

Dusche, Bad, Badezimmer, Sauber, Wasser, Bad, Waschen

Doch wie nun damit umgehen, wenn der Kunde eine Nachtrags­ver­ein­barung nicht unter­schreibt, der Weg über die öffent­liche Bekanntgabe aber versperrt ist? Viel spricht in dieser Situation für einen Anspruch auf Preis­an­passung aus Treu und Glauben in Gestalt vertrag­licher Treue- und Rücksicht­nah­me­pflichten, denn der Kunde kann ja nicht durch schieres Nichtstun den Versorger so schachmatt setzen, dass der nie wieder den Preis anpassen kann. Denkbar ist auch ein Anspruch auf eine außer­or­dent­liche Änderungs­kün­digung, indes liegt dies oft nicht im Interesse des Versorgers. Hier macht sich nun schmerzlich bemerkbar, dass der Verord­nungs­geber in seinem Bemühen um eine Reform der AVBFern­wärmeV zwar in vielfacher Hinsicht klarge­stellt hat, was alles nicht geht, aber keinen rechts­si­cheren Weg aufge­zeigt hat, wie das ja auch vom Verord­nungs­geber in § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV anerkannte Interesse an einer Anpassung der Preise an die Kosten wirksam umgesetzt werden kann. Mögli­cher­weise wird diese Situation zu vermehrten Jahres­ver­trägen mit Festpreisen führen (Miriam Vollmer).

2021-11-12T17:50:09+01:0012. November 2021|Vertrieb, Wärme|

Der nicht klage­be­fugte Ad-hoc-Umweltverband

In Umsetzung der Aarhus-Konvention und des Europa­rechts wurden in Deutschland die Rechte von Umwelt­ver­bänden erheblich ausge­weitet. Dies hat sicher dazu beigetragen, dass bestehende Umwelt­ge­setze effek­tiver umgesetzt und öfter einge­klagt werden. Auf der anderen Seite gibt das Umwelt­ver­bänden auch erheb­liche Macht, auch dazu, Infra­struk­tur­pro­jekte zu verzögern. Insofern ist nachvoll­ziehbar, wenn Justiz und Verwaltung es bei der Frage genau nehmen, wer genau die Verbands­klage- und Betei­li­gungs­rechte für sich in Anspruch nehmen kann.

Vor dem Oberver­wal­tungs­ge­richt Rheinland-Pfalz ging es dieses Jahr in einem Fall um einen Bürger­initiative, die erst im Verlauf des Gerichts­ver­fahrens offiziell als Umwelt­verband anerkannt worden war. Geklagt hatte die BI gegen die Planung eines Rad- und Fußweges durch den Bienwald.

Das Gericht hat entschieden, dass die Klage unzulässig ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz. Denn gemäß § 2 Abs. 2 Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz (UmwRG) ergibt sich, dass eine bei Klage­ein­legung nicht anerkannte Verei­nigung nur dann klage­befugt ist, wenn sie die Voraus­set­zungen der Anerkennung erfüllt und einen Antrag auf Anerkennung gestellt hat, über den aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, noch nicht entschieden wurde. Mit anderen Worten, nur wenn die Verzö­gerung bei der Anerkennung nicht in ihrer Verant­wor­tungs­sphäre liegt, kann eine noch nicht anerkannte Verei­nigung klagen.

Dies ist auch im Lichte der Aarhus-Konvention durchaus nachvoll­ziehbar. Denn von der Klage­be­fugnis sollen Verbände profi­tieren, die sich allgemein und konti­nu­ierlich für Umwelt­be­lange einsetzen. Bei einer Bürger­initiative, die sich anlass­be­zogen gebildet hat, um ein einzelnes Projekt zu verhindern, liegt nahe, dass die Umwelt­be­lange bloß vorge­schoben sind (Olaf Dilling).

2021-11-11T23:42:19+01:0011. November 2021|Naturschutz, Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Sonder­kün­digung unwirksam – Amtsge­richt Bottrop verpflichtet Versorger zur Weiterbelieferung

Die aktuellen Preis­stei­ge­rungen bei Strom und Gas haben nicht nur die Kunden, sondern offen­sichtlich auch einige Versorger kalt erwischt. Das mündete in einigen Fällen dann in den Versuch die versorgten Kunden kurzfristig loszu­werden – eine am bisher umkämpften Energie­markt eine seltsame Konstel­lation, ging es dort bisher doch darum, möglichst viele Neukunden zu gewinnen.

Die Versorgung der betrof­fenen Kunden sei aufgrund der Beschaf­fungs­preise unzumutbar geworden oder es drohe sogar die Insolvenz, so dass eine außer­or­dent­liche Vertrags­kün­digung gerecht­fertigt sei – so oder so ähnlich lautete die Begründung für viele Sonder­kün­di­gungen, die betroffene Kunden erhielten. Die betrof­fenen Kunden drohten damit kurzfristig in die teure gesetz­liche Ersatz­ver­sorgung des örtlichen Grund­ver­sorgers zu fallen. Eine missliche Situation, die sich noch verschärfte, weil viele Versorger gleich­zeitig einen Neukun­den­stopp verkündeten.

Diese Praxis ist der Sonder­kün­digung ist jedoch mögli­cher­weise gar nicht zulässig. Zumindest das Amtsge­richt Bottrop verpflichtete mit aktuell in einem einst­wei­ligen Verfü­gungs­ver­fahren per Eilbe­schluss den betrof­fenen Energie­ver­sorger den Antrags­steller unver­züglich weiter mit Energie zu beliefern und drohte für den Fall der Zuwider­handlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 EUR an. Die Verteuerung der Energie­preise läge im unter­neh­me­ri­schen Risiko des Energie­ver­sorgers und recht­fertige daher keine außer­or­dent­liche Kündigung nach § 314 BGB.

Die Entscheidung erging ohne mündliche Verhandlung.

(Christian Dümke)

2021-11-10T18:44:35+01:0010. November 2021|Gas, Rechtsprechung|