Ist der Grund­ver­sorger ein markt­be­herr­schendes Unternehmen?

Der Grund­ver­sorger hat im energie­recht­lichen Wettbewerb eine gewisse Sonder­stellung inne. Er unter­liegt in Wahrnehmung seiner Grund­ver­sor­gungs­pflicht einem Kontra­hie­rungs­zwang und muss jedermann im Netzgebiet zu den von ihm angebo­tenen und veröf­fent­lichten allge­meinen Preisen der Grund­ver­sorgung beliefern (§ 36 EnWG).

Der Grund­ver­sorger hat über die Regelungen der Strom- und GasGVV, wonach ein Vertrag mit dem Grund­ver­sorger bereits durch faktische Strom­ent­nahme zustande kommen kann praktisch einen „Erstzu­griff“ auf alle Kunden, die sich nicht aktiv einen Versorger zur Belie­ferung außerhalb der Grund­ver­sorgung gesucht haben.

Pro Netzgebiet gibt es dabei nur einen Grund­ver­sorger, daher stellt sich die Frage, ob der Grund­ver­sorger aus seiner Position heraus ein markt­be­herr­schendes Unter­nehmen darstellt – mit allen daraus verbun­denen Konsequenzen.

Der Begriff des markt­be­herr­schenden Unter­nehmens ist definiert in § 18 Abs. 1 des Gesetz gegen Wettbe­werbs­be­schrän­kungen (GWB). Ein Unter­nehmen gilt hiernach als markt­be­herr­schend, soweit es als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerb­lichen Leistungen auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt ohne Wettbe­werber ist, keinem wesent­lichen Wettbewerb ausge­setzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbe­werbern überra­gende Markt­stellung hat.

Für den Grund­ver­sorger lässt sich zunächst feststellen, dass er auf dem Energie­markt in seinem Netzgebiet regel­mäßig sehr wohl dem Wettbewerb um Kunden durch andere Energie­ver­sorger ausge­setzt ist. Jeder Kunde kann heute aus einer Vielzahl von Energie­ver­sorgern wählen und ist daher nicht auf eine Belie­ferung durch den Grund­ver­sorger angewiesen.

Ob eine im Verhältnis zu seinen Wettbe­werbern überra­gende Markt­stellung besteht ist im Einzelfall für das konkrete Netzgebiet zu prüfen. Aus dem Umstand, dass die Rolle des Grund­ver­sorgers jeweils für 3 Jahre das Unter­nehmen erhält, dass die meisten Kunden im Netzgebiet versorgt, kann eine überra­gende Markt­stellung jeden­falls nicht automa­tisch abgeleitet werden, denn auch ein Versorger mit 20 % Markt­anteil kann Grund­ver­sorger sein, solange sein Markt­anteil nur größer ist als der anderer Versorger.

Ist die Frage damit geklärt? Nicht ganz: Das Bundes­kar­tellamt unter­stellt nämlich, dass es sich bei der Grund­ver­sorgung im Rahmen der sachlichen Markt­ab­grenzung um einen eigenen abgrenz­baren Markt handelt. Der Markt für die Belie­ferung von SLP-Kunden in der Grund­ver­sorgung umfasse hiernach alle
Letzt­ver­braucher, deren Verbrauch von elektri­scher Energie auf der Basis eines Standard­last­profils ohne regis­trie­rende Leistungs­messung und zu Allge­meinen Preisen im Sinne des § 36 Abs. 1 EnWG und des § 38 Abs. 1 EnWG abgerechnet wird (8. Beschluss­ab­teilung, Beschluss vom 08.12.2011, B8-94/11, Rdn. 34). Nach Praxis der Beschluss­ab­teilung werden folgende Märkte abgegrenzt:

• Markt für den erstma­ligen Absatz von Strom,
• Markt für die Belie­ferung von RLM-Kunden,
• Markt für die Belie­ferung von SLP-Kunden auf Grundlage von Sonderverträgen,
• Markt für die Belie­ferung von SLP-Kunden in der Grundversorgung,
• Markt für die Belie­ferung von SLP-Kunden mit Heizstrom.

Durch diese Aufspaltung des Marktes für SLP Kunden lässt sich eine Markt­be­herr­schung tatsächlich konstruieren.

Ebenso ist die Landes­kar­tell­be­hörde Nieder­sachsen im Jahr 2018 verfahren, als sie unter Berufung auf § 29 GWB mehrere Grund­ver­sorger zur Senkung ihrer Energie­preise verpflichtete (wir berich­teten kritisch).

An dieser Aufspal­tungs­be­trachtung fragwürdig ist der Umstand, dass der SLP-Kunde über beide Märkte versorgt werden kann und er auf den „sachlichen Markt der Grund­ver­sorgung“ gerade nicht angewiesen ist.

(Christian Dümke)