Verkehrs­wende im Wahlpro­gramm der LINKEN

Fahhradzeichen auf Asphalt mit Linksabbiegepfeil
Das Wahlpro­gramm der Partei Die LINKE ist bei dieser Wahl tatsächlich eins der spannen­deren Programme, weil die LINKE sich mit dem Thema Ökologie mitunter in der prakti­schen Politik etwas schwer tut. Dagegen ist das Wahlpro­gramm in seinen Aussagen relativ eindeutig und setzt in Punkto Verkehrs­wende unter dem Stichwort „Bezahlbare und klima­freund­liche Mobilität für alle“ durchaus Schwerpunkte:

  • Bus und Bahn sollen als Alter­native zum motori­sierten Indivi­du­al­verkehr ausgebaut werden
  • Der Nahverkehr soll attrak­tiver und schritt­weise kostenlos gemacht werden
  • In die Schiene soll inves­tiert und das Bahnfahren billiger werden
  • Städte sollen autoärmer und Ziele mit ÖPNV, zu Fuß und mit dem Rad erreichbar werden
  • Liefer­verkehr soll öffentlich organi­siert werden.

Inter­essant ist in dem Zusam­menhang eine Mobili­täts­ga­rantie für den öffent­lichen Raum durch Reakti­vierung still­ge­legter Schie­nen­strecken und durch mindestens Stundentakt für Busse zwischen Gemeinden und zu nächst­grö­ßeren Städten zwischen 6 und 22 h. Weiterhin tritt die LINKE für eine Umwandlung der Pendler­pau­schale in ein sozial gerechtes Mobili­tätsgeld ein, für die Abschaffung des Dienst­wa­gen­pri­vilegs und die Einführung von generellen Tempolimits.

Insgesamt finden sich im Wahlpro­gramm einige Ansätze, welche die Verkehrs­wende befördern könnten. Die Frage ist bei vielen der eher kostspie­ligen Maßnahmen, wie sie sich gegen­fi­nan­zieren lassen (Olaf Dilling).

2021-08-18T18:03:48+02:0018. August 2021|Allgemein|

Baurecht und Schottergärten

In manchen Bundes­ländern sind die unbeliebten Schot­ter­gärten inzwi­schen ausdrücklich verboten. So hat Baden-Württemberg in seinem § 21a Landes­na­tur­schutz­gesetz Schot­ter­gärten untersagt, Hamburg, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt haben sich dem angeschlossen. Doch wie sieht es in anderen Bundes­ländern aus? Können hier die Gemeinden und die Bauord­nungs­be­hörden Hausei­gen­tümern verbieten, sich einen Schot­ter­garten anzulegen oder bestehende Gärten besei­tigen lassen? Oder gilt hier, dass alles, was nicht ausdrücklich verboten ist, als erlaubt gilt und behörd­li­cherseis akzep­tiert werden muss?

Bauord­nungs­recht­liche Unzuläs­sigkeit von Schottergärten?

In diesem Zusam­menhang relevant: Der klassische Schot­ter­garten kann nach Ansicht des VG Hannover, Urteil vom 26.11.2019, 4 A 12592/17, als bauliche Anlage zu klassi­fi­zieren sein. Regel­mäßig dürfte es sich um Aufschüt­tungen handeln. Diese Einordnung wirkt nur auf den ersten Blick überra­schend, denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 Muster­bau­ordnung (MBO) ist eine bauliche Anlage eine mit dem Erdboden verbundene, aus Baupro­dukten hergestellte Anlage, was für eine Beton­platte sicherlich zutrifft. Bauliche Anlagen einer gewissen Größe unter­liegen einer Geneh­mi­gungs­pflicht, was zumindest auf große Schot­ter­gärten zutrifft. Wenn Eigen­tümer ohne eine Geneh­migung einen Schot­ter­garten einrichten, handelt es sich also unter Umständen um einen Schwarzbau. Dieser kann per Besei­ti­gungs­an­ordnung „abgeräumt“ werden, wenn er formell wie materiell illegal ist. 

Zumindest Letzteres wird oft zutreffen: Schot­ter­gärten sind schon heute und unabhängig von einem ausdrück­lichen Verbot je nach Beschaf­fenheit bauord­nungs­rechtlich unzulässig. In praktisch allen Landes­bau­ord­nungen heißt es – wie im Berliner § 8 Abs. 1 LBO – dass Freiflächen auf bebauten Grund­stücken Wasser aufnehmen können müssen und zu bepflanzen oder zu begrünen sind. Beide trifft auf einen Schot­ter­garten, bei dem unter den Steinen (es kann auch Kies, Split o. ä. sein) die oberste Humus­schicht abgetragen und eine wasser­un­durch­lässige Versie­gelung wie eine Beton­platte oder eine Folie aufge­bracht wurde, nicht zu: Wo ein Schot­ter­garten ist, wächst meist kein Gras mehr. Hier haben die Baube­hörden also Möglich­keiten und können durchaus etwa die Bepflanzung anordnen. Dass dies auch per Bauord­nungs­ver­fügung möglich ist, hat das Thürin­gische OVG mit Entscheidung vom 26.04.2017 – 1 KO 347/14 – festgestellt.

Tulpe, Blühen, Steingarten, Kies, Eine, Einzeln, Zierde

Schot­ter­gar­ten­verbot per Bebauungsplan

Doch nicht nur per Geneh­mi­gungs­ver­sagung und Besei­ti­gungs­ver­fügung können Gemeinden etwas gegen Schot­ter­gärten unter­nehmen. Sie können auch mit den Mitteln der Bauleit­planung Verschot­te­rungen von Gärten verhindern. Dies lässt das BauGB zu. So erlauben § 9 Abs. 1 Nr. 20 und 25a BauGB den Gemeinden, Bepflanzung und Begrünung aus Klima­schutz- und Arten­schutz­gründen vorzu­schreiben. Auch die Versi­cke­rungs­funktion des unver­sie­gelten Bodens erlaubt je nach Gebiets­be­schaf­fenheit über § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB Festset­zungen zugunsten bepflanzter, unver­sie­gelter Flächen im Rahmen städte­bau­licher Konzepte für den Umgang mit Starkregen. 

Beratung und Aufklärung

Die Behörden sind also nicht hilflos, was die Verschot­terung von Gärten angeht. Doch nicht immer muss mit der Keule ordnungs­recht­licher Verfü­gungen vorge­gangen werden. Die wachsende Sensi­bi­lität für den Hochwas­ser­schutz, aber auch für die Dramatik des Insek­ten­sterbens motiviert viele Eigen­tümer auch ohne verbind­liche Anord­nungen, zu einer ökolo­gi­scheren Garten­ge­staltung zurück­zu­kehren. Auch hier gilt also: Kommu­ni­kation hilft (Miriam Vollmer).

2021-08-17T23:41:33+02:0017. August 2021|Umwelt, Verwaltungsrecht|

Verbands­kla­ge­rechte: Welche Spiel­räume hat Deutschland?

Armin Laschet sind die Verbands­kla­ge­rechte ein Dorn im Auge. Alles dauere viel zu lange. Wenn er Kanzler würde, würde die nächste Bundes­re­gierung die Klage­rechte der Umwelt­ver­bände beschneiden. Dies findet sich in etwas weniger deutlicher Form auch im Unions­wahl­pro­gramm wieder, wo von einer „Straffung“ die Rede ist.

Doch ist das überhaupt möglich? Kann die Bundes­re­publik Klagen gegen Inves­ti­ti­ons­pro­jekte künftig auf direkt Betroffene beschränken, wie es früher einmal – da waren wir noch Studenten – war? Damals konnte nur derjenige gegen eine Geneh­migung für eine Indus­trie­anlage oder ein Bauprojekt vorgehen, der entweder Adressat der Geneh­migung war und etwa unzufrieden mit Neben­be­stim­mungen. Oder andere unmit­telbar in eigenen Rechten betroffene Personen, etwa Nachbarn, die z. B. gegen Schad­stoff­im­mis­sionen, Gerüche oder Verschattung ihrer Grund­stücke vorgehen wollten. Umwelt­ver­bände suchten sich bisweilen betroffene Nachbarn.

Die Aarhus-Konvention

1998 aber wurde in der dänischen Stadt Aarhus die Aarhus-Konvention beschlossen. Diese Konvention bindet die Bundes­re­gierung seit ihrer Ratifi­kation 2007 als Vertrags­partei völker­rechtlich. Sie gibt es damit der Bundes­re­publik verbindlich auf, weitrei­chende Klage­rechte zu instal­lieren, darunter auch das Recht für Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen (NGO), unabhängig von einer eigenen Betrof­fenheit in Umwelt­be­langen zu klagen. Wer hiervon als NGO profi­tiert, regelt Art. 2 Abs. 5 der Konvention, so dass auch keine Vertrags­partei zwar weitge­hende Klage­rechte einräumen, aber dafür unliebsame Verbände nicht anerkennen kann.

Die Richt­linie 2003/35/EG

Nun kann man völker­recht­liche Verträge, die einem nicht mehr gefallen, auch kündigen. Doch nicht nur die Bundes­re­publik, auch die EU ist Vertrags­partei. Und diese hat die Klage­rechte der Verbände in einer eigenen Richt­linie umgesetzt, der Richt­linie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003.

Richt­linien sind von den Mitglied­staaten verbindlich umzusetzen. Deutschland erließ also ein erstes Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz (UmwRG) im Jahre 2006. Hier regelte der Gesetz­geber die Anfor­de­rungen an einen Umwelt­verband nahezu 1:1. Aktuell sind 127 Verbände anerkannt, man kann hier eine Liste einsehen. Weiter räumte das 2006 in Kraft getretene Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz (UmwRG) in seinem § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG a. F. Umwelt­ver­bänden das Recht ein, auch ohne eigene Betrof­fenheit vor Gericht zu gehen, aber nur gegen die Verletzung von grund­sätzlich dritt­schüt­zenden Normen.

Globus, Landkarte, Karte, Länder, Grenzen, Alt, Staaten

Wichtige Gerichts­ent­schei­dungen zum Verbandsklagerecht

Diese Einschränkung fiel mit dem Urteil des EuGH v. 12.05.2011 – Rs. C‑115/09 (Trianel) in sich zusammen. Die Richter monierten, dass nach der Richt­linie sämtliche umwelt­recht­liche Vorschriften, die auf dem Europa­recht basieren, von den Verbänden vor Gericht gebracht werden können müssen. Darauf änderte die Bundes­re­publik ihr UmwRG ab und weitete die Klage­rechte der Verbände aus.

Mit den Entschei­dungen Altrip (7. November 2013, Rs. C-72/12) weitete der EuGH die Reich­weite der Klage­rechte weiter aus: Auch Fehler bei der Durch­führung der UVP können seitdem zur Aufhebung von Geneh­mi­gungen führen, außerdem relati­vierte der EuGH die Kausa­li­täts­er­for­der­nisse im Prozess. Wenige Wochen zuvor am 5. September 2013 hatte bereits das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) (7 C 21.12) die Verbands­kla­ge­rechte erweitert, indem der Senat in konse­quenter Anwendung der Gurndsätze, die der EuGH in der Entscheidung Slowa­ki­scher Braunbär (Rs. C‑240/09) das Klage­recht auf einen im UmwRG nicht genannten Rechtsakt, nämlich Luftrein­hal­te­pläne, erstreckt hat.

Was heißt das für Regelungsspielräume?

Doch was bedeutet all dies nun für die prakti­schen Spiel­räume der Bundes­re­publik? Zunächst: Solange Deutschland nicht die Aarhus-Konvention und die EU verlässt, kann es die Verbands­kla­ge­rechte nicht einfach abschaffen. Das UmwRG einfach über Bord zu werfen, ist also keine recht­mäßige Option. Und selbst wenn der Bundestag das UmwRG gemein­schafts­rechts­widrig aufheben würde, würde dies die Klage­rechte der Verbände nicht beschneiden, denn Richt­linien richten sich zwar an sich an die Mitglied­staaten, aber nicht ordentlich umgesetzte Richt­linien, die so eindeutig sind, dass sie auf keinen Umset­zungsakt angewiesen sind, sind direkt anwendbar. Umwelt­ver­bände können also direkt auch ohne deutsches UmwRG zu Gericht und sich auf die 2003/35/EG berufen.

Doch nicht nur für eine Aufhebung, auch für eine Abschwä­chung sieht es schlecht aus. Der EuGH hat ja bereits mehrfach die Bundes­re­publik verur­teilt, ihr UmwRG nachzu­schärfen. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass das UmwRG in seinem aktuellen Zustand an irgend­einer Stelle weiter geht, als die Richt­linie unbedingt verlangt. Zudem gilt ja auch hier die unmit­telbare Anwend­barkeit einer unzurei­chend umgesetzten Richt­linie. Das bedeutet: Schwächt Deutschland sein UmwRG, so hält das Umwelt­ver­bände immer noch nicht vom Klagen ab, unter Umständen dauern die Verfahren nur noch länger, weil einzelne Verwal­tungs­ge­richte die Frage der Gemein­schafts­rechts­kon­for­mität dem EuGH vorlegen.

Insgesamt bedeutet das: Eine Abschaffung, auch eine Schwä­chung des Verbands­kla­ge­rechts durch die Bundes­re­publik ist aktuell nicht möglich. Denkbar wäre dies nur, wenn die EU und Deutschland aus der Aarhus-Konvention austreten und die EU zusätzlich die Richt­linie drastisch abändert. Realis­tisch ist dies nicht (Miriam Vollmer)

2021-08-16T23:19:41+02:0016. August 2021|Umwelt, Verwaltungsrecht|