Achtung, Anschlussleistung: Der (wohl) neue § 3 AVBFernwärmeV
Nicht immer, aber meistens haben Verträge über die Belieferung mit Fernwärme zwei Komponenten: Die Kundschaft zahlt zum einen die tatsächlich gelieferte Wärme. Zum anderen wird die Anschlussleistung vergütet, also die Wärmemenge, die der Versorger für diesen Abnehmer bereithält.
Bis jetzt galt dabei: Wenn der Kunde die Anschlussleistung verringern möchte, hat er nur dann Anspruch auf eine Vertragsänderung, soweit er nach § 3 S. 2 AVBFernwärmeV den Wärmebedarf unter Nutzung regenerativer Energiequellen decken will. Rechtstechnisch hat der Verordnungsgeber damit hier einen Unterfall der „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 Abs. 1 BGB geregelt.
Diese bisher geltende Regelung will der Bundesrat nun ändern. Am 25. Juni 2021 hat er einen neuen § 3 AVBFernwärmeV beschlossen. Dessen neuer Absatz 1 räumt nun erstmals Kunden das Recht ein, begründungslos einmal jährlich die Wärmeleistung bis zu 50% zu reduzieren. Dies soll ganz kurzfristig möglich sein, nämlich mit nur vier Wochen Frist zum Monatsende. Sofern der Kunde die bisher bezogene Fernwärme durch erneuerbare Energien ersetzen will und dies nachweist, kann er auch mehr als 50% der Anschlussleistung verringern.
Diese Regelung kommt den Anschlussnehmern weit entgegen. Er kann praktisch jederzeit den Inhalt des für zehn Jahre abgeschlossenen Wärmeliefervertrags abändern. Für den Versorger dagegen ist diese Regelung ein Problem. Denn anders als bei anderen Gütern ist es nicht mit der Anpassung der Leistungen getan, die er von Vorlieferanten bezieht. Der Versorger unterhält regelmäßig eine Infrastruktur, die aus langfristig finanzierten Wärmeerzeugern und Leitungsnetzen besteht. Das Anpassungsrecht, das der Bundesrat nun eingeführt hat, muss also als neuartiges Absatzrisiko in seine Preiskalkulation eingehen.
Bislang ist noch keine Äußerung der Bundesregierung veröffentlicht worden, wie sie mit diesem Beschluss umgeht. Da Teile des Beschlusses des Bundesrats aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen dringend umgesetzt werden müssen, sollten sich Versorger aber darauf einstellen, dass ihre Langfristplanung künftig erhöhten Risiken unterliegt (Miriam Vollmer).