Ein Mehrwert für den Schierlings-Wasserfenchel

Nun darf die Elbe doch vertieft werden. Das hat am letzten Donnerstag, den 04.06.2020 das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) in einem Urteil zu Planer­gän­zungs­be­schlüssen des Großpro­jekts entschieden. Unter anderem hat das Gericht geurteilt, dass die zum Schutz einer seltenen, nur an der Unterelbe zwischen Hamburg und Geest­hacht vorkom­menden Pflan­zenart einge­lei­teten Kohärenz­maß­nahmen über reine Standard­maß­nahmen hinausgehen.

Gemeint ist der Schier­lings-Wasser­fenchel, eine Pflanze, die ausschließlich an der  Unterelbe zwischen Hamburg und dem gut 30 km entfernten Geest­hacht vorkommt. Da die Pflanze an die Ökologie des Ästuars, also einer tidebe­ein­flussten Flußmündung, angepasst ist, kann sie auch nicht ohne weiteres umgesiedelt werden. Nicht zuletzt deshalb hatte das BVerwG in einem Urteil im Jahr 2017 den Stopp der Elbver­tiefung entschieden. Denn es war nach dem damaligen Stand der Planung unklar, wie sich die Erhöhung des Salzge­haltes und der Strömungs­ge­schwin­digkeit auf das Vorkommen des Schier­lings-Wasser­fen­chels auswirkt und nach welchen Methoden dies zu bestimmen sei. Hier wurde seitens der Beklagten noch nachge­bessert, so dass im aktuellen Urteil laut Presse­mit­teilung festge­stellt wird, dass das Ausmaß der Beein­träch­tigung durch das Vorhaben nun zutreffend bestimmt wurde. Mit einer neuen Maßnahme „Tidean­schluss Billwerder Insel“ sollen zudem neue Wuchsorte für die Pflanze geschaffen werden, um diese Beein­träch­ti­gungen auszugleichen.

Ein anderer Punkt betraf die Kohärenz­si­che­rungs­maß­nahmen. Dabei handelt es sich nicht um einfache Ausgleichs­maß­nahmen, sondern um Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 4 Flora-Fauna-Habitat-Richt­linie (FFH-RL), um Eingriffe in das Natura 2000-Netzwerk auszu­gleichen. Sie müssen auf den Schutz der Lebens­räume und ihrer Vernet­zungs­funktion abzielen, in die einge­griffen wurde. Kohärenz­si­che­rungs­maß­nahmen können auch in Gebieten durch­ge­führt werden, die bereits als FFH-Gebiet unter Schutz stehen. Aller­dings darf es dann nicht bei einfachen Standard­maß­nahmen bleiben, deren Durch­führung zur Erhaltung des Gebietes ohnehin erfor­derlich gewesen wäre. Mit anderen Worten: Bei Maßnahmen zur Kompen­sation von Eingriffen in das Habitat des Schier­lings-Wasser­fen­chels muss es einen Mehrwert für den Schier­lings-Wasser­fenchel geben. Auch dies wurde im neuen Urteil des BVerwG in Bezug auf die Planer­gänzung nun anerkannt (Olaf Dilling).

2020-06-11T14:33:17+02:008. Juni 2020|Allgemein, Naturschutz, Wasser|

BEHG: Warum auch die Biogenen?

Irgendwann waren wir mal bei einer Veran­staltung, auf der ein Opposi­ti­ons­po­li­tiker sprach. Es ging um Umwelt­po­litik. Der Politiker sprach etwas länglich, es war sehr warm im Raum, kurz: Wir schauten versonnen aus dem Fenster, als der Politiker auf einmal konkret wurde und forderte, Umwelt­schutz müsse unbüro­kra­ti­scher werden, man müsse weg von der Verbots­po­litik, und deswegen sei der Emissi­ons­handel drastisch auszu­weiten. Schlag­artig waren wir wach.

Tatsächlich sieht es nämlich so aus: Wir mögen den Emissi­ons­handel. Aber unbüro­kra­tisch ist er nicht. Vom Überwa­chungsplan über die jährlichen Emissi­ons­be­richte, vom Zutei­lungs­ver­fahren mal ganz abgesehen, verlangt der Emissi­ons­handel den Adres­saten eine Menge ab. Man hat definitiv mehr mit der Behörde zu tun als in den meisten ordnungs­rechtlich geregelten Materien.

Derzeit spricht alles dafür, dass das auch für den neuen Brenn­stoff-Emissi­ons­handel gilt, der ab 2021 eine flächen­de­ckende Bepreisung von CO2 gewähr­leisten soll. Zwar werden in den ersten beiden Jahren erst einmal nur Standard­brenn­stoffe – vor allem Benzin und Erdgas – einbe­zogen, aber ab 2023 praktisch alles, was brennt. Wie die DEHSt in ihrem Hinter­grund­papier inzwi­schen klarge­stellt hat: Auch biogene Brenn­stoffe, wie etwa Holz. Wer Holzpellets in Verkehr bringt, muss also einen Überwa­chungsplan erstellen und auch Emissi­ons­be­richte abgeben. Emissi­ons­zer­ti­fikate muss er dagegen nicht abführen, denn abseh­ba­rer­weise werden biogene Kohlen­di­oxid­emis­sionen mit „null“ veran­schlagt, so, wie beim „großen Bruder“ EU-Emissi­ons­handel auch.

Gleichwohl: Viele kleine Händler wird das nicht freuen. Sie brauchen ab 2023 eine ganz neue Infra­struktur. Ökolo­gi­scher Nutzen? Nicht nur auf den ersten Blick nicht erkennbar. Dafür gibt es ein nicht unerheb­liches Risiko, etwas falsch zu machen und ein Sankti­ons­ver­fahren zu riskieren. Ob das wirklich sinnvoll ist, lassen wir mal dahin­stehen. Ganz sicher ist es aber nicht das, was erwähnter Politiker meinte, als er vom unbüro­kra­ti­schen, markt­wirt­schaft­lichen Umwelt­schutz­in­strument Emissi­ons­handel sprach (Miriam Vollmer).

Sie möchten sich über den natio­nalen Emissi­ons­handel infor­mieren? Wir wieder­holen unser Webinar zum BEHG am 23. Juni 2020 von 10.00 Uhr bis 12.15 Uhr. Mehr Infos und Anmeldung gibt es hier.

 

2020-06-05T18:59:52+02:005. Juni 2020|Emissionshandel, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Konjunk­tur­paket: Famili­en­bonus und Kita-Hilfen

Für berufs­tätige Eltern mit jungen Kindern waren die letzten Monate seit Ausbruch der Pandemie kein Zucker­schlecken. Die Situation ist bekannt: Während Baumärkte und zuletzt auch wieder Friseure und Gastro­no­mie­be­triebe geöffnet waren, blieben die Kitas und Schulen lange Zeit zu und werden auch jetzt erst wieder schritt­weise geöffnet. Für berufs­tätige Eltern mit oder gar ohne Möglichkeit zum Homeoffice ist dies ein schwie­riger Spagat. Für die Kinder selbst ist ein Vierteljahr ins Land gegangen, in dem ihre Förde­rungs- und Bildungs­mög­lich­keiten und ihr Kontakt zu Gleich­alt­rigen sehr einge­schränkt waren. Für Menschen diesen Alters eine sehr lange Zeit.

Während für Teile der Wirtschaft z.B. die Lufthansa relativ großzügig Staats­hilfen verteilt wurden, gingen die Familien bislang leer aus. Statt klar und abgestimmt zu regeln, dass zumindest die Kita-Eltern­bei­träge während der Zeit der Schließung übernommen werden, gab es hier bei öffent­lichen Trägern von Bundesland zu Bundesland unter­schied­liche Regelungen. Und gerade private Kitas gingen oft davon aus, dass die Beiträge weiterhin in voller Höhe zu zahlen seien. Zumindest aus Solida­rität und um den Fortbe­stand der Kitas zu sichern.

Die recht­liche Grundlage dafür ist mehr als wackelig. Grund­sätzlich entfällt nach dem Recht der Leistungs­stö­rungen gemäß § 326 Bürger­liches Gesetzbuch (BGB) nämlich der Anspruch auf die Gegen­leistung in einem Dienst­vertrag, wenn die Leistungs­er­bringung unmöglich wird. Dies gilt jeden­falls dann, wenn vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Der Appell an die Solida­rität wird jeden­falls dann fragwürdig, wenn die Eltern selbst in finan­zi­ellen Schwie­rig­keiten stecken, da sie mangels Betreuung nicht mehr in der Lage sind, Geld zu verdienen. Zumindest in dem Fall sollte falscher Stolz niemanden abhalten, sich zunächst mal vertrau­ensvoll an die Kita-Leitung zu wenden und eine faire Regelung zu finden.

Angesichts der Situation der Eltern mit kleinen Kindern und Kitas ist es nur folge­richtig, dass die Große Koalition in ihrem Konjunk­tur­paket nun Familien und die Kinder­ta­ges­ein­rich­tungen besonders berück­sichtigt hat. Mit der zusätz­lichen Förderung von Kitas in Höhe von einer Milliarde Euro knüpft die Regierung in der Stoßrichtung an das schon letztes Jahr beschlossene Gute-Kita-Gesetz an, nach dem der Bund die Länder mit 5,5 Milli­arden Euro bis 2022 bei der Quali­täts­ver­bes­serung und der Reduzierung von Gebühren unter­stützen soll. Es hängt letztlich von der konkreten Umsetzung des Gesetz­gebers ab, wie sich dies nun für die einzelnen Kitas auswirkt (Olaf Dilling).

2020-06-11T14:35:20+02:004. Juni 2020|Verwaltungsrecht|