Darle­gungs­pflichten zum Betriebs- und Geschäftsgeheimnis

Das Oberver­wal­tungs­ge­richt Berlin-Brandenburg (OVG BB) hat am 18. Januar eine inter­es­sante Entscheidung zur Frage getroffen, was ein Unter­nehmen darlegen muss, wenn es sich gegenüber einem Antrag nach dem Umwelt­in­for­ma­ti­ons­frei­heits­gesetz (UIG) und einem Landes­um­welt­in­for­ma­ti­ons­frei­heits­gesetz auf ein Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse berufen will. Darauf kommt es an, wenn jemand gegenüber einer Behörde einen Infor­ma­ti­ons­an­spruch auf Umwelt­in­for­ma­tionen geltend macht, und der Betroffene nicht möchte, dass die Behörde diese herausgibt. Da Umwelt­in­for­ma­tionen oft mit Verfah­rens­weisen, Rezep­turen oder techni­schen Konfi­gu­ra­tionen zu tun haben, haben Unter­nehmen verständ­li­cher­weise ein hohes Interesse daran, dass alle diese Infor­ma­tionen nicht ungefiltert heraus­ge­geben werden.

Im konkreten Fall ging es um eine Bauschutt­re­cy­cling­anlage. Den Antrag auf Herausgabe von Umwelt­in­for­ma­tionen über diese Anlage hatten Nachbarn gestellt. Die Geneh­mi­gungs­be­hörde gab diesem Antrag weitgehend (einige Infor­ma­tionen sollten geschwärzt werden) statt. Hiergegen ging das Unter­nehmen vor und behauptete, sämtliche Angaben zu seiner Betriebs­or­ga­ni­sation würden Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse darstellen. Angaben zur Anlagen­glie­derung in Betriebs­ein­heiten, die Kombi­nation der Maschinen, die Verortung der Betriebs­mittel seien alle exklu­sives Wissen. Das gelte auch für die Einsatz­rei­hen­folge der Maschinen und die Einzel­ka­pa­zi­täten in seiner Anlage.

Schon das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Frankfurt/Oder folgte dem nicht. Auch das OVG BB wies die Berufung des Unter­nehmens zurück. Es sei nicht hinrei­chend dargelegt, dass hier überhaupt Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse bestünden.

Zur Frage, was eigentlich Betriebs-& Geschäfts­ge­heim­nisse sind, besteht eine gefes­tigte Recht­spre­chung. Danach handelt es sich um alle auf ein Unter­nehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offen­kundig, sondern nur einem begrenzten Perso­nen­kreis zugänglich sind und an deren Nicht­ver­breitung ein berech­tigtes Interesse besteht. Ein solches wird bejaht, wenn die Infor­ma­tionen geeignet sind, exklu­sives techni­sches oder kaufmän­ni­sches Wissen der Konkurrenz zugänglich zu machen und so die Wettbe­werbs­po­sition eines Unter­nehmens negativ zu beein­flussen (für viele: BVerwG, Urt. v. 23.02.2017 – 7 C 31.15).

Der Senat des OVG BB ging zwar auch davon aus, dass Organi­sa­tionen im Unter­nehmen Geheim­nisse sein können und auch Wettbe­werbs­re­levanz besitzen. Der Kläger hätte aber, um diese Karte zu ziehen, darlegen müssen, dass und welche unter­schied­liche Möglich­keiten einer betrieb­lichen Organi­sation in vergleich­baren Anlagen es überhaupt gebe. Nur darzu­legen, sie würden sich eben unter­scheiden, reiche nicht. Der Senat vermisste eine produk­ti­ons­be­reichs­spe­zi­fische Darlegung. Es reiche auch nicht, zu behaupten, die Abläufe seien optimiert. Der Senat verlangt, dass nachvoll­ziehbar dargelegt wird, welche Vorteile ganz genau mit dieser optimierten Organi­sation verbunden sind. Außerdem meinte das Gericht, dass Infos über Maschi­nen­kom­bi­nation und Standort der Betriebs­mittel schon gar nicht schutz­würdig seien, weil es sich um Umwelt­in­for­ma­tionen über – vom Infor­ma­ti­ons­an­spruch erfasste – Emissionen handele.

Auch in Hinblick auf die Einzel­ka­pa­zi­täten der Anlage stellte der Senat klar, dass der Kläger genau hätte darlegen müssen, auf welche konkreten, für die Konkur­renz­fä­higkeit einer Anlage maßgeb­lichen Faktoren seine Wettbe­werber schließen können. Selbst tatsäch­liche Anlagen­ka­pa­zi­täten seien keine Geheim­nisse, schon weil der Markt aus den verwen­deten Maschi­nen­typen das Maximum erschließen könnte.

Was bedeutet das nun in der Praxis? Fest steht: Wer sich auf Geheim­nisse berufen will, muss erstens darlegen, warum die geheim zu haltenden Infor­ma­tionen eine Beson­derheit genau seiner Anlage darstellen, was voraus­setzt, dass er einen breiten Markt­über­blick bietet. Sodann muss er darstellen, wie sich dies auf die Wettbe­werbs­i­tuation auswirken könnte. Hier stellt sich der Praktiker schon die Frage, wie diese Darlegung gelingen soll, ohne das Geheimnis in der Klage­be­gründung zu verraten. Ob all das mit dem eigentlich im Verwal­tungs­prozess geltenden Amtser­mitt­lungs­grundsatz zu vereinen ist, wird wohl früher oder später das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt klären. In dieser Sache aller­dings wurde die Revision gar nicht erst eröffnet.

2018-08-14T20:09:14+02:0014. August 2018|Umwelt, Verwaltungsrecht|

Kein Anspruch auf Leistungs­an­passung nach der AVBFernwärmeV

Üblicher­weise sehen Fernwär­me­lie­fer­ver­träge zwei Preis­be­stand­teile vor: Den Leistungs­preis, der die Vorhaltung der Wärme­ka­pa­zität abdeckt. Und den Arbeits­preis, der sich auf die tatsächlich gelie­ferte Wärme bezieht. Mit anderen Worten: Der Kunde bezahlt einmal dafür, dass sein Versorger ein für alle Versorgten ausrei­chend großes Heizkraftwerk und zum Transport geeignete Versor­gungs­lei­tungen unterhält. Und dann zahlt er separat dafür, dass diese Anlage auch läuft und liefert.

Wie hoch die für ihn vorge­haltene Leistung ist, legt der Kunde vor Beginn des Vertrags­ver­hält­nisses fest. Praktisch macht meistens der Versorger einen Vorschlag, der sich entweder am früheren Verbrauch der Immobilie orien­tiert. Oder am Effizi­enz­standard und dem Nutzungs­zweck des Gebäudes.

Nun laufen Fernwär­me­lie­fer­ver­träge lange. Die AVBFern­wärmeV erlaubt Laufzeiten bis zu zehn Jahren, vgl. § 32 Abs. 1 AVBFern­wärmeV. In zehn Jahren aber kann viel passieren. Oft muss heute auch viel passieren, was die Effizienz von Gebäuden angeht. Wird saniert, sinkt der Bedarf an Wärme aber natur­gemäß. Der Kunde verhält sich zu seinem seit Jahren laufenden Fernwär­me­lie­fer­vertrag nun also wie ein Mensch, der stark abgenommen hat, zu seinen alten Hosen: Viel zu viel Stoff, bzw. viel zu viel Leistung.

Doch kann der Kunde nun einfach verlangen, dass die für ihn vorge­haltene und von ihm bezahlte Leistung nun nach unten angepasst wird? Dafür spricht, dass er sie ja nun schlicht nicht mehr braucht. Dagegen spricht aber auch ein gewich­tiges Argument: Der Versorger muss langfristig planen, weil Heizkraft­werke schließlich nicht beliebig vergrößer- und verkleinerbar sind. Würde er beispiels­weise 2005 ein Kraftwerk für einen Bedarf von damals 100% bauen, und dann würden ihm bis 2015 30% von dieser Gesamt­leistung trotz an sich langfris­tiger Verträge gekündigt, müsste er die Inves­ti­ti­ons­kosten und die Fixkosten für die nun nicht mehr benötigte Kraft­werks­leistung ja trotzdem tragen. Schon deswegen erscheint es unbillig, wenn der Wärme­kunde nun einfach seine Leistung beliebig verringern kann.

Dies sieht auch der Verord­nungs­geber der  AVBFern­wärmeV so. In § 3 AVBFern­wärmeV heißt es deswegen:

… Der Kunde ist verpflichtet, seinen Wärme­bedarf im verein­barten Umfange aus dem Vertei­lungsnetz des Fernwär­me­ver­sor­gungs­un­ter­nehmens zu decken. Er ist berechtigt, Vertrags­an­passung zu verlangen, soweit er den Wärme­bedarf unter Nutzung regene­ra­tiver Energie­quellen decken will;…“

Ist der Kunde berechtigt, beim Umstieg auf Erneu­erbare Vertrags­an­passung zu verlangen, heißt das im Umkehr­schluss, dass er dann, wenn er einfach nur weniger Fernwärme braucht, jeden­falls seine Leistung nicht verringern kann. Er muss also auf das Auslaufen seines Vertrags warten, bzw. recht­zeitig kündigen, um den Vertrag anpassen zu können.

Versorger müssen also nicht die verein­barte Leistung im laufenden Vertrag anpassen. das heißt aber natürlich nicht, dass sie es nicht können. Kommt ein Kunde recht­zeitig auf den Versorger zu, so dass dieser langfristig dispo­nieren kann, ist es in vielen Fällen möglich, eine einver­nehm­liche Lösung zu finden und die verein­barte Leistung auf freiwil­liger Basis zu reduzieren, etwa, weil der Versorger andere Kunden hat, die die freiwer­denden Kapazi­täten nachfragen. Auch hier gilt also: Recht­zeitige Kommu­ni­kation hilft.

 

Wenn Sie mehr über Fernwärme erfahren wollen, kommen Sie doch zu unserem Fernwär­me­se­minar am 8. November 2018. Mehr Infor­ma­tionen und das Anmel­de­for­mular gibt es hier.

2018-08-14T08:46:13+02:0013. August 2018|Wärme|

BVerwG entscheidet über Grenzen der Befrei­ungs­mög­lichkeit von Festset­zungen des B‑Plans

Vielleicht haben Sie schon davon gehört: Ein Unter­nehmen wollte am Wannsee einen Sechs­ge­schosser bauen. Warum auch nicht, denkt sich der unbefangene Bürger. Die Stadt wächst, Wohnraum ist knapp, und jedes Geschoss mehr gerade in so begehrten Lagen wie am Großen Wannsee städte­baulich deswegen ein Gewinn. Die Nachbarn – ein Segel­verein – aller­dings waren nicht begeistert. Sie zogen vor Gericht und fochten den Bauvor­be­scheid teilweise an.

Zwar sind Nachbarn nicht Adres­saten einer Bauge­neh­migung bzw. eines Bauvor­be­scheides. Und in Deutschland gibt es keine Popular­klage, es kann also nicht jeder klagen, sondern erst einmal nur die Betrof­fenen. Nachbarn können aber selbst, unmit­telbar und gegen­wärtig betroffen sein, wenn neben ihrem Grund­stück etwas Rechts­wid­riges geschieht. Deswegen billigt ihnen das deutsche Verwal­tungs­pro­zess­recht das Recht zu, wie Adres­saten einen Verwal­tungsakt gerichtlich überprüfen zu lassen. Hiervon ganz klar zu unter­scheiden sind die sog. Verbands­klagen, etwa das Klage­recht der Umwelt­ver­bände, die nicht wegen eigener Betrof­fenheit, sondern sozusagen stell­ver­tretend für Umwelt und Natur vor Gericht ziehen können, wenn es um Umwelt­normen geht.

Unter Berufung auf das nachbar­liche Klage­recht zog auch der Segelclub vom Wannsee vors Verwal­tungs­ge­richt (VG). Sein Argument: Für das Grund­stück gebe es einen Bebau­ungsplan aus dem Jahre 1959, und der sehe nur Zweige­schosser vor.

Gut, 1959 ist wirklich lange her. Aber Bebau­ungs­pläne haben kein einge­bautes Verfalls­datum. Und es ist zwar an sich gem. § 31 BauGB möglich, sich von einer maximalen Vollge­schosszahl ausnahms­weise befreien zu lassen. Aber diese Befrei­ungs­mög­lichkeit der Baube­hörden besteht nicht unbegrenzt. In diesem Fall sagen VG, Oberver­wal­tungs­ge­richt und jetzt auch das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt die Spiel­räume für zulässige Abwei­chungen als überschritten an. Denn § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB  erlaubt Abwei­chungen nur dann,

wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden“

Dies sei – so jetzt das BVerwG – aber der Fall, wenn eine Abwei­chung wie hier die Umgebung so weitgehend verändern würde, dass nicht die Baube­hörden allein, sondern der Satzungs­geber darüber entscheiden solle.

Was heißt das für die Praxis? Wenn ein Gebäude nach Erteilung einer Abwei­chungs­er­laubnis auffällig aus der Umgebung heraus­sticht, sollten Behörden und Bauherren es nach Möglichkeit nicht auf einen Prozess ankommen lassen. In einem solchen Fall ist eine Bebau­ungs­plan­än­derung der aufwän­digere, aber letztlich auch wegen der Dauer eines Verwal­tungs­pro­zesses erfolg­ver­spre­chendere Weg.

2018-08-13T08:42:31+02:0013. August 2018|Verwaltungsrecht|