Kein Dritt­schutz durch Umweltzone

Wenn A etwas Verbo­tenes tut und B dadurch ein Schaden entsteht, dann geht man landläufig davon aus, dass B ein Recht haben sollte, A daran zu hindern oder sogar Schadens­ersatz von ihm zu bekommen. So einfach ist es im deutschen Recht dann aber letztlich doch nicht. Bei Verboten im öffent­lichen Recht wird vielmehr regel­mäßig gefragt, ob das Verbot überhaupt dazu dienen sollte, B zu schützen.

Wenn A zum Beispiel eine Verkehrs­ampel, oder auf Behör­den­deutsch Licht­zei­chen­anlage, bei Rot überfährt, dann ist klar, dass der Fußgänger B, wenn er diese Ampel gerade überquert und angefahren wird, Schadens­ersatz bekommen dürfte. Sagen wir aber, er quert die Straße 500 m weiter an einer unüber­sicht­lichen Stelle und wird dort ebenfalls von A überfahren, dann wäre ein vorhe­riges Überfahren der Ampel zwar auch ursächlich. Denn wenn A dort gewartet hätte, hätte B in der Entfernung die Straße vermutlich längst überquert gehabt. Aber die Tatsache, dass A die rote Ampel missachtet hat, wäre dann trotzdem kein Grund für Schadens­ersatz, denn das entspre­chende Verbot soll verhindern, dass Fußgänger die an der LZA queren geschützt werden, nicht an irgend einer anderen Stelle im Verkehrsgeschehen.

Eine vergleichbare Frage wurde neulich im Zusam­menhang mit Umwelt­zonen vor dem Bundes­ge­richtshof (BGH) verhandelt. Trotz eines nach dem lokalen Luftrein­hal­teplan bestehenden Lkw-Durch­fahrts­verbots auf Grundlage von § 40 BImSchG waren Fahrzeuge einer bestimmten Spedition immer wieder in eine Straße einge­fahren. Die Anwohner hatten daher unter anderem gemäß § 1004 in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB auf Unter­lassung geklagt. Aufgabe des Gerichts war es nun, zu überlegen, ob das Fahrverbot, das im Zusam­menhang mit der Umweltzone ausge­sprochen war, dazu diente, die Anwohner vor Luftver­schmutzung zu schützen. Die auf den ersten Blick überra­schende Antwort: Nein, dazu dient es nicht.

Denn nach der Auffassung des Gerichts sollen Umwelt­zonen die Belastung durch Luftschad­stoffe in einem größeren Gebiet reduzieren, nicht im unmit­tel­baren Nahbereich:

Im Streitfall wurde das Lkw-Durch­fahrts­verbot nicht für bestimmte Straßen zur Reduzierung der die dortigen Anlieger beein­träch­ti­genden Schad­stoff­kon­zen­tra­tionen, sondern grund­sätzlich für das gesamte Stadt­gebiet angeordnet, um allgemein die Luftqua­lität zu verbessern und der Überschreitung von Immis­si­ons­grenz­werten entge­gen­zu­wirken. Die Kläger sind insoweit nur als Teil der Allge­meinheit begünstigt. Bereits dies spricht gegen die Annahme, ein Schutz von Einzel­in­ter­essen in der von den Klägern begehrten Weise sei Intention des streit­ge­gen­ständ­lichen Lkw-Durchfahrtsverbots.

So richtig zwingend erscheint uns die Entscheidung zwar nicht, denn letztlich ist die Einhaltung der Immis­si­ons­grenz­werte für die Luftrein­haltung kein reiner Selbst­zweck. Sondern er dient auch dem Gesund­heits­schutz aller Anwohner. Und auch die Allge­meinheit ist kein Abstraktum, das über allem schwebt, sondern setzt sich aus einzelnen Bürgern zusammen. Trotzdem ist die Verneinung des Anspruchs im Ergebnis nachvoll­ziehbar. Aber eher deswegen, weil ein konkreter Schaden der Anwohner vermutlich schwer nachzu­weisen gewesen wäre. Darauf geht der BGH in seiner Presse­mit­teilung gar nicht ein.

Übrigens: Dass die Anwohner keine subjek­tiven Rechte haben, die sie vor Gericht einklagen könnten, heißt übrigens nicht, dass die Durch­fahrt mit LKWs nun erlaubt wäre, es ist aber allein in der Verant­wortung der Ordnungs­be­hörden, das Verbot durch­zu­setzen. Da es um die Verfolgung von Ordnungs­wid­rig­keiten geht, haben sie dabei gewisse Ermes­senspiel­räume (Olaf Dilling).

2022-07-19T11:34:15+02:0012. Juli 2022|Allgemein, Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verkehr|

Werben mit Neukundenbonus

Haben Sie Ihren Telefon­tarif verstanden? Ich auch nicht. Ich habe es nicht einmal versucht. Und ich halte es zumindest für möglich, dass das Leuten, die nicht mehr als Jahrzehnt in der Energie­wirt­schaft verbracht haben, bei Strom­ta­rifen manchmal ähnlich geht.

Ist man zufrieden, ist das nicht weiter schlimm. Anders sieht es aber aus, wenn der unzufriedene Kunden Preise vergleicht. In diesem Moment wird die Komple­xität vieler Tarife zum Problem. In beson­derer Weise betrifft dies Bonus­re­ge­lungen. Denn diese gelten ja regel­mäßig nicht für immer. Sondern meistens nur für das erste Jahr. Oft kann man aber erst nach zwei Jahren kündigen. Und auch die Infor­mation, dass ohne diese Kündigung dauerhaft ein höherer Preis gezahlt werden muss, ist für den Verbraucher wichtig.

Vergisst“ ein Versorger den Hinweis, dass der in der Werbung angeben Preis nur das erste Jahr betrifft, so ist dies keineswegs nur ärgerlich und ein schlechter Dienst am Kunden. Vielmehr handelt es sich um ein verbotene Irreführung nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlau­teren Wettbewerb (UWG). Dies hat im letzten Jahr das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Frankfurt noch einmal deutlich gemacht. Nach dieser Entscheidung reicht es noch nicht einmal, wenn unterhalb einer Preis­ver­gleichta­belle ein kleiner Hinweis auf den Umstand zu finden ist, nach dem der Preis inklusive des Neukun­den­bonus zu verstehen ist.

Was resul­tiert hieraus für die Praxis? Wer mit Preis­ver­gleichen wirbt, die einen Neukun­den­bonus enthalten, sollte einen Stern­chen­hinweis* aufnehmen, der dies trans­parent macht. Ansonsten kann er abgemahnt und kosten­pflichtig zur Unter­lassung verur­teilt werden. Wer so etwas bei Konkur­renten sieht, kann umgekehrt mögli­cher­weise abmahnen und eine Werbe­kam­pagne so schnell beenden.

 

*… der etwa so aussehen könnte: Nicht zu klein und auf derselben Seite.

2018-04-17T20:34:36+02:0017. April 2018|Allgemein, Gas, Strom, Wettbewerbsrecht|

Domain­streit um „wir-sind-afd.de“: Urteil des LG Köln vom 06.02.2018

Der Berliner Blogger Nathan Mattes betreibt seit November 2015 die Homepage www.wir-sind-afd.de. Auf dieser Seite führt er Origi­nal­zitate der AfD auf. Mattes hofft, durch die oft entlar­venden Zitate einer inter­es­sierten Öffent­lichkeit zu verdeut­lichen, dass die AfD keine konser­vative Partei wie „die CDU früher“ ist, sondern rechts­ra­dikale Positionen vertritt.

Die AfD versucht seit April 2017, dies zu unter­binden. Sie klagt seit Mai 2017 vor dem Landge­richt (LG) Köln und verlangt von Mattes, dass er die Domain www.wir-sind-afd.de aufgibt. Dabei beruft sie sich auf das Namens­recht an der Bezeichnung „AfD“ gem. § 12 BGB. Laut deren Anwälten würde durch die Domain eine „Namens­ver­wirrung“ eintreten. Mattes würde sich den Namen AfD „anmaßen“, dabei  legt Mattes direkt auf der Homepage offen, wofür er die AfD hält: Für eine rechts­extreme, rassis­tische, menschen­ver­ach­tende Partei.

Die AfD muss damit leben, dass die Äußerungen ihrer Funktionäre im Internet unter einer leicht auffind­baren Adresse gefunden werden.“, begründet Mattes, warum er sich gegen die Klage verteidigt und – zumindest vorerst – nicht einfach die Domain wechselt. Bei diesem Kampf um seine Seite stehe ich Herrn Mattes seit 2017 zur Seite.

Das LG Köln sieht dagegen erstin­stanzlich die AfD im Recht. Der – laut LG Köln – „sogenannte Blogger“ Mattes würde eine Namens­ver­wirrung auslösen, weil derjenige, der auf die Seite kommt, erst einmal glauben würde, er wäre bei der AfD und nicht bei einem engagierten Gegner. Dabei beschreibt die Domain vollkommen zutreffend, dass die dort versam­melten, fast durchweg skanda­lösen Stimmen für das „wir“ der AfD stehen.

Zwar geht das LG Köln dabei kurz auf die Frage ein, ob im politi­schen Streit das Namens­recht nicht diffe­ren­ziert betrachtet werden muss. Tatsächlich spricht aber Einiges dafür, dass das Gericht Art. 5 Abs. 1 Grund­gesetz (GG) nicht so gewürdigt hat, wie die Lüth-Recht­spre­chung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) es verlangt. Green­peace etwa hatte vor einigen Jahren beim KG Berlin deutlich mehr Glück, das Art. 5 GG bei der Inter­es­sen­ab­wägung im Kampf um eine Domain zugunsten der Umwelt­or­ga­ni­sation berück­sich­tigte und das klagende Unter­nehmen abwies (Urt. v. 23.10.2001, 5 U 101/01). Zweifelhaft erscheint es auch, ob die Bezeichnung der AfD als „rechts­extrem, rassis­tisch und menschen­ver­achtend“ auf der Seite des Beklagten Mattes wirklich eine belei­di­gende „Schmäh­kritik“ darstellt, wie das LG Köln obiter dictum meint. Das LG Köln hat überdies auch den Streitwert hier sogar mit 50.000 EUR noch höher angesetzt als die AfD selbst vorge­schlagen hat, die 30.000 EUR angeregt hatte.

Freunde von Herrn Mattes sammeln deswegen unter https://www.leetchi.com/c/hilfe-fuer-zeitschlag Geld für die verlorene erste Instanz. Dies schlägt inzwi­schen hohe Wellen, so haben unter anderem die Online­ma­gazine Vice, Bento und ze.tt berichtet. Parallel und nachdem nun klar ist, dass genügend Geld zusam­men­ge­kommen ist, wird Herr Mattes über das weitere Verfahren entscheiden. Sollte er Berufung einlegen und vorm Oberlan­des­ge­richt (OLG) Köln recht bekommen, so dass die AfD alle Kosten tragen müsste, wird er die Spenden zu gleichen Teilen den Flücht­lings­paten Syrien e.V. und der Sea Watch e.V. spenden, um auch auf diese Weise für mehr Mensch­lichkeit einzu­treten. In jedem Fall hat mein Mandant aber sein Haupt­an­liegen bereits erreicht: Die auf seiner Seite versam­melten Stimmen der AfD haben ein breites Publikum erreicht.

2018-02-16T07:25:11+01:0016. Februar 2018|Allgemein, Wettbewerbsrecht|