Wie geht es weiter – der Koali­ti­ons­vertrag zum Immissionsschutzrecht

Nachdem wir an dieser Stelle bereits den Ausblick gewagt haben, was unsere zukünftige Bundes­re­gierung im Bereich Klima & Energie und zur Kreis­lauf­wirt­schaft und vorhat, wagen wir nun einen Ausblick auf das Immissionsschutzrecht.

In Anbetracht der Bedeutung, die diesem Rechts­be­reich mit Blick auf die Trans­for­mation zukommt, ist es zumindest gut, dass hierzu auch ein paar Worte im Koali­ti­ons­vertrag zu finden sind. So stellt die neue Koalition dankens­wer­ter­weise dann auch fest, dass die Dauer von Geneh­mi­gungs­ver­fahren für Indus­trie­an­lagen ein kriti­scher Faktor für die Wettbe­werbs­fä­higkeit wie auch für die Trans­for­mation der Industrie darstellt. Wem das bekannt vor kommt, könnte wohl in früheren Koali­ti­ons­ver­trägen nachlesen, denn von Beschleu­nigung reden wir seit vielen Legislaturperioden.

Daher will man Umwelt­ver­fahren spürbar verkürzen und dazu auch die die Industrie betref­fenden EU-Richt­linien 1:1 umsetzen. Die Zulassung von Anlagen im immis­si­ons­schutz­recht­lichen Geneh­mi­gungs­ver­fahren will man verein­fachen. Hierzu will man weitere Beschleu­ni­gungs­po­ten­ziale im Bundes-Immis­si­ons­schutz­gesetz (BImSchG) heben, ohne die Schutz­ziele zu gefährden. Die Technische Anleitung Luft (TA-Luft) und die Technische Anleitung Lärm (TA-Lärm) sollen überar­beitet und verein­facht werden. Die letzte TA-Luft-Novelle mit über 300 Änderungs­an­trägen zeigte die Grenzen dessen auf, was sinnvoll und in demokra­ti­schen, trans­pa­renten Prozessen überhaupt noch leistbar ist. Zudem kann die Dynamik, mit der die europäi­schen BVT-Schluss­fol­ge­rungen jedes Jahr auf die Bundes­re­publik Deutschland zur Umsetzung zurollen, kaum mehr durch Novellen der gesamten TA Luft abgebildet werden.

Wir erinnern uns: Zuletzt 2024 hatte sich die Ampel auf eine Überar­beitung des BImSchG geeinigt. Man hat hierfür tatsächlich behutsam am Verfahren geschraubt und die Fristen (die es für die Durch­führung von Geneh­mi­gungs­ver­fahren längst gibt, die sich aber eher als zahnlos erwiesen haben) geschärft. So bedarf es der Zustimmung des Antrag­stellers, wenn die Fristen mehrfach verlängert werden sollen. Zudem sind die Aufsichts­be­hörden zu betei­ligen. Auch an § 8a BImSchG und dem vorzei­tigen Beginn hat man geschraubt und u.a. den Ausbau erneu­er­barer Energien wurde gestärkt. Alles in allem war das bereits ein vorzeig­bares Ergebnis, denn eins ist klar: Jede Beschleu­nigung hilft. Von Seiten der Union hieß es dann dennoch, es sei nur ein Minimal­kom­promiss dabei rausge­kommen, während sich die Ampel wechsel­seitig lobte. Gewisse Probleme wird auch der Gesetz­geber nicht lösen können: Dies betrifft den Zeitverzug vor Antrag­stellung. Die anwalt­liche Erfahrung zeigt, dass man mit halbgaren Anträgen eher auf dem Bauch landet als schnell zur Geneh­migung zu kommen. Die perso­nelle Unter­aus­stattung der Geneh­mi­gungs­be­hörden tut ihr übriges. Wenn niemand da ist, kann auch niemand Anträge schneller bearbeiten. Der Haupt­grund für die Dauer von Geneh­mi­gungs­ver­fahren liegt jedoch unzwei­felhaft im materi­ellen Recht. Dessen Komple­xität muss sowohl der Antrag­steller als auch die Behörde beherr­schen. Und hier werden die Spiel­räume für den Gesetz­geber (egal welcher Farbgebung) dann doch gering. Im Kern lassen sich die Anfor­de­rungen klar auf das Europa­recht zurück­führen und vielleicht kann man auch festhalten, dass wir dieses hierzu­lande besonders kompli­ziert umzusetzen pflegen (siehe oben, TA-Luft etc.). Es bleibt abzuwarten, wie die Novelle der IED umgesetzt wird. Auf der Suche nach einem Weg am Europa­recht vorbei (oder weil man das EU-Recht noch besser machen will), verheddern wir uns bisweilen. Ein schönes Beispiel für ist die „Leides­ge­schichte“ mit dem Umwelt-Rechts­be­helfs­gesetz und dem (nicht unberech­tigten) Versuch, Klage­rechte und Inves­ti­ti­ons­si­cherheit unter einen Hut zu bekommen. Dieses will man nun auch noch einmal zur Hand nehmen und auf die unmit­telbare Betrof­fenheit bei Klage- und Betei­li­gungs­rechten fokus­sieren. Das kann spannend werden, wissen wir aus der reich­hal­tigen Recht­spre­chung – nicht zuletzt aus Luxemburg. Es ist dennoch richtig, dass die neue Bundes­re­gierung schaut, wie Bürokratie abgebaut und Verfahren beschleunigt werden können. Klare (und machbare) Ideen liegen ausweislich des Koali­ti­ons­ver­trags dann aber wohl noch nicht vor. Mehr als die Wieder­holung von Altbe­kannten und diverser Nebel­kerzen enthält der Koali­ti­ons­vertrag dann eben doch nicht. Zudem darf man ein wenig daran zweifeln, was insbe­sondere die Union unter Bürokratie versteht. Dies zeigt sich an symbol­po­li­ti­schem Geschwurbel wie der geplanten Abschaffung von Betriebs­be­auf­tragten (wir berich­teten). Warten wir’s also ab, was dann da noch kommen mag. (Dirk Buchsteiner)

2025-04-25T17:06:15+02:0025. April 2025|Immissionsschutzrecht, Industrie, Umwelt|

Thru.de. Kraftvoll zum gläsernen Anlagenbetreiber

Kennen Sie eigentlich Thru.de? So heißt das Schad­stoff­emis­si­ons­re­gister, also das PRTR „Pollutant Release and Transfer Register“ inzwi­schen. Zugegeben, so griffig ist der Name nicht. Geht es um „truth“ oder „true“ oder tatsächlich thru (also „durch“)? Spricht man das tee-aitch aus? Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich um Thrude handeln soll. Laut den eigenen FAQs steht der Name Thru.de nämlich für „Klarheit, Trans­parenz, Verläss­lichkeit und Glaub­wür­digkeit“. So war Thrude in der nordi­schen Mytho­logie die Göttin der Bäume und Blumen; der Name bedeutet „Kraft“. Das Internet-Portal infor­miert daher verlässlich, trans­parent und „kraftvoll“ mit glaub­wür­digen Daten über Emissionen von Schad­stoffen in die Umwelt – und geht mittler­weile weit über PRTR hinaus.

Bereits seit 2007 werden auf der Plattform jährlich aktua­li­sierte Daten zu Emissionen von Indus­trie­be­trieben in Luft, Wasser und Boden, ins Abwasser sowie deren entsorgte Abfall­mengen veröf­fent­licht. Es handelt sich dabei um einen wesent­lichen Baustein für Trans­parenz über die indus­tri­ellen Anlagen in Deutschland dar, die der IED unter­liegen und die somit auch im europäi­schen Stamm­da­ten­re­gister indus­tri­eller Anlagen, dem sogenannten EU Registry, geführt werden. Darüber hinaus findet man hier ausge­wählte Daten zu Emissionen aus diffusen Quellen, also bspw. aus dem Verkehr oder Haushalten.

Die Plattform bietet der Öffent­lichkeit, aber auch der Industrie und den Behörden sowie Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen, der Wissen­schaft, Versi­che­rungs­ge­sell­schaften und vielen anderen die Möglichkeit, trans­pa­rente Vergleiche und Entschei­dungen in Umwelt­fragen vornehmen zu können. Es ist also auch ein wesent­licher Baustein hin zum „Gläsernen Anlagen­be­treiber“. Im Sinne eines „naming & shaming“, weil die Unter­neh­mens­daten öffentlich sind und jeder (also die inter­es­sierte Öffent­lichkeit aber auch der Mitbe­werber) diese einsehen kann, soll diese Plattform dazu beitragen, dass Unter­nehmen ihre Umwelt­leis­tungen verbessern. Anhand der Thru.de-Daten können auch Trends und Fortschritte bei der Verrin­gerung von Umwelt­be­las­tungen von einzelnen oder mehreren Unter­nehmen abgeleitet, verfolgt, vergleichen und bewerten werden, sowie eigene Auswer­tungen zu Schad­stoff­frei­set­zungen und Abfall­ver­brin­gungen aus indus­tri­ellen Tätig­keiten erstellen.

Auf thru.de können Sie die Daten des Schad­stoff­frei­set­zungs- und ‑verbrin­gungs­re­gisters, auch PRTR genannt, einsehen. Es enthält Daten zu Indus­trie­be­trieben, zu kommu­nalen Kläran­lagen und auch zu Emissionen aus diffusen Quellen, etwa des Verkehrs, der Haushalte und der Landwirtschaft.

Falls Sie sich betei­ligen mögen: Bis zum 31. Januar 2025 läuft noch eine Nutzer­um­frage zum Portal, siehe Link (hier).

(Dirk Buchsteiner)

2025-01-17T16:01:32+01:0017. Januar 2025|Immissionsschutzrecht, Industrie, Naturschutz, Umwelt|

Beschleu­nigung von Genehmigungsverfahren

Ja, Sie lesen richtig: Immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungs­ver­fahren werden maßgeblich beschleunigt. Falls Sie nun ein Déjà-vu zu haben glauben, sind Sie sicherlich nicht allein. Dass Geneh­mi­gungs­ver­fahren zu lange dauern, ist schließlich kein Geheimnis. Bestre­bungen, Verfahren zu straffen und zu verkürzen, gibt es daher schon länger bzw. immer wieder. So richtig gefruchtet hat alles bisher nicht. Die Anfor­de­rungen setzt das materielle Recht und dessen Komple­xität bestimmt die Machbar­keits­grenze. Vielfach liegt es auch an der Überlastung der Geneh­mi­gungs­re­ferate bei den Immis­si­ons­schutz­be­hörden. Des Öfteren besteht ein gewisser Unwillen zu pragma­ti­schen Entschei­dungen. Manchmal liegt es auch an schlechten Anträgen und undurch­dachten Vorhaben (dann sind die Probleme hausge­macht). Doch auch das Verfah­rens­recht bremst.

Nun ist eine aktuelle Novelle des BImSchG (und der 9. BImSchV) durch. Am 14.06.2024 hat auch der Bundesrat dem „Gesetz zur Verbes­serung des Klima­schutzes beim Immis­si­ons­schutz, zur Beschleu­nigung immis­si­ons­schutz­recht­licher Geneh­mi­gungs­ver­fahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ (ursprüng­licher Entwurf: BT-Drs. 20/7502, Fassung der Beschluss­emp­fehlung BT-Drs. 20/11657) zugestimmt.

Kern der Novelle sind insbe­sondere Erleich­te­rungen für die Geneh­migung von EE-Anlagen, aber auch andere immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungs­ver­fahren sollen beschleunigt werden. Hierfür sind die Verkürzung von Rückmelde- und Entschei­dungs­fristen anderer Behörden, der Einsatz eines Projekt­ma­nagers, mehr Digita­li­sierung im Verfahren und eine Stärkung des vorzei­tigen Beginns vorge­sehen. Liest sich alles erstmal ganz inter­essant. Im Detail kommen dann wieder Fragen auf. Ein Projekt­ma­nager – § 2a der 9. BImSchV-Neu – mag zwar auf den ersten Blick eine gute Idee sein. Doch Profes­sio­na­li­sierung ist auch heute schon möglich – gerade in der Öffent­lich­keits­be­tei­ligung. Woher nehmen wir den Projekt­ma­nager und was macht er? Zu befürchten sind indes weitere Kosten und nur noch mehr Abstim­mungs­runden – nicht weniger.

Mit der Überar­beitung von § 8a BImSchG sollen wir erleich­terte Voraus­set­zungen für die Zulassung des vorzei­tigen Beginns für Vorhaben auf einem bereits bestehenden Standort und bei Änderungs­ge­neh­mi­gungen bekommen. Bisher kommt es auf die Prognose an, dass mit einer Entscheidung zugunsten des Antrag­stellers gerechnet werden kann. Der auf Antrag (!) erfol­gende Wegfall dieser Progno­se­ent­scheidung soll nun das Verfahren nachhaltig beschleu­nigen. Es ist eher unklar, wie es in der Praxis funktio­nieren soll, wenn Behörden ohne eine Progno­se­ent­scheidung über die Geneh­mi­gungs­fä­higkeit den vorzei­tigen Beginn zulassen, gleichwohl natürlich das Prüfpro­gramm im Rahmen der Zulassung vollum­fänglich beachten sollen. Warten wir’s ab. 

Mit straf­feren Fristen sollen Geneh­mi­gungs­be­hörden angehalten werden, schnellere Entschei­dungen zu treffen. Die bishe­rigen Fristen aus § 10 Abs. 6a BImSchG sind da eher stumpfe Schwerter, da die Behörde den Frist­beginn zum einen selbst in der Hand hat und zum anderen die Fristen auch verlängern kann. Dies soll nun nicht mehr so einfach gehen, bzw. die Zustimmung des Antrag­stellers bedürfen. Ob auch dies in der Praxis funktio­niert, bleibt abzuwarten. Ach ja, die neue IED kommt schließlich auch bald… (Dirk Buchsteiner)

2024-06-21T13:47:41+02:0021. Juni 2024|Immissionsschutzrecht, Industrie, Kommentar|