Die letzten Meter auf dem Weg zur TA Luft

Die an sich grund­solide TA Luft hat sich im Laufe der letzten Jahre in eine Art Fata Morgana des Umwelt­rechts verwandelt: Immer, wenn Anlagen­be­treiber, Behörden und ihre armen Berater sich ganz knapp vor dem neuen Regelwerk wähnen, entschwindet die Novelle des zentralen Regel­werks der techni­schen Standards für den Anlagenbau und ‑betrieb wieder in eine unbestimmte Zukunft. Dabei drängt die Zeit: Die Luftqua­li­täts­richt­linie 2008/50/EG, die NEC-Richt­linie 2016/2284, die CLP-Verordnung Nr. 1272/2008 soll ebenso wie einige Grenz­werte zu den besten verfüg­baren Techniken (BVT) nach der Indus­trie­emis­si­ons­richt­linie nun endlich voll umgesetzt werden. Zwar hat der Bund mit der 44. BImSchV und den Neuerungen von 13. und 17. BImSchV schon einen Teil seiner umwelt­recht­lichen Hausauf­gaben gemacht, aber noch ist nicht alles geschafft. Zudem sollen Gerüche in die TA Luft integriert werden. Weiter wird die Kategorie der „Gesamt­zu­satz­be­lastung“ neu einge­führt, um vor allem bei Änderung von Anlagen eine auch sprach­liche Unter­scheidung treffen zu können, ob es auf die Umwelt­aus­wir­kungen der Anlage insgesamt oder nur die der Änderungen ankommt.

Zuletzt hatte das Bundes­ka­binett am 17. Dezember 2020 sich auf eine Fassung geeinigt, die u. a. in dem heiklen Punkt des Geneh­mi­gungs­maß­stabes für wesent­liche Änderungen nun wieder nur die Änderung betrachtet. Doch der Bundesrat stoppte auch dieses gegenüber Vorent­würfen zurück­hal­tendere Vorhaben durch eine Vielzahl von Änderungs­wün­schen. Nun liegt mit der Druck­sache 314/1/21 vom 27.04.2021 immerhin eine kompro­miss­fähige Fassung der Bundes­rats­aus­schüsse auf dem Tisch, die gegenüber dem Regie­rungs­entwurf schwer überschaubare 292 Änderungen enthält. Zumindest ein erheb­licher Teil der Änderungen beruht auf Wünschen der Landwirt­schaft, die sich nicht imstande sieht, die neuen Grenz­werte so schnell umzusetzen, wie es sich die Bundes­re­gierung vorstellt, u. a. bei der Nachrüstung für Abluft­an­lagen in der Tierhaltung.

Ferkel, Ferkelstall, Stall, Tierhaltung, Bauernhof

Nun steht die TA Luft wieder für den 27. Mai auf der vollen Tages­ordnung. Damit besteht immerhin Hoffnung, dass das Regelwerk nun endlich verab­schiedet werden kann. Doch nach den Erfah­rungen der letzten vier Jahre ist die Branche vorsichtig geworden, sich auf die Ankunft bei der vermeintlich nahen Oase zu verlassen (Miriam Vollmer).

2021-05-21T12:27:58+02:0021. Mai 2021|Immissionsschutzrecht, Industrie, Umwelt|

Natur­strom aus dem Wald

Wegen der Abstands­er­for­der­nisse zur Wohnbe­bauung konzen­triert sich die Stand­ort­suche für Windener­gie­an­lagen (WEA) zunehmend auf einsamere Gegenden. In Frage kommen dabei durchaus auch Wälder. Zwar bestehen wegen der ökolo­gi­schen Funktion und des landschafts­prä­genden Charakters der Wälder hier oft Vorbe­halte. Aller­dings ist Wald nicht gleich Wald: Während naturnahe Laub- und Misch­wälder eine hohe Bedeutung für die Arten­vielfalt haben, besteht ein großer Teil aus Wirtschaftswald, insbe­sondere Kiefern- oder Fichten­mo­no­kul­turen. Dort können Eingriffe durch den Bau von Windener­gie­an­lagen weniger Schaden anrichten. Zudem kommt zumindest eine, durch WEA besonders gefährdete Art, nämlich der Rotmilan (lat. Milvus milvus) in geschlos­senen Waldge­biete kaum vor. Denn er bevorzugt offene, reich struk­tu­rierte Landschaften.

Auch in wenig natur­nahen Waldge­bieten müssen bei der Planung von WEA arten­schutz- und waldrecht­liche Vorgaben selbst­ver­ständlich beachtet werden. Insbe­sondere, wenn in Waldge­bieten viele Fleder­mäuse oder gefährdete Großvögel wie Schwarz­störche oder Uhus vorkommen, ist an die Zugriffs­verbote des § 44 Bundes­na­tur­schutz­gesetz (BNatSchG) zu denken. Hier müssen im Vorfeld u.U. Maßnahmen zur Schutz der Tierwelt ergriffen werden. Im Übrigen ist der Bau der Anlagen mit Eingriffen nach § 14 f BNatSchG verbunden, die nach Möglichkeit vermieden oder minimiert werden und – soweit sie unver­meidbar sind – kompen­siert werden müssen.

Weiterhin ist für den Bau einer Windkraft­anlage eine forst­recht­liche „Umwand­lungs­ge­neh­migung“ erfor­derlich.  Bei der heutigen Anlagenhöhe ist das Windrad selbst zwar weit über den Baumwipfeln. Dennoch müssen für das Fundament, die Montage und für das Verlegen der Kabel Waldstücke gerodet werden, die zum Teil wieder aufge­forstet werden können. Pro WEA wird aber mit einem dauer­haften Verlust von durch­schnittlich etwa 0,64 Hektar Waldfläche gerechnet. Auch dieser Eingriff in den Wald muss nach den Landes­forst­ge­setzen kompen­siert werden.

Da kleine Anlagen in geschlos­senen Waldge­bieten keinen Sinn haben, ist schließlich auch eine immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­migung nach § 4 des Bundes­im­mis­si­ons­schutz­gesetz (BImSchG) nötig. Denn die ist für alle Anlagen über 50 m Höhe erfor­derlich. Da das immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungs­ver­fahren nach § 13 BImSchG Konzen­tra­ti­ons­wirkung entfaltet, fließen andere recht­liche Vorgaben, wie etwa die arten­schutz­recht­liche Geneh­migung hier mit ein. Nach § 10 Abs. 5 BImSchG holt die die für die immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­migung zuständige Behörde die Stellung­nahme der anderen Behörden, u.a. der Forst­be­hörde ein, und koordi­niert die verschie­denen Geneh­mi­gungs­ver­fahren (Olaf Dilling).

2020-08-27T17:39:04+02:0027. August 2020|Allgemein, Erneuerbare Energien, Naturschutz, Strom|

Die 43. BImSchV: Nach der Umsetzung ist vor der Umsetzung

Ohne dass dies außerhalb umwelt­recht­licher Fachforen besondere Aufmerk­samkeit erregt hätte, hat Anfang Juli der Bundesrat und zuvor schon Mitte Mai 2018 der Bundestag der 43. Bundes­im­mis­si­ons­schutz­ver­ordnung (BImSchV) zugestimmt. Sie wird damit demnächst, nach ihrer Verkündung durch das Bundes­kanz­leramt, in Kraft treten. Dann ist die Bundes­re­gierung ihrer Umset­zungs­pflicht für die neue EU-Richt­linie über die nationale Emissi­ons­re­duktion bestimmter Luftschad­stoffe (die neue NEC-Richt­linie (EU) 2016/2284) mit knapper Verspätung von wenigen Wochen vorerst auf formelle Weise nachge­kommen. 

Aller­dings ist diese Umsetzung, mit der die Inhalte der neuen NEC-Richt­linie in die Form einer Rechts­ver­ordnung gebracht wurden, tatsächlich eine eher vorläufige. Denn die Erledigung des eigent­lichen Auftrags, der mit der EU-Richt­linie aufgeben wurde, steht noch aus: Bei der neuen NEC-Richt­linie geht es, wie schon bei ihrer Vorgän­ger­richt­linie, um eine ambitio­nierte Reduktion bestimmter Luftschad­stoffe. Diese europäi­schen Reduk­ti­ons­pflichten der alten und neuen NEC-Richt­linie beruhen wiederum auf inter­na­tio­nalen Verbind­lich­keiten im Rahmen des Göteborg-Proto­kolls der Genfer Luftrein­hal­te­kon­vention. Betroffen sind namentlich Schwe­fel­dioxid, Stick­stoff­oxide, flüchtige organische Verbin­dungen, Ammoniak und – in der neuen NEC-Richt­linie, bzw. dem 2012 geänderten Göteborg-Protokoll dazuge­kommen – Feinstaub (PM2.5). Während Deutschland bei einem Teil der Schad­stoffe, insb. Schwe­fel­dioxid, und hinsichtlich bestimmter großer Punkt­quellen, wie große Kraft­werke oder Abfall­ver­bren­nungs­an­lagen, große Fortschritte beim Immis­si­ons­schutz verzeichnen konnte, läuft es in anderen Bereichen bekanntlich eher schleppend. 

Bei einigen Substanzen, etwa Stick­stoff­oxiden und Ammoniak, verliefen die Fortschritte sogar so schleppend, dass Deutschland darauf hinwirken musste, dass ihm auf inter­na­tio­naler und europäi­scher Ebene ein sogenanntes „Inventory Adjus­tment“ zugute­ge­halten wurde. Damit konnte Deutschland von einer Ausnah­me­re­gelung profi­tieren, die ausnahms­weise höhere Emissionen erlaubt, wenn die Erhöhung auf Umständen beruht, die von der Vertrags­partei weder vorher­ge­sehen noch beein­flusst werden konnte. Angepasst werden dabei nachträglich die Emissi­ons­in­ventare, die bei Verhandlung des Göteborg-Proto­kolls 1998/99 Grundlage der Festlegung von Emissi­ons­höchst­mengen waren. Die Rechts­folge ist, dass diese Erhöhungen für die Überschreitung der Höchst­mengen nicht berück­sichtigt werden. Ein Beispiel dafür sind Emissionen aus landwirt­schaft­lichen Nutzflächen oder der Lagerung von Gärresten der Bioen­er­gie­pro­duktion; ein anderes – fragli­cheres – Beispiel sind die zusätz­lichen Stick­stoffoxid-Emissionen aus dem Kraft­fahr­zeug­verkehr, die wegen der Verwendung von Abschalt­ein­rich­tungen über die eigentlich vorge­se­henen Euro-5- und Euro-6-Normen hinaus ausge­stoßen wurden. Die Frage, ob die Bundes­re­gierung und insbe­sondere das Verkehrs­mi­nis­terium diese Mehre­mis­sionen tatsächlich weder hat vorher­sehen, noch beein­flussen können, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden; ihre Beant­wortung bleibt der geneigten Leser­schaft selbst überlassen. Trotz dieser Inven­tar­an­passung wurde die Höchst­menge für Ammoniak im Jahr 2015 überschritten, was Anfang 2017 zur Neufassung der Dünge­ver­ordnung führte. 

Die neuen, in die 43. BImSchV übernom­menen Regeln sind nun noch ambitio­nierter als die Verpflich­tungen, mit denen Deutschland sich bislang schon schwer getan hat: Vom Basisjahr 2005 ausgehend sollen die jährlichen menschen­ge­machten Emissionen folgen­der­maßen verringert werden: SO2 um 21 %, NOX um 39 %, NMVOC um 13 %, NH3 um 5 % und Feinstaub PM2,5 um 26 %. Von 2030 soll noch stärker reduziert werden, nämlich SO2 um 58 %, NOX um 65 %, NMVOC um 28 %, NH3 um 29 % und Feinstaub PM2,5 um 43 %.

Vor allem in der Landwirt­schaft und im Verkehr werden erheb­liche Anstren­gungen nötig sein, um die ehrgei­zigen Ziele für Stick­stoff­oxide und Ammoniak in Zukunft einzu­halten. Dies gilt nicht nur bezüglich des erhöhten Ausstoßes von Stick­oxiden durch Diesel­fahr­zeuge im Normal­be­trieb, eine Frage bei der inzwi­schen wohl sogar der Bundes­ver­kehrs­mi­nister und das Kraft­fahr­zeug­bun­desamt ihre Gutgläu­bigkeit verloren haben dürften. Auch in der Landwirt­schaft wird eine grund­sätz­li­chere Abkehr von einer Wirtschafts­weise nötig, die massiv in den Stick­stoff­kreislauf eingreift. Nicht zuletzt bleibt auch die Energie­wirt­schaft in der Verant­wortung, Lösungen zu entwi­ckeln und Alter­na­tiven zu finden, die den Ausstoß von Schad­stoffen stark reduzieren. 

2018-07-23T08:57:28+02:0022. Juli 2018|Umwelt|