Die neuen §§ 31a BImSchG ff.

Zu dem Geset­zes­paket, das kurz vor der Sommer­pause durch Bundestag und ‑rat gebracht wurde, gehören auch die neuen §§ 31a bis 31d BImSchG. Diese Regelungen ermög­lichen es, beim Wechsel des Brenn­stoffs hin zu einem anderen Brenn­stoff­träger zeitlich begrenzt von Grenz­werten abzuweichen.

Die Normen folgen jeweils für Großfeue­rungs­an­lagen (cum grano salis > 50 MW FWL) und mittel­große Feuerungs­an­lagen (1 – 50 MW FWL) derselben Syste­matik: Zunächst erlauben § 31a BImSchG und § 31c BImSchG die Grenz­wert­ab­wei­chung für Schwe­fel­dioxid für sechs Monate durch Geneh­migung der zustän­digen Behörde, wenn dem Betreiber wegen einer ernsten Mangellage der schwe­felarme Brenn­stoff ausgeht. Die § 31b BImSchG und § 31d BImSchG dagegen erlauben es, bei einer plötz­lichen Unter­bre­chung der Gasver­sorgung und dem dadurch bedingten Wechsel zu einem anderen Brenn­stoff nach Geneh­migung durch die Behörde für maximal zehn Tage auf an sich erfor­der­liche Abgas­rei­ni­gungs­an­lagen bzw. eine sekundäre Emissi­ons­min­de­rungs­vor­richtung zu verzichten. Zu deutsch: Wenn der Brenn­stoff wegbleibt, kann der Betreiber erst einmal mit einem anderen Brenn­stoff weiter­pro­du­zieren und muss nicht die Anlage anhalten, bis sie nachge­rüstet ist.

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In allen Fällen ist das Bundes­um­welt­mi­nis­terium zu unter­richten, das die Abwei­chung weiter an die KOM meldet, weil dieses Procdere gemein­schafts­rechtlich so vorge­sehen ist.

Was ist nun von diesen Regelungen zu halten? Sie gehen, da dürfte Einigkeit bestehen, längst nicht so weit, wie es wünschenswert wäre, um das volle flexible Potential des Anlagen­parks auszu­nutzen. Gleich­zeitig ist die Bundes­re­gierung hier begrenzt, weil es Gemein­schafts­recht gibt, das einen verbind­lichen Rahmen setzt. Hier sollte die EU nachbessern und auf diese Weise sicher­stellen, dass es zumindest nicht an bürokra­ti­schen Hürden scheitert, über den Winter zu kommen (Miriam Vollmer)

2022-09-14T00:19:02+02:0021. Juli 2022|Energiepolitik, Gas, Immissionsschutzrecht, Industrie|

Datteln IV: War es das jetzt?

Bumm! Sie haben es alle gelesen: Der vorha­ben­be­zogene Bebau­ungsplan Nr. 105a für das jüngste Kohle­kraftwerk der Republik, den Block Datteln IV, ist nichtig. Das OVG Münster hat mit drei Urteilen vom Donnerstag, dem 26. August 2021, die Absicht der Stadt Datteln, endlich einen wirksamen Bebau­ungsplan für das Kraftwerk zu erlassen, durch­kreuzt. Bisher liegen die Urteils­gründe noch nicht vor, aber die Presse­mi­teilung lässt schon erkennen, dass es nun endgültig eng wird für den 1.050 MW Monoblock der Uniper. Juristen legen sich ungern fest, aber wir würden inzwi­schen einen Kasten Bier darauf wetten, dass diese Entschei­dungen das Aus für Datteln IV bedeuten.

Oft ist zwar die Nichtig­erklärung eines Bebau­ungs­plans nicht das Ende der Welt: Gemeinden machen Fehler, die Fehler führen zur Aufhebung, und oft lässt sich der „kaputte“ Bebau­ungsplan durch einen korrekten Bebau­ungsplan ersetzen. Exakt das hat die Stadt Datteln ja versucht, nachdem das OVG mit Entscheidung aus 2009 (Az.: 10 D 121/07.NE) die plane­rische Grundlage für das Kraftwerk für nichtig erklärt hat (hier etwas mehr zur Vorge­schichte). Doch in diesem Fall dürfte dies schwierig werden. Der Senat bemän­gelte nämlich Fehler, die sich kaum nachträglich berei­nigen lassen: Fehlerhaft sei der Prozess der Stand­ort­auswahl auf Ebene der Regio­nal­planung durch den Regio­nal­verband Ruhr. Dieser hätte auf einer viel größeren Fläche nach einem Standort für ein Kraftwerk suchen müssen, und dabei nicht nur nach einer Fläche für das (ja bereits vorhandene) Stein­koh­le­kraftwerk recher­chieren müssen, sondern auch prüfen müssen, ob nicht eher Raum für ein – viel saube­reres – Gaskraftwerk vorzu­sehen gewesen wäre. Mit anderen Worten: Dass Regio­nal­planung und Bebaungsplan auf das vorhandene Kraftwerk zugeschnitten wurden, hält der Senat für falsch.

Gleich­zeitig ist dieser Fehler mit einiger Wahrschein­lichkeit fatal für neue Planungs­ver­suche. Denn wie soll eine Planung aussehen, die auf einer möglichst großen Fläche des elf Städte und vier Kreise umfas­senden Regio­nal­ver­bands Ruhr nach Stand­ort­al­ter­na­tiven sucht, und dann beim nächsten Versuch auf wundersame Weise zu dem Ergebnis kommt, dass exakt dort, wo das Kraftwerk schon steht, der beste Ort für ein Kraftwerk wäre? Und wie soll der Regio­nal­verband begründen, dass trotz des gerin­geren Platz­be­darfs und der gerin­geren Umwelt­aus­wir­kungen eines Gaskraft­werks trotzdem wieder ein Stein­koh­le­kraftwerk geplant wird? Es sieht also schlecht aus für einen dritten Versuch.

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Bild: Arnoldius, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Doch bedeutet das schon das Aus für das Kraftwerk? Immerhin betont das Gericht in seinem Hinweis in der Presse­mit­teilung, dass die Entscheidung nicht bedeute, dass das Kraftwerk nun nicht mehr betrieben werden dürfte. Das ist auch zutreffend. Denn es hat seit 2017 eine vollziehbare Geneh­migung. Doch diese Geneh­migung wurde ebenfalls angefochten, die Klagen sind anhängig. Wenn die Kläger diese Prozesse gewinnen, kann Uniper die Anlage nicht weiter betreiben und muss sie wohl abreißen.

In diesen Klage­ver­fahren haben sich die Aussichten durch die Entscheidung des OVG Münster vom 26. August 2021 rapide verschlechtert. Denn Anlagen­ge­neh­mi­gungen setzen die baupla­nungs­recht­liche Zuläs­sigkeit der Anlage voraus. Da der Bebau­ungsplan Nr. 105a ja nun laut OVG Münster nichtig ist, wäre die Anlage nur dann baupla­nungs­rechtlich korrekt errichtet worden, wenn sie § 35 BauGB entsprechen würde, der die Zuläs­sigkeit von Bauten im Außen­be­reich regelt. Doch auch in diesem Punkt kann Uniper sich keine Hoffnung machen. Das OVG Münster hat sich nämlich bereits in einer Vorbe­scheid­an­fechtung 2012 (8 D 38/08.AK) zur Frage der Zuläs­sigkeit des Blocks Datteln IV nach § 35 BauGB negativ geäußert. Die Anlage sei nicht als Energie­ver­sor­gungs­anlage privi­le­giert, weil es am spezi­fi­schen Stand­ort­bezug fehle, eine Privi­le­gierung nach dem Auffang­tat­be­stand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB scheitere am öffent­lichen Belang des Planungs­er­for­der­nisses (so Rn. 138ff.). Die Anlage war den Richtern einfach zu groß (Juristen sagen: „raumbe­deutsam“). Da nun nichts dafür spricht, dass sich diese Situation seit 2012 in irgend­einer Hinsicht verändert hätte, dürfte auch diesmal eine geneh­mi­gungs­recht­liche Zuläs­sigkeit der Anlage ohne Bebau­ungsplan scheitern.

Aber bedeutet das dann wirklich das Ende des immerhin 1 Mr.d EUR teuren Kraft­werks? Können die Behörden das Kraftwerk nicht auch ohne Geneh­migung tolerieren? Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Anlagen brauchen eine Geneh­migung, wenn eine solche Geneh­migung nicht vorliegt, und die Behörde nicht einschreiten sollte, wenn eine Anlage einfach weiter­be­trieben wird, können Betroffene, aber auch Verbände, auf dem Klageweg recht­mäßige Zustände durchsetzen.

Die Hoffnungen des Betreibers – und auch der Stadt und des Landes NRW, das sich sehr stark gemacht hat für die Anlage – ruhen nun auf dem BVerwG. Aller­dings hat das OVG Münster keine Revision eröffnet. Datteln müsste sich den Weg also per Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde erst freikämpfen. Nicht­zu­las­sungs­be­schwerden sind aber nur sehr selten erfolg­reich. Und schon auf die erste Entscheidung des OVG Münster über den Bebau­ungsplan für das Kraftwerk Datteln war die Revisi­ons­zu­las­sungs­be­schwerde erfolglos geblieben (Miriam Vollmer).

 

2021-08-27T21:44:32+02:0027. August 2021|Immissionsschutzrecht, Strom, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Die letzten Meter auf dem Weg zur TA Luft

Die an sich grund­solide TA Luft hat sich im Laufe der letzten Jahre in eine Art Fata Morgana des Umwelt­rechts verwandelt: Immer, wenn Anlagen­be­treiber, Behörden und ihre armen Berater sich ganz knapp vor dem neuen Regelwerk wähnen, entschwindet die Novelle des zentralen Regel­werks der techni­schen Standards für den Anlagenbau und ‑betrieb wieder in eine unbestimmte Zukunft. Dabei drängt die Zeit: Die Luftqua­li­täts­richt­linie 2008/50/EG, die NEC-Richt­linie 2016/2284, die CLP-Verordnung Nr. 1272/2008 soll ebenso wie einige Grenz­werte zu den besten verfüg­baren Techniken (BVT) nach der Indus­trie­emis­si­ons­richt­linie nun endlich voll umgesetzt werden. Zwar hat der Bund mit der 44. BImSchV und den Neuerungen von 13. und 17. BImSchV schon einen Teil seiner umwelt­recht­lichen Hausauf­gaben gemacht, aber noch ist nicht alles geschafft. Zudem sollen Gerüche in die TA Luft integriert werden. Weiter wird die Kategorie der „Gesamt­zu­satz­be­lastung“ neu einge­führt, um vor allem bei Änderung von Anlagen eine auch sprach­liche Unter­scheidung treffen zu können, ob es auf die Umwelt­aus­wir­kungen der Anlage insgesamt oder nur die der Änderungen ankommt.

Zuletzt hatte das Bundes­ka­binett am 17. Dezember 2020 sich auf eine Fassung geeinigt, die u. a. in dem heiklen Punkt des Geneh­mi­gungs­maß­stabes für wesent­liche Änderungen nun wieder nur die Änderung betrachtet. Doch der Bundesrat stoppte auch dieses gegenüber Vorent­würfen zurück­hal­tendere Vorhaben durch eine Vielzahl von Änderungs­wün­schen. Nun liegt mit der Druck­sache 314/1/21 vom 27.04.2021 immerhin eine kompro­miss­fähige Fassung der Bundes­rats­aus­schüsse auf dem Tisch, die gegenüber dem Regie­rungs­entwurf schwer überschaubare 292 Änderungen enthält. Zumindest ein erheb­licher Teil der Änderungen beruht auf Wünschen der Landwirt­schaft, die sich nicht imstande sieht, die neuen Grenz­werte so schnell umzusetzen, wie es sich die Bundes­re­gierung vorstellt, u. a. bei der Nachrüstung für Abluft­an­lagen in der Tierhaltung.

Ferkel, Ferkelstall, Stall, Tierhaltung, Bauernhof

Nun steht die TA Luft wieder für den 27. Mai auf der vollen Tages­ordnung. Damit besteht immerhin Hoffnung, dass das Regelwerk nun endlich verab­schiedet werden kann. Doch nach den Erfah­rungen der letzten vier Jahre ist die Branche vorsichtig geworden, sich auf die Ankunft bei der vermeintlich nahen Oase zu verlassen (Miriam Vollmer).

2021-05-21T12:27:58+02:0021. Mai 2021|Immissionsschutzrecht, Industrie, Umwelt|