Kein Dritt­schutz durch FFH-Vorschriften

Der § 42 Abs. 1 VwGO erlaubt es nicht jedermann, sondern nur dem Betrof­fenen, einen Verstoß gegen Normen des öffent­lichen Rechts gerichtlich geltend zu machen. Ich kann also nur dann gegen eine Bauge­neh­migung vorgehen, wenn es sich um meine Bauge­neh­migung handelt (und ich etwa nur einen Teil des Beantragten genehmigt bekommen habe). Oder wenn ich von dem Bauvor­haben eines Dritten selbst betroffen bin, etwa als Nachbar.

Doch dieser Grundsatz hat in den letzten Jahren gerade im Umwelt­recht eine deutliche Relati­vierung erfahren. Dank des Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz (UmwRG) können Umwelt­ver­bände nun auch zu Gericht gehen, wenn die verletzten Normen gar nicht dritt­schützend sind, sondern nur auf den Schutz der Umwelt an sich abzielen.

Nun hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) in einer Entscheidung vom 17. Februar 2021, Az.: 7 C 3.20, ein Urteil des Oberver­wal­tungs­ge­richts (OVG) Schleswig bestätigt, nach dem der betroffene Private die Einhaltung dieser Normen gleichwohl immer noch nicht gerichtlich überprüfen lassen kann. Anlass hierfür war eine Entscheidung über eine Geneh­migung zur Errichtung und zum Betrieb einer Asphalt­misch­anlage in einem FFH-Gebiet. Hier vermisste ein Gutsbe­sitzer aus der Umgebung eine Umwelt­ver­träglickeits­prüfung und sah Immis­si­ons­schutz und Natur­schutz verletzt. Da ihm – oder zumindest seinen Anwälten – klar war, dass er keines­falls die Rechte eines Natur­schutz­ver­bandes geltend machen kann, berief er sich auf die Position der „betrof­fenen Öffent­lichkeit“, die ebenfalls in der Aarhus-Konvention erwähnt wird, auf der das Klage­recht der Umwelt­ver­bände fußt.

Wald, Bäume, Natur, Frühling, Licht, Schatten, Grün

2016 wies zunächst das Verwal­tungs­ge­richt Schleswig die Klage ab. Dem schloss sich das OVG 2019 an (5 LB 3/19), das zwar die Zuläs­sigkeit für gegeben ansah, weil der Kläger auch dritt­schüt­zende Normen vorge­tragen hatte. Aber weder VG noch OVG sahen die auf der FFH-Richt­linie fußenden Natur­schutz­re­ge­lungen der §§ 33, 34 BNatSchG als rügefähig durch Private an. Das OVG führte hierzu aus:

die Unter­schutz­stellung von in seinem Eigentum stehenden Flächen verleiht dem Kläger als Eigen­tümer keine eigenen Abwehr­rechte. Die Überwa­chung der Einhaltung dieser Vorschriften obliegt den für Natur­schutz und Landschafts­pflege zustän­digen Behörden“

Das BVerwG unter­strich dies nun. Ein Bezug zu den Inter­essen Einzelner sei nicht ersichtlich. Auch der Verweis auf den Eigen­tums­schutz überzeugte die Leipziger Richter nicht. Der Kläger hatte argmen­tiert, der Natur­schutz sei quasi Teil des Eigentums, aber dies sah der Senat anders. Es bleibt damit dabei: Was Natur­schutz­ver­bände vor Gericht können, können nur Natur­schutz­ver­bände (Miriam Vollmer).

 

2021-02-23T23:14:55+01:0023. Februar 2021|Immissionsschutzrecht, Naturschutz, Umwelt, Verwaltungsrecht|

BEHG: Flucht in den Emissionshandel

Am 1.1.2021 geht es los: Der nationale Emissi­ons­handel nach dem Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­gesetz (BEHG) belastet jede Tonne CO2 in Form eines vom Gaslie­fe­ranten (oder anderen Inver­kehr­bringer flüssiger oder gasför­miger Brenn­stoffe) mit zunächst 25 €. Die Zerti­fikate erwerben muss der Brenn­stoff­lie­ferant, am Ende landet die Kosten zumindest bis 2025 über Steuer– und Abgabe­klauseln beim Letzt­ver­braucher.

Von dieser flächen­de­ckenden Bepreisung klima­schäd­licher Emissionen sollen nur dieje­nigen ausge­nommen werden, die bereits über den „großen“ Europäi­schen Emissi­ons­handel belastet werden. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 5 BEHG. Der Gesetz­geber stellt sich hier vor, dass der Betreiber der EU–emissi­ons­han­dels­pflich­tigen Anlage seinem Liefe­ranten mithilfe seines Emissi­ons­be­richts nachweist, dass er den Brenn­stoff in einer ETS–Anlage verbrannt hat. Für diese Mengen sollen dann keine Zerti­fikate nach dem natio­nalen Emissi­ons­handel abgegeben werden.

Damit ist insgesamt (bzw. ab 2023, wenn alle Brenn­stoffe erfasst sind) eine an sich lückenlose Erfassung von Emissionen gewähr­leistet: Zerti­fikate abführen muss jeder. Trotzdem kann es sinnvoll sein, zwischen den beiden Welten zu wechseln. Denn im BEHG ist keine Zuteilung kosten­loser Zerti­fikate vorge­sehen. Es gibt zwar eine Härte­fall­klausel. Aber eine regel­mäßige Ausstattung von Teilnehmern mit Gratis­zer­ti­fi­katen kennt das BEHG nicht. Im TEHG sieht es aber anders aus.

Dies bietet Chancen für die Betreiber von Anlagen, die die Schwel­len­werte für die Teilnahme am Emissi­ons­handel bisher – absichtlich oder nicht – knapp verfehlen. Diese ergeben sich aus Anhang 1 zum TEHG. Insbe­sondere dann, wenn sie abwan­de­rungs­be­drohten Branchen angehören (etwa Papier) oder Fernwärme liefern, können sie von kosten­losen Zutei­lungen auf Grundlage der Zutei­lungs­ver­ordnung 2030 (ZuVO) auf Antrag profi­tieren. Vielen – nicht allen – Anlagen, die nach dem TEHG emissi­ons­han­dels­pflichtig sind, stehen danach nämlich kostenlose Zerti­fikate auf Antrag zu.

Doch wie wird man emissi­ons­han­dels­pflichtig? Hier kommt es nicht nur auf die schiere Größe der Anlage an, denn mit ausschlag­gebend ist gem. § 2 Abs. 4 TEHG die immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungslage. Es ist damit durchaus eine Prüfung im Einzelfall wert, ob durch geschickte Änderung der immis­si­ons­schutz­recht­lichen Geneh­migung die finan­zi­ellen Belas­tungen verringert werden können. Insbe­sondere angesichts der in den nächsten Jahren drastisch steigenden Preise für Emissi­ons­be­rech­ti­gungen ergibt es Sinn, diese Möglich­keiten zumindest einmal auszu­loten (Miriam Vollmer).

2020-02-26T16:58:53+01:0026. Februar 2020|Emissionshandel, Industrie, Strom, Umwelt|

Durch­bruch gegen Fahrverbote?

Die Presse jubelt: Die europäische Kommission hätte die geplante Änderung des Bundes-Immis­si­ons­schutz­ge­setzes (BImSchG) abgesegnet, nach der künftig Fahrverbote bei einer Grenz­wert­über­schreitung von maximal 10 µg/m3 Luft bei Stick­stoff­dioxid als unver­hält­nis­mäßig (und damit unzulässig) gelten sollten. Über 20 Städten bliebe das leidige Diesel­fahr­verbot so erspart. 

Aber stimmt das wirklich? Schauen wir etwas genauer hin:

Klar ist: Der Grenzwert von 40 µg/m3 wird nicht verändert. Die Richt­linie 2008/50/EG über Luftqua­lität bleibt, wie sie ist. Schließlich kann die Bundes­re­publik dieses europäische Regelwerk ja auch mangels Zustän­digkeit gar nicht ändern. Das könnten nur die europäi­schen Organe. Damit muss die Bundes­re­publik es ohne Wenn und Aber nach wie vor irgendwie bewerk­stel­ligen, dass auch in Ballungs­räumen die Atemluft den gemein­schafts­recht­lichen Vorgaben entspricht.

Bei der Auswahl der Instru­mente ist die Bundes­re­publik – wie es für Richt­linien charak­te­ris­tisch ist – verhält­nis­mäßig frei. Es zählt die Zieler­rei­chung. Exakt das hat die Kommission nun noch einmal unter­strichen. Ob ein Bundesland es nun durch Verbes­se­rungen im ÖPNV einer Stadt, durch einen Anschluss-und Benut­zungs­zwang seiner Gemeinden für eine emissi­onsarme und innen­stadt­ferne Fernwär­me­er­zeugung, durch verbes­serte und verkehrs­ver­min­dernd Radwege oder eben durch ein Fahrverbot schafft, ihren Bürgern die Luftqua­lität zu garan­tieren, die ihnen zusteht, kann es sich in gewissen Grenzen aussuchen. Diese „gewisse Grenzen“ resul­tieren insbe­sondere aus dem Gebot der Verhält­nis­mä­ßigkeit. Dieses gilt für alle Akte staat­licher Gewalt, auch für einen Luftrein­hal­teplan. Es besagt, dass staat­liche Maßnahmen nur dann zulässig sind, wenn sie erstens geeignet sind, dass angestrebte Ziel zu fördern. Sie müssen zweitens aber auch das mildeste Mittel darstellen, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Und selbst, wenn das der Fall ist, müssen sie auch ein angemes­senes Verhältnis von Mittel und Zweck verkörpern. 

Es liegt auf der Hand, dass ein Fahrverbot eine relativ harte und belas­tende Maßnahme darstellt, viel belas­tender als mehr Busse oder einen kosten­losen P+R‑Verkehr. Damit ist ein Fahrverbot ohnehin immer nur dann zulässig, wenn denn gar kein weniger belas­tendes Instrument wirkt. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) am 27. Februar 2018 (BVerwG 7C 26.16) ausdrücklich festge­stellt. Hiernach ist ein Fahrverbot nur zulässig wenn es die „einzig geeignete“ Maßnahme zur schnellst­mög­lichen Einhaltung der Stick­stoff­dioxid-Grenz­werte darstellt (so schon der Leitsatz 1). 

Offenbar stellen nun aber zumindest Teile der Presse sich vor, dass in Zukunft auch dann, wenn der Luftzu­stand die verdammten 40 µg/m3 einfach nicht unter­schreiten will, egal, was die Stadt alles anstellt, trotzdem kein Fahrverbot verhängt wird. Sondern die Grenz­wert­über­schreitung einfach hinzu­nehmen ist. Stimmt das aber wirklich? Wir meinen: Nein. Am Grenzwert ändert sich doch nichts. Damit könnten betroffene Bürger, aber auch Umwelt­ver­bände wie die Deutsche Umwelt­hilfe weiter vor Gericht auf seine Einhaltung pochen, egal wie. Denn eine Duldungs­pflicht gibt es nicht. Oder die europäische Kommission kann ein Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahren betreiben, in dem hohe Strafen fällig werden können. 

Was bringt also die Geset­zes­än­derung? Eigentlich nichts. Das Fahrverbote nur als Ultima Ratio zulässig sind, wissen wir seit der Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts im letzten Februar. Es dürfte sich also um reine Kosmetik handeln. Vielleicht hofft der Gesetz­geber, dass der eine oder andere Kläger sich abgeschreckt fühlt. Oder Verwal­tungs­richter sich ins Bockshorn jagen lassen. Ist das realis­tisch? Wir meinen: Nein.

Wir glauben deswegen: die Presse hat sich zu früh gefreut. Im Ergebnis ändert sich nichts.

Sie sind anderer Ansicht: Dann freuen wir uns über Ihren Kommentar hier oder (für Mitglieder) im re|Forum.

2019-02-15T14:13:33+01:0014. Februar 2019|Umwelt, Verkehr|