Haftungs­recht: Prozesse über Bäume

Wenn jetzt die Winter­stürme über Land ziehen, schauen manche Hausei­gen­tümer recht sorgenvoll in ihre Gärten und die ihrer Nachbarn. Denn so schön große Bäume sind, so groß ist auch ihr Schadens­po­tential. Die Gespräche über Bäume, die ja meist einen fried­vollen, wenn auch etwas weltfremden Beiklang haben: Vor Gericht kommen sie dann doch noch ziemlich zur Sache. Oft stellt sich nämlich die Frage, wer eigentlich haftet, wenn ein großer Ast auf ein Nachbar­ge­bäude, ein Auto oder gar einen Menschen gefallen ist.

Im Wald, darüber hatten wir kürzlich schon mal gebloggt, greift eine Haftungs­be­schränkung des Waldei­gen­tümers gegenüber Erholungs­su­chenden. Jeden­falls sind waldty­pische Gefahren wie Astbruch nach § 14 Abs. 1 Satz 4 Bundes­wald­gesetz regel­mäßig kein Haftungs­grund. Wenn ein Eigen­tümer durch eine Baumschutz­ver­ordnung oder ‑satzung am Fällen oder an der Pflege eines Baumes gehindert ist, dann wird er dadurch zwar nicht vollkommen von Verkehrs­si­che­rungs­pflichten frei. Mit anderen Worten muss er weiterhin darauf achten, wie der Zustand des Baumes ist und sollte regel­mäßige Kontrollen durch­führen lassen, um heraus­zu­finden, ob mögli­cher­weise Pflege­maß­nahmen nötig sind. Aber immerhin haftet er nicht für Fäll- und Pflege­maß­nahmen, die ihm nicht genehmigt wurden. Eventuell kann dann die Natur­schutz­be­hörde aus Amtshaftung heran­ge­zogen werden.

Aber auch sonst haftet der Eigen­tümer nicht in jedem Fall. So gilt bei gesunden Bäumen oder Bäumen, denen die Schäden von außen nicht anzusehen waren, dass Geschä­digte auf ihrem Schaden sitzen bleiben. Selbst bei gesunden Bäumen, die wie Pappeln aus Weichholz bestehen, so dass das Bruch­risiko erhöht ist, hat der Bundes­ge­richtshof entschieden, dass die Gemeinde zwar regel­mäßig sorgfältig kontrol­lieren, aber nicht präventiv sägen muss, um Schadens­fälle zu verhindern. Das mag der Betroffene ungerecht finden, es sorgt aber dafür, dass gesunde Bäume nicht aus Furcht vor dem Haftungs­risiko gefällt werden. Zugleich sorgen die Verkehrs­si­che­rungs­pflichten dafür, dass vermeidbare Schadens­fälle verhindert werden. Um mit dem Bundes­ge­richtshof in einer klassi­schen Entscheidung zum Problem von unerkennbar kranken Stadt­bäumen und Haftung zu sprechen:

Das recht­fertigt aber nicht die Entfernung aller Bäume aus der Nähe von Straßen, denn der Verkehr muss gewisse Gefahren, die nicht durch mensch­liches Handeln entstehen, sondern auf Gegeben­heiten oder Gewalten der Natur beruhen, als unver­meidbar hinnehmen. Eine schuld­hafte Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflicht liegt in solchen Fällen nur vor, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die nach der Erfahrung auf eine weitere Gefahr durch den Baum hinweisen“

Mit anderen Worten, wer seine Bäume regel­mäßig kontrol­lieren lässt, kann relativ guten Mutes in die Winter­saison gehen. Denn wenn Schädi­gungen nach bestem Wissen und Gewissen ausge­schlossen sind, dann ist auch das Haftungs­risiko minimiert (Olaf Dilling).

2019-12-12T20:49:48+01:0012. Dezember 2019|Allgemein, Umwelt|

Emissi­ons­handel: Der Europäische „Green New Deal“

Die neue Kommission unter Präsi­dentin von der Leyen hat ihre Vision für ein klima­neu­trales Europa 2050 vorge­stellt. Zwar wird sich im Laufe des absehbar kontro­versen Verhand­lungs­pro­zesses sicher noch Einiges ändern. Es loht sich trotzdem, die Pläne für den Emissi­ons­handel anzuschauen:

# Ausgangs­punkt: Das 2030-Minde­rungsziel soll von 40% auf 50% – 55% angehoben werden. Selbst wenn anderen Sektoren wie Gebäude und Verkehr größere Minde­rungs­an­stren­gungen abver­langt würden, klar ist: Auch im EU-Emissi­ons­handel wird das Budget sinken. Damit steigen die Kurse und sinken – wenn es sie überhaupt noch geben sollte – die kosten­losen Zuteilungen.

# Der Emissi­ons­handel soll auf den Seeverkehr ausge­weitet werden.

# Zerti­fikate für die Luftfahrt sollen verknappt werden.

# Die Kommission plant ein Grenz­aus­gleichs­system für Produkte aus Staaten, die keine vergleichbare CO2-Belastung wie das Emissi­ons­han­dels­system kennen, mit anderen Worten Klima­zölle an Europas Außen­grenzen. Es wird nicht erwähnt, aber dies könnte – weil das Bedro­hungs­sze­nario so aufge­gangen würde – das Ende der privi­le­gierten Zutei­lungen für Carbon Leakage bedrohte Indus­trie­an­lagen und/oder die Strom­kos­ten­kom­pen­sation bedeuten.

# Schon in der Vergan­genheit wollte die EU die Erlöse aus dem Emissi­ons­han­dels­system als eigene Haushalts­mittel, was auch ein Stück Unabhän­gigkeit von den Mitglied­staaten bedeuten würde. Damit konnte sie sich bisher nicht durch­setzen. Nun unter­nimmt sie einen neuen Anlauf und verlangt 20% der Erlöse aus den Verstei­ge­rungen von Emissionsberechtigungen.

# Es soll ein genereller CO2-Preis einge­führt werden, voraus­sichtlich über eine Änderung der Energie­be­steue­rungs­richt­linie.

# Der Straßen­verkehr soll in den Emissi­ons­handel einbe­zogen werden. Für die Bundes­re­publik würde das bedeuten: Mögli­cher­weise geht der neue nationale Emissi­ons­handel noch vor Ende der Erpro­bungs­phase von 2021 bis 2025 in einer gemein­schafts­weiten Regelung auf.

# Nicht nur, aber auch für den Emissi­ons­handel relevant: Die Kommission möchte den Zugang von Umwelt­ver­bänden zu den Gerichten verbessern.

Wie geht es weiter? Schon nächstes Jahr sollen die recht­lichen Grund­lagen für die Änderung der Klima­ziele geschaffen werden, 2021 soll der Emissi­ons­handel dann grund­legend novel­liert werden (Miriam Vollmer).

2019-12-13T10:17:07+01:0012. Dezember 2019|Emissionshandel, Energiepolitik|

Elektro­mo­bi­lität: Masterplan Ladeinfrastruktur

Dass die Treib­haus­gas­emis­sionen bezogen auf den Sektor „Verkehr“ einfach nicht sinken wollen, hat nicht nur mit einem Trend zu immer größeren und schnel­leren Autos zu tun. Sondern auch mit dem stockenden Ausbau der Elektro­mo­bi­lität. Das liegt nicht nur an der bis heute viele Käufer nicht überzeu­genden Produkt­pa­lette für Elektro­autos, sondern auch mit der unzurei­chenden Ladeinfra­struktur: Aktuell gibt es lediglich 21.100 Ladepunkte bundesweit.

Um daran etwas zu ändern, hat das Bundes­ka­binett  am 18. November 2019 einen Masterplan „Ladeinfra­struktur“ beschlossen. Dieser liest sich ambitio­niert: Bis 2030 soll es 1 Million öffentlich zugäng­licher Ladepunkte geben, Also ungefähr fünfzigmal so viel wie heute.

Was plant die Bundes­re­gierung genau: Schon in den Jahren 2020 und 21 sollen 50.000 öffentlich zugäng­liche Ladepunkte zusätzlich errichtet werden. Davon soll allein die Automo­bil­wirt­schaft 15.000 beisteuern. Der Staat will beim Ausbau auch finan­ziell helfen. Schon im nächsten Jahr soll es 50 Millionen € für private Lademög­lich­keiten geben. Gefördert werden sollen u. a. auch Ladepunkte auf Kunden­park­plätzen, Tankstellen sollen ordnungs­rechtlich verpflichtet werden, Ladepunkte anzubieten. Koordi­nieren soll den Ausbau eine nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur.

Das Ausbauziel ist ehrgeizig. Gleichwohl: Viel wird von den Ausge­stal­tungen im Detail abhängen, auch von der auf S. 4 und 10 des Master­plans erwähnten Verein­fa­chung des Rechts­rahmens. Aufge­führt wird hier leider nur recht diffus eine Neure­gelung im Rahmen der anste­henden Novelle des EEG im nächsten Jahr. Diese ist auch dringend erfor­derlich: Aktuell befindet sich der Ladesäu­len­be­treiber nämlich in einer merkwürdig schizo­phrenen Situation: Für das EEG und das Strom­steu­er­recht ist er Lieferant und damit steuer­pflichtig bzw. muss EEG-Umlage abführen und den Melde­pflichten nach dem EEG nachkommen.Seit 2016 gilt er aber nicht mehr als Lieferant nach dem EnWG, so dass die dort geregelten Liefe­ran­ten­pflichten nicht gelten. Hier wäre eine Verein­fa­chung und Verein­heit­li­chung für den rechts­si­cheren Ausbau hilfreich.

Weiter möchte der Gesetz­geber das Miet– und Wohnungs­recht anpassen. Denn aktuell kann ein Mieter ohne Zustimmung des Vermieters keine Ladestation instal­lieren, auch können die anderen Mitei­gen­tümer in einer WEG–Gemeinschaft dem einzelnen Wohnungs­ei­gen­tümer einen Strich durch die elektro­mobile Rechnung machen.Wer sich keine Ladestation bauen darf, kauft aber auch kein E‑Auto.

Nicht erwähnt ist leider die Abgrenzung von eigen­ver­sorgten Mengen von den Strom­mengen, die an Dritte geliefert werden: Fehler bei der Abgrenzung privi­le­gierter von nicht privi­le­gierter Mengen sind sankti­ons­be­wehrt und können schwer­wie­gende Folgen für die Privi­le­gierung haben. Dies erhöht die Bereit­schaft der privi­le­gierten Unter­nehmen natur­gemäß nicht, ihre Ladeinfra­struktur für Dritte zu öffnen. Hier sollte – und könnte – der Gesetz­geber pragma­tisch nachsteuern, um die bestehende und künftige private Infra­struktur für die Öffent­lichkeit nutzbar zu machen (Miriam Vollmer).

 

2019-12-10T14:51:42+01:0010. Dezember 2019|Allgemein, Energiepolitik, Strom, Verkehr|