Buy now, pay later?“ Landwirt­schaft und Trinkwasser

Über der ganzen Aufregung um Diesel und Luftver­schmutzung ist ein bisschen unter­ge­gangen, dass es um Gülle, Glyphosat und Grund­wasser ganz ähnlich steht: Auch hier geht‘s um strenge EU-Standards, die von Deutschland zum Teil verletzt werden. Es geht um Bürger, die für unser aller Gesundheit einen hohen Preis zahlen. Und es geht nicht zuletzt um kleine schlag­kräftige Umwelt­ver­bände, die eine Branche mit starker Lobby in Bedrängnis bringen. Erst vor wenigen Monaten wurde Deutschland wegen der Nitra­t­richt­linie vor dem Europäi­schen Gerichtshof verklagt. Zwischen­zeitlich, nämlich 2017, war das deutsche Dünge­recht refor­miert worden. Vielleicht deshalb hat die Entscheidung nur mäßig Wellen geschlagen, obwohl die Proble­matik eigentlich für jeden Haushalt mit Wasser­an­schluss relevant sein sollte.

Offenbar gibt es wenig Grund zur Entwarnung. So lag die Belastung des Grund­wassers an fast einem Fünftel der Messstellen in Deutschland im letzten Nitrat­be­richt über dem gesetz­lichen Grenzwert. In Gebieten mit vielen landwirt­schaft­lichen Nutzungen im Einzugs­gebiet waren es sogar 28%. Dabei gibt es deutliche lokale Schwer­punkte, vor allem im Nordwesten, im Einzugs­gebiet von Elbe, Weser und Ems. Hier ist die Viehdichte besonders hoch. Aller­dings haben auch Feldfrüchte wie Mais oder Gemüse wie Spargel oder Salat einen hohen Nährstoff­bedarf. Das Gemüse wird meist noch kurz vor der Ernte stark gedüngt.

Dass die Reform des Dünge­rechts von 2017 hier eine deutliche Kehrt­wende bewirkt und die EU-Grenz­werte in Zukunft einge­halten werden, wird von Rechts- und Agrar­ex­perten und nicht zuletzt dem Branchen­verband der Gas- und Wasser­wirt­schaft DVGW bezweifelt. Die Deutsche Umwelt­hilfe, bekannt aus den zahlreichen Diesel­ver­bots­ver­fahren, hat Mitte Juli auch prompt eine verwal­tungs­ge­richt­liche Klage dagegen einge­reicht. Ob die Nitrat­be­lastung tatsächlich reduziert wird, hängt letztlich nicht nur von der EU-Konfor­mität der Regelungen, sondern auch von ihrer Umsetzung ab. Skeptisch stimmt, dass sie viele Ausnah­me­mög­lich­keiten aufweisen und schon in der Vergan­genheit oft nicht ausrei­chend kontrol­liert wurden. Ohnehin werden Änderungen bei der Bewirt­schaftung der Böden erst mit einiger Verzö­gerung im Grund­was­ser­körper ankommen. Darunter leidet nicht nur die ökolo­gische Qualität der Gewässer. Gerade für Säuglinge kann Nitrat eine Gefahr darstellen, da es in ihrem Magen zu giftigem Nitrit umgewandelt werden kann.

Dennoch ist die Gesundheit der Bürger durch die Nitrat­be­lastung des Grund­wassers bislang nicht wirklich in Gefahr. Dafür sorgt derselbe Grenzwert wie für Grund­wasser (50mg Nitrat pro Liter Wasser), der beim Trink­wasser bislang aber viel besser einge­halten werden kann. Das liegt zum einen daran, dass die Brunnen zur Gewinnung von Trink­wasser viel tiefer gebohrt wurden als die Messstellen für das Grund­wasser, so dass die Schad­stoffe entspre­chend später ankommen. Außerdem garan­tieren beim Trink­wasser die Qualität nicht die Landwirte, sondern die Wasser­ver­sorger: Unter Umständen müssen tiefere Brunnen gebohrt werden oder muss belas­tetes mit weniger belas­tetem Trink­wasser gemischt werden. Wenn das nicht hilft, könnte der Nitrat­gehalt auch durch aufwändige technische Methoden unter das vorge­schriebene Maß reduziert werden.

So weit die technische Seite – aber wie sollte eigentlich rechtlich mit dem Problem der Grund­was­ser­be­lastung durch Landwirt­schaft umgegangen werden? Einen Einblick in den aktuellen Stand gibt ein Fall aus dem Südwesten, bei dem es nicht um Dünge­mittel, sondern um Pestizide geht: Der baden-württem­ber­gische Agrar­mi­nister Peter Hauk hatte zunächst auf einer Presse­kon­ferenz behauptet, dass es die Bevöl­kerung nichts angehe, welche Mengen Herbizide, Fungizide oder Insek­tizide die Landwirte, Obstbauern oder Winzer ausbringen. Später hat er seine Äußerung auf die erwartbar empörte Reaktion dann zwar zurück­ge­nommen. Aller­dings wollte er der Landes­was­ser­ver­sorgung Baden-Württemberg dennoch nicht die genauen Mengen der in Wasser­schutz­ge­bieten einge­setzten Pestizide mitteilen. Eigentlich dürfte das möglich sein, da die Daten von den Landwirten ohnehin für Kontrollen vorge­halten werden müssen. Aber ist die Agrar­ver­waltung auch zur Herausgabe der Daten verpflichtet? Der kommunale Zweck­verband hat deswegen im Oktober vor den Verwal­tungs­ge­richten Sigma­ringen und Stuttgart Klage einge­reicht. Er begründet diesen Schritt mit dem Erfor­dernis, sich auf die Belas­tungen recht­zeitig einstellen zu können.

Aus unserer Sicht wäre eine Auskunfts­pflicht zumindest schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Aber reicht das auch? Mit dem Aufwand der Trink­was­ser­ver­sorgung werden die Wasser­ge­bühren in Zukunft weiter steigen. Und dass diese Kosten letztlich die Verbraucher zahlen müssen, ist eigentlich nicht einzu­sehen. Vielmehr sollte bei der Verur­sa­chung angesetzt werden. Dafür ist noch einiges an Umdenken erfor­derlich. Denn so sehr wir jedem und jeder ihr Schnitzel und ihren Spargel auf dem Teller gönnen: Soll der volle Preis dafür wirklich erst einige Jahre später über die Wasser­rechnung bezahlt werden? Nicht nur die sprich­wört­liche schwä­bische Hausfrau dürfte das anders sehen.

2018-11-22T07:52:40+01:0022. November 2018|Allgemein, Umwelt|

Kann man der DUH die Gemein­nüt­zigkeit und den Gerichts­zugang nehmen?

Die Nerven liegen blank. Seit in Nordrhein-Westfalen das erste Mal sogar ein Stück Autobahn vom Fahrverbot für ältere Diesel­fahr­zeuge betroffen sein wird, wird vielen Bürgern offenbar erst richtig klar, was Diesel­fahrern in den nächsten Jahren droht. Mancher Politiker scheint aller­dings weniger die Emissionen von Stick­oxiden und Feinstaub als das eigent­liche Problem zu betrachten und geht statt­dessen auf den Überbringer der schlechten Nachricht, dass die Luft in Deutsch­lands Städten den Quali­täts­an­for­de­rungen des Gemein­schafts­rechts nicht genügt, los. Derzeit steht die Anregung im Raum, der Deutschen Umwelt­hilfe (DUH), die landauf, landab Städte verklagt, die Gemein­nüt­zigkeit abzuer­kennen und sie vom Verbands­kla­ge­recht auszuschließen.

Aber geht das so einfach? Wann eine Körper­schaft gemein­nützig ist, ergibt sich aus § 52 Abs. 1 Abgaben­ordnung (AO). Hier sind die Voraus­set­zungen für die Gemein­nüt­zigkeit aufge­führt. Unter den dort aufge­führten Zwecken finden sich auch der Natur­schutz, der Umwelt­schutz, das öffent­liche Gesund­heits­wesen und die öffent­liche Gesund­heits­pflege. Die Tätigkeit der DUH dient also anerkannten Zwecken. Dass der Verband bei der Verfolgung seiner Ziele deutlich rigider vorgeht als andere mit ähnlichen Anliegen, schließt seine Gemein­nüt­zigkeit nicht aus. Auch im Hinblick auf die anderen in § 52 AO genannten Voraus­set­zungen ist es kaum denkbar, der DUH die Gemein­nüt­zigkeit abzuer­kennen. Insbe­sondere der bisweilen geäußerte Vorwurf, es handele sich um einen „Abmahn­verein“, und die DUH erhalte Spenden von Toyota führen nicht zur Aberkennung der Gemein­nüt­zigkeit. Hierfür gibt es schlicht keine recht­liche Grundlage.

Doch wäre der Verband über eine Änderung des Umwelt-Rechts­be­helfs­ge­setzes (UmwRG) zu fassen? Dieses Gesetz stellt die Grundlage für die Verbands­klage im Verwal­tungs­pro­zess­recht dar. Anerkannte Umwelt­ver­bände können damit die Verletzung von Umwelt­ge­setzen vor Gericht ziehen.

Wann eine Körper­schaft als Klage berechtigt anzusehen ist, ergibt sich aus § 3 Abs. 1 des UmwRG. Hiernach sind Verei­ni­gungen klage­befugt, wenn sie ideell und dauerhaft die Ziele des Umwelt­schutzes fördern, was auf die DUH zweifellos zutrifft. Weiter müssen sie seit mindestens drei Jahren bestehen, auch das ist kein Problem, und die Gewähr für eine sachge­rechte Aufga­ben­er­füllung bieten. Die Gemein­nüt­zigkeit ist eine weitere Voraus­setzung, außerdem muss ein Verband den Eintritt als Mitglied ermög­lichen. Diese Möglichkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 der Satzung der DUH.

Eine Änderung dieser Regelung dürfte schwierig werden. Denn der deutsche Gesetz­geber ist hierbei nicht frei. Die Regelung basiert auf Art. 10 a der Richt­linie 2003/35/EG. Die Bundes­re­publik muss sich an diese Vorgaben also halten, weil Gemein­schafts­recht dem deutschen Recht stets vorgeht. In diesem Fall ist nicht einmal die EU bei der Ausge­staltung frei, weil hinter der Richt­linie die Aarhus-Konvention, also ein völker­recht­liches Dokument, steht.

Doch selbst wenn dem nicht so wäre, wäre ein Gesetz, in dem alle diese Rechte für jedermann gelten, mit Ausnahme der DUH nicht verfas­sungs­konform. Dies ergibt sich aus Art. 19 Grund­gesetz (GG), der Einzel­fall­ge­setze verbietet.

Es sieht also schlecht aus für den Versuch, den Diesel­fahrern ihr Auto über eine solche Geset­zes­än­derung zu erhalten. Da hilft wohl nichts: Teilweise muss nachge­rüstet werden. Teilweise müssen die Autofahrer mit den drohenden Einschrän­kungen wohl schlicht leben.

2018-11-21T01:02:44+01:0021. November 2018|Allgemein|

BGH zu Kunden­zu­frie­den­heits­um­fragen in Rechnungsmail

Dass man nicht einfach so dem genervten Verbraucher Werbe­mails schicken darf, ist inzwi­schen Allge­meingut. Aber wie sieht es mit einer Kunden­zu­frie­den­heits­um­frage aus, die mit derselben E‑Mail kommt wie die Rechnung für eine bestellte Ware? Mit dieser Frage hatte sich der Bundes­ge­richtshof (BGH) am 10. Juli 2018 (VI ZR 225/17) zu beschäftigen.

Kläger in dem Verfahren war ein Verbraucher, der beim Amazon Market­place ein Ultra­schall­gerät zur Schäd­lings­ver­treibung, offenbar ein Maulwurfs­ver­grämer, bestellt hatte. Das Gerät kam, die Rechnung erhielt er sodann per E‑Mail verbunden mit der Bitte, für den Einkauf eine gute Beurteilung zu geben. Wer gelegentlich bei Amazon einkauft, weiß, wie wichtig diese Bewer­tungen für das Kaufver­halten anderer Inter­es­senten sind.

Der Käufer war genervt. Die unauf­ge­for­derte Kunden­zu­frie­den­heits­um­frage stelle unerlaubte Werbung dar. Und das greife in sein allge­meines Persön­lich­keits­recht ein. Der Käufer zog vor Gericht. 

Das Amtsge­richt indes wies seine Klage ab, auch das Berufungs­ge­richt wies seine Klage ab, vom BGH war er nun aber erfolg­reich. Wir wissen nichts über die Hinter­gründe dieses Verfahrens, aber dass eine Privat­person ein solches Verfahren durch alle Instanzen verfolgt, ist immerhin bemer­kenswert. Ansonsten gehen solche Urteile meistens auf Verbrau­cher­ver­bände zurück.

Dass es sich bei der Umfrage um Werbung handelt, hatte auch schon die Vorin­stanz bejaht. Schließlich ist der Werbe­be­griff außer­or­dentlich weit. Nach Art. 2a der Richt­linie 2006/114/EG handelt es sich um „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienst­leis­tungen, einschließlich unbeweg­licher Sachen, Rechte und Verpflich­tungen, zu fördern“. In diesem Fall ging es dem Versender darum, durch positive Beurtei­lungen künftige Kunden zu gewinnen. Gleich­zeitig sollte der Adressat das Gefühl bekommen, dass Unter­nehmen kümmere sich auch weiterhin um ihn, was die Wahrschein­lichkeit erhöht, dass er auch künftig kauft.

Der BGH unter­strich in der Entscheidung, dass Werbee­mails ohne Einwil­ligung grund­sätzlich einen Eingriff in das allge­meine Persön­lich­keits­recht des Empfängers darstellen. Dieses schützt den Bereich privater Lebens­ge­staltung und gibt dem Betrof­fenen das Recht, in seinem privaten Leben in Ruhe gelassen zu werden. Nach Art. 13 Abs. 1 der Daten­schutz­richt­linie EK, braucht man für E‑Mail Werbung eine Einwil­ligung. Hieraus leitet der BGH ab, dass der Kunde die Möglichkeit haben muss, Werbung gebüh­renfrei und problemlos abzunehmen.

Kurz geht der BGH auch auf die Frage ein, ob die Verknüpfung mit der Rechnung der Einordnung als unerlaubte Werbung entge­gen­stehe. Das verneint das Bundes­ge­richt. Natürlich sei es erlaubt, eine Rechnung zu übersenden, aber das mache den gleich­zei­tigen Verstoß nicht besser.

Abschließend wägt das Gericht ab. Auf der einen Seite steht der Anspruch des Klägers auf Achtung seiner Privat­sphäre. Auf der anderen Seite steht das berech­tigte Interesse eines Kaufmanns, Werbung zu treiben und mit den Kunden in Kontakt zu treten. Hier verweist das Gericht nun auf die grund­sätz­liche Entscheidung der Rechts­ordnung, E‑Mail Werbung erst einmal als unzumutbare Beläs­tigung zu betrachten. Zwar gibt es in § 7 Abs. 3 UWG eine Ausnahme für die E‑Mail Werbung bei Kunden für ähnliche Produkte oder Dienst­leis­tungen auch ohne ausdrück­liche Einwil­ligung. Dies wäre hier sicherlich einschlägig gewesen. Der BGH vermisste jedoch einen klaren und deutlichen Hinweis darauf, dass der Kunde jederzeit wider­sprechen kann.

Was bedeutet dieses sehr strenge Urteil nun für den Unter­nehmer? Muss man jetzt grund­sätzlich darauf verzichten, bei seinen Bestands­kunden per E‑Mail für weitere Produkte oder Dienst­leis­tungen zu werben? Das sehen wir ganz und gar nicht. Immerhin gibt es den § 7 Abs. 3 UWG, der genau das erlaubt. Es sollte aber besondere Sorgfalt darauf verwendet werden, den Kunden darüber aufzu­klären, dass er weiterer Werbung ganz einfach wider­sprechen kann. Hier lohnt sich also ein kurzer Check der Prozesse im Nachgang von Vertrags­ab­schlüssen und Rechnungsstellung.

2018-11-20T09:34:52+01:0020. November 2018|Wettbewerbsrecht|