Bei den anste­henden Koali­ti­ons­ver­hand­lungen in Bayern wird die CSU nicht vermeiden können, sich mit aktuellen Fragen der Energie- und Klima­po­litik ausein­an­der­zu­setzen. Die Partei hatte seit der Wahl vor fünf Jahren alleine regiert und war mit ganz anderen Themen, vor allem aus dem Bereich Innen- und Migra­ti­ons­po­litik, in den Wahlkampf gezogen. Nach dem schlechten Abschneiden der CSU muss nun wieder ein Koali­ti­ons­partner her – und zwar, das sieht die bayerische Verfassung so vor, in weniger als 30 Tagen. Obwohl die Christ­so­zialen in einer Koalition mit den Grünen eine satte Mehrheit hätten, finden Koali­ti­ons­ver­hand­lungen mit ihnen gar nicht erst statt. Dies liegt nicht nur an den erwartbar unter­schied­lichen Vorstel­lungen in innen- und umwelt­po­li­ti­schen Fragen, sondern auch an einem dann zu befürch­tenden Abstim­mungspatt im Bundesrat. Aller­dings dürfte auch der aktuelle Wunsch-Partner, die Freien Wähler, der CSU einige energie- und umwelt­po­li­tische Kröten zu schlucken geben.

Vor der Wahl, bei der die Freien Wähler der CSU 160.000 Wähler abspenstig machen konnten, hatte Parteichef Hubert Aiwanger mehrfach die Energie­po­litik der bayeri­schen Staats­re­gierung kriti­siert. Anfang Juni hatte Aiwanger seinen Finger tief in die Wunde gelegt, die seiner Meinung nach in Bayern im Bereich der Energie­wende klafft. Das Thema schreie nach einer politi­schen Antwort, die Energie­po­litik der Regierung sei aber zum Still­stand gekommen oder gar „abgesoffen“, wie der Bayer in drasti­schen Worten erklärte. Hervor­ge­hoben hat Aiwanger dabei den Ausbau von Speicher­tech­no­logie, wie beispiels­weise Vorrang für «Power to Gas», sowie den längst überfäl­ligen Bau des Pumpspei­cher­kraft­werks Riedl in der Nähe von Passau. Außerdem hat Aiwanger zugleich die Einrichtung eines eigenen Energie­mi­nis­te­riums gefordert.

Was die Umsetzung der Energie­wende angeht, könnte eine „Bayern-Koalition“ unter Betei­ligung der Freien Wähler vermehrt auf Dezen­tra­li­sierung setzen. Die Freien Wählern wollen dabei auch beim Netzausbau auf die Bremse treten. Vor allem die geplanten HGÜ-Trassen Suedlink und Suedostlink lehnen sie ab, was für Konflikt­stoff sorgen dürfte, da die CSU sich in letzter Zeit zum Netzausbau bekannt hatte und die Planungen sehr weit fortge­schritten sind. Die Freien Wählern begründen ihre Forderung damit, dass die erfor­der­liche Dezen­tra­li­sierung der Strom­ver­sorgung diese Trassen ohnehin bald überflüssig machen dürfte.

Dazu passt auch der Wider­stand der Freien Wähler gegen die Abstands­re­ge­lungen für Windkraft­an­lagen, um auch in Bayern wieder die Planung neuer Anlagen möglich zu machen. Die bayerische Staats­re­gierung hatte einen Mindest­ab­stand einge­führt, der das 10-fache ihrer Höhe beträgt und zu Wohnge­bäuden u.a. in Gebieten mit Bebau­ungs­plänen und im Zusam­menhang mit bebauten Ortsteilen einge­halten werden muss (sog. 10-H-Abstands­regel). Die Freien Wähler hatten versucht, dies gerichtlich zu stoppen, schei­terten damit aber vor dem bayeri­schen Verfas­sungs­ge­richt. Auch in ihrem Wahlpro­gramm bekennen sich die Freien Wähler zum Ausbau der Windkraft in Bayern, wohin­gegen die CSU im Programm an der 10-H-Abstands­regel festhält. Dass der CSU ausge­rechnet beim Thema Dezen­tra­li­sierung von den Freien Wählern „die Schneid abgekauft“ wird, verdeut­licht einmal mehr wie den Christ­so­zialen die Wider­sprüche zwischen den Vorgaben der Berliner großen Koalition und dem bayeri­schem Eigensinn zu schaffen machen.