Als „alter Hase“ in der Energiewirtschaft, können Sie für heute die Seite wieder schließen: Unter “Grundkurs Energie” gehen wir in lockerer Reihe auf Fragen ein, die zum größten Teil von Studenten an der Uni Bielefeld stammen, wo Frau Dr. Vollmer als Lehrbeauftragte Jurastudenten im Wahlschwerpunkt Umweltrecht eine “Einführung in das Energierecht” vermittele. Es geht also um Basics.
Der Berliner Think Tank Agora geht davon aus, dass die EEG-Umlage für das nächste Jahr stabil bleibt. Derzeit beträgt sie 6,79 c/kWh. Bei einem üblichen Verbrauch von ca. 4.000 kWh im Jahr für einen Haushalt mit vier Personen macht die Förderung damit rund 271 EUR aus.
Doch wären – wie manche offenbar glauben – die Stromkosten ohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wirklich geringer? Um das zu beurteilen, werfen wir zunächst einen Blick auf den Fördermechanismus des EEG.
Das EEG fördert auf zwei Wegen. Zum einen erhalten Anlagenbetreiber eine direkte Vergütung über den Netzbetreiber, der den Strom also zu gesetzlich festgelegten Tarifen kauft. In der Vergangenheit war das der Normalfall. Diese für 20 Jahre garantierten Festvergütungen deutlich oberhalb des Börsenpreises für Strom waren erforderlich, um erst einmal Anreize für den Bau und Betrieb von EEG-Anlagen zu setzen. Heute ist das nicht mehr im selben Maße der Fall. Deswegen sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) heute für die meisten neueren Anlagen vor, den erzeugten EE-Strom durch einen Zuschlag, sogenannten Marktprämien, zu fördern. Die Garantievergütungen ebenso wie die Marktprämien fließen aus dem sog. EEG-Konto. Dieses wird von allen Letztverbrauchern gefüllt, also Privaten wie gewerblichen Stromverbrauchern, wobei die Industrie unter bestimmten Voraussetzungen weniger EEG-Umlage zahlt.
Diese Gelder würden nicht fließen, gäbe es das EEG nicht. Aber verteuert es wirklich den Strom um diese 271 EUR? Wer das annimmt, verkennt, dass das EEG gleichzeitig den Strompreis durch eine Verlagerung senkt. Denn für Erneuerbaren Strom gilt das sog. Einspeiseprivileg. Die Netzbetreiber müssen diesen Strom also zuerst abnehmen. Das wiederum heißt: Die Nachfrage nach Elektrizität wird zu einem erheblichen Teil durch EE-Strom gedeckt.
Diese Nachfrageverschiebung in die Erneuerbaren Energien hinein führt zu einer Senkung des Börsenpreises für Strom. Denn dieser bildet sich anhand der sogenannten Merit-Order-Kurve. Dieser Begriff bezeichnet ein Preisbildungsmodell für das einheitliche Produkt Strom, der sich an der Börse bildet. Der Preis entsteht dadurch, dass die zu jedem Zeitpunkt bestehende Nachfrage durch Strom aus Kraftwerken gedeckt wird, die zu brennstoff- wie investitionskostenbedingt unterschiedlich hohen Kosten produzieren. Logisch, dass die Nachfrage nach Strom zunächst durch das Kraftwerk gedeckt wird, das am günstigsten produziert.
Nach und nach werden weitere Kraftwerke angefahren, bis die Nachfrage nach Strom gedeckt ist. Natürlich wird dabei immer auf das jeweils nächstgünstige Kraftwerk zurückgegriffen. Wegen der unterschiedlichen Kostenstrukturen fahren so erst Kernkraftwerke an, dann Kraftwerke, die Braunkohle verstromen, dann Steinkohelkraftwerke, sodann kommt Erdgas zum Einsatz. Das Schlusslicht bildet Heizöl. Irgendwann ist die Nachfrage gedeckt. Das zuletzt aufgerufene Kraftwerk setzt dann den einheitlichen Preis.
Hier kommt nun das EEG zum Tragen. Denn wegen des Einspeisevorrangs nach § 11 Abs. 1 EEG 2017 ist der EE-Strom schon im Netz. Die Merit-Order-Kurve bleibt zwar gleich, verschiebt sich aber deutlich nach rechts, da die Nachfrage nach Strom durch die Menge an Erneuerbaren Energien schließlich nicht verändert wird. Doch durch diese Verschiebung wird ein anderes Kraftwerk als günstigstes noch benötigtes Kraftwerk preisbildend. Der Großhandelspreis für Strom wird also durch das EEG günstiger. Viel EEG-Strom im Netz – etwa bei Wind und Sonnenschein – führt also nicht nur zu einer höheren EEG-Umlage. Gleichzeitig sinkt der Börsenpreis für Strom. Im Ergebnis bedeutet das: Nein, die vierköpfige Familie würde keineswegs 271 EUR im Jahr sparen, gäbe es das EEG nicht. Der „normale“ Strompreis wäre höher. Zwar ist damit sicherlich kein vollständiger Ausgleich verbunden. Doch langfristig erwarten viele, dass EE-Anlagen volkswirtschaftlich günstiger sind und wegen der Gefahren des Klimawandels ohnehin an einem grundlegenden Umbau der Energiewirtschaft kein Weg vorbei führt. Die Appelle der Branche richten sich daher auch nicht gegen einen grundsätzlichen Umbau zu einer dekarbonisierten Energiewirtschaft, sondern eher auf Zeitpläne, Finanzierungsfragen und die gesellschaftliche Aufgabe, den betroffenen Regionen, Arbeitnehmern und Unternehmen Perspektiven aufzuzeigen. Dies soll die sog. Kohlekommission leisten.
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