Größe ist auch nicht alles

Sie haben natürlich gleich gedacht, hier ginge es heute um den Niedergang der ehemals vier Großen der Energie­wirt­schaft in weniger als einem Jahrzehnt. Aber weit gefehlt: Wir sprechen über den Emissionshandel.

Der Emissi­ons­handel hat es bekanntlich schwer. Er funktio­niert zwar insofern, als dass die großen Kraft­werke und Indus­trie­an­lagen, die derzeit für ihre Emissionen Zerti­fikate abgeben müssen, nicht mehr emittieren, als durch die Maximal­menge an Berech­ti­gungen vorge­geben ist. Aller­dings besteht Einigkeit darüber, dass diese Menge an Berech­ti­gungen derzeit noch so hoch ist, dass kein Betreiber deswegen seine Anlage umrüsten müsste.

In Zukunft soll das alles anders werden. Die novel­lierte Emissi­ons­han­dels­richt­linie enthält einen Mecha­nismus, der Überschüsse absaugen und so verhindern soll, dass die Unter­nehmen in Berech­ti­gungen schwimmen. Nicht nur ich erwarte, dass dann die Preise weiter hochgehen werden und der Emissi­ons­handel ernst­hafte Steue­rungs­wirkung entfaltet.

Doch ist diese Erwartung gleich ein ausrei­chender Anlass, den Emissi­ons­handel umgehend auf das Mehrfache seiner derzei­tigen Größe aufzu­pumpen? Weitere Sektoren in den Emissi­ons­handel einzu­be­ziehen? Sollen künftig auch Emissionen aus dem Verkehr, also für den Kohlen­di­oxid­gehalt von Benzin und Diesel, aus der Wärme­ver­sorgung der Haushalte, also für Treib­hausgase aus Heizöl und Erdgas und aus der Landwirt­schaft einbe­zogen werden? Soll etwa jeder Autofahrer künftig Zerti­fikate für seinen Benz an die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) abführen? Muss mein Vater künftig einen Emissi­ons­be­richt für die elter­liche Heizung verfassen?

Ganz so klein­teilig stellen es sich auch die Befür­worter nicht vor. Sie wünschen sich einen so genannten Upstream-Emissi­ons­handel, bei dem nicht der Emittent berichtet, abführt und handelt. Sondern derjenige, der den Brenn­stoff an ihn verkauft. Also nicht der Autofahrer, sondern der Tankstel­len­be­treiber bzw. gar derjenige, der diesem das Benzin verkauft. Nicht mein Vater, sondern sein Gasver­sorger bzw. der Gasim­porteur. Die Letzt­ver­braucher zahlen für die Emissionen dann in Form von Preisaufschlägen.

Eigentlich hört sich das zumindest auf den ersten Blick richtig gut an. Schließlich klagen etwa im Gebäu­de­be­reich viele Unter­nehmen seit Jahren, dass sie für CO2 aus ihrem modernen Heizkraftwerk zahlen, die Häusle­bauer für ihren ineffi­zi­enten Hausbrand aber nicht. Zudem werden Märkte, sagen die Volks­wirte, durch mehr Teilnehmer auch noch viel effizi­enter. Ist Größe – zumindest beim Emissi­ons­handel – also doch ein Garant für mehr Effizienz? Die markt­ver­liebte FDP-Fraktion im Bundestag scheint es so zu sehen. Sie fordert aktuell die Einbe­ziehung weiterer Sektoren in das Emissi­ons­han­dels­system.

Doch wie effizient wäre eine solche Vergrö­ßerung des Emissi­ons­handels wirklich? Ein Klima­schutz­in­strument ist dann wirksam, wenn es effizient zu einer Verrin­gerung der Emissionen beiträgt. Eine solche Minderung tritt dann ein, wenn es für den Adres­saten günstiger ist, zu mindern, als zu kaufen. Bei emissi­ons­han­dels­pflich­tigen Anlagen liegt dieser Punkt, der sog. Fuel Changing Point, bei ca. 25 EUR für ein Zerti­fikat, das jeweils 1 t CO2 abdeckt.

Aber ist das bei Verkehr und Haushalten wirklich vergleichbar? Bei der Heizung sind weder Vermieter noch Eigen­heim­be­sitzer wirklich flexibel. Und auch beim Auto ist es ein Umstieg auf einen anderen Antrieb für die meisten keine wirkliche Alter­native. Der Fuel Changing Point dürfte also viel, viel höher liegen als bei den Anlagen, die jetzt schon am Emissi­ons­handel teilnehmen. Zudem würde in einem Upstream-Modell der Steue­rungs­me­cha­nismus so vermittelt eintreten, dass eine Verhal­tens­lenkung mögli­cher­weise gar nicht eintritt, wie eine Studie des Umwelt­bun­desamts bereits 2014 unter­strich. Damit tritt aber keine Steue­rungs­wirkung ein, wenn ein einheit­licher CO2-Preis alle emittie­renden Sektoren betrifft. Die Staats­kasse würde von den Verstei­ge­rungen profi­tieren. Aber eine echte Minderung der Emissionen wäre eher unwahr­scheinlich. Es spricht also zwar Einiges dafür, CO2 auch in Haushalten und im Verkehr zu bepreisen. Aber eine Einbe­ziehung in den Emissi­ons­handel wäre auch bei steigenden Preisen wohl kein hilfreicher Schritt, um die EU-Klima­ziele zu erreichen.

Wenn es um den Emissi­ons­handel geht, ist mehr Größe also kein Erfolgsrezept.