Anspruch auf Nicht-Löschung von Facebook-Kommentaren
Der Fall, um den es hier geht, ist schnell berichtet: Ein Nutzer postet bei facebook einen polemischen, aber eindeutig nicht rechtswidrigen politischen Kommentar. Anders als in vielen anderen Fällen wird facebook aktiv, löscht den Kommentar und sperrt den Nutzer für 30 Tage. Dieser lässt die Sperre aber nicht auf sich beruhen, sondern verlangt – erst im Wege der Abmahnung, dann gerichtlich – dass facebook den Kommentar nicht weder löscht, wenn er nochmal gepostet wird. Die Sperre hatte das Unternehmen schon vorher wieder aufgehoben. Die Details hat die LTO hier aufgeblättert.
Überraschend gab das Landgericht (LG) Berlin dem Nutzer recht (31 O 21/18). Zwar ist der Beschluss, wie im vorläufigen Rechtsschutz nicht unüblich, unbegründet. Gleichwohl ist die Entscheidung ausgesprochen interessant. Denn natürlich hätte niemand einen Zweifel daran, dass ein Nutzer Anspruch darauf hätte, dass ein legaler Kommentar bei facebook stehen bliebe, wenn der Nutzer Geld dafür bezahlen würde, dass er facebook nutzt. Das ist aber bekanntlich nicht der Fall: Für die Nutzung von facebook fließt kein Geld.
Es liegt deswegen auf den ersten Blick nahe, ein Vertragsverhältnis anzunehmen, das facebook nicht verbindlich verpflichtet, jeden legalen Kommentar eines Nutzers auch zu veröffentlichen. Zu denken wäre etwa an ein Auftragsverhältnis, wenn auch in durch die Nutzungsbedingungen von facebook stark überformter Variante. Wäre dem so, so stünde einer Löschung eines Kommentars nichts entgegen, denn der Auftrag, einen Kommentar zu veröffentlichen, wäre ja gem. § 671 Abs. 1 BGB jederzeit kündbar, zumindest solange der Nutzer seinen Kommentar gem. § 671 Abs. 2 BGB noch irgendwo anders im Internet publizieren kann. Da facebook trotz intensiver Bemühungen noch nicht das gesamte Netz monopolisiert hat, dürfte das stets der Fall sein.
Doch ist der Vertrag zwischen Nutzer und facebook wirklich unentgeltlich? Schließlich verdient facebook ja durchaus an dem Nutzer, nur nicht durch eine direkte Zahlung des Nutzers, sondern durch Nutzung der Daten des Nutzers zu Werbezwecken. Der Nutzer zahlt also durchaus, nur nicht mit Geld. Könnte damit zwischen facebook und Nutzer nicht doch ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB bestehen, wobei die „vereinbarte Vergütung“ hier eben nicht in Geld, sondern in Daten besteht? Bejaht man dies, so ist ein Anspruch des Nutzers auf Veröffentlichung legaler Kommentare die logische Konsequenz. Nach einer solchen Lesart hätte ein Nutzer regelmäßig einen Veröffentlichungsanspruch gegen facebook, wenn er weder gegen das NetzDG, noch gegen ein anderes Gesetz verstößt.
Einen anderen Weg zum Anspruch auf Beibehaltung eines Kommentars weist die vorgestern besprochene Entscheidung des BVerfG vom 11.04.2018. Hat facebook seine Dienste – ob nun unentgeltlich oder nicht – der breiten Öffentlichkeit ohne Ansehung der Person angeboten und ist facebook gleichzeitig für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ein ganz entscheidender Faktor, so kann die mittelbare Drittwirkung facebook dazu verpflichten, einen Nutzer nicht ohne sachlichen Grund – wie etwa Illegalität der Inhalte – schlechter zu behandeln als andere, deren Kommentare zum Beispiel eben nicht gelöscht werden.
In jedem Fall ist die Entscheidung des LG Berlin hochinteressant. Schon deswegen wäre es wünschenswert, wenn facebook gegen den Beschluss des LG Berlin vors Kammergericht (KG) zieht. Will – was angesichts der Brisanz naheliegt – facebook die Sache nicht auf sich beruhen lassen, so wird der Rechtsstreit in jedem Fall noch Kreise ziehen. Denn ein Beschluss im vorläufigen Rechtsschutz schafft keine dauerhafte Regelung. Gibt facebook keine Abschlusserklärung ab, nach der das Unternehmen den Titel dauerhaft anerkennt, muss ein Hauptsacheverfahren stattfinden, in dem die Angelegenheit nicht nur summarisch, sondern mit der ganzen gebotenen Gründlichkeit geklärt werden kann.