Zick Zack mit Preis­schild dran: Entschä­digung für die Atomkonzerne

Wir erinnern uns: Die Regierung Schröder erklärte 2002 den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie, indem jedem Kraftwerk eine Reststrom­menge zugeteilt wurde, die noch produ­ziert werden durfte. Diese Mengen sollten zwischen den Kraft­werken umver­teilt werden dürfen, aber nach Verbrauch des Budgets sollte das Kapitel Kernkraft in Deutschland endgültig beendet werden.

Einen Regie­rungs­wechsel später sah die Welt anders aus. Mit der 11. Atomge­setz­no­velle (AtG-Novelle) 2009 wurde zwar am grund­sätz­lichen Aus für die Techno­logie nicht gerüttelt, aber die zugestan­denen Reststrom­mengen großzügig um im Durch­schnitt zwölf Jahre pro Kraftwerk erhöht. Den Unter­nehmen – damals waren das E.ON, RWE, Vattenfall und die EnBW, wuchs mit dieser Verlän­gerung ein handfester Vorteil zu: Ihre Atomkraft­werke waren auf einmal mehr wert, weil der zu erwar­tende Ertrag schlag­artig stieg. Die Entschä­digung, die am vergan­genen Mittwoch das Bundes­ka­binett passierte, soll den Verlust dieses Vorteils kompensieren.

Wie aber kam es zu diesem Verlust? Nach dem Super-GAU in Fukushima am 11.03.2011 wurden die zusätz­lichen Reststrom­mengen in einer 13. AtG-Novelle wieder kassiert und erstmals absolute Still­le­gungs­termine benannt, die so knapp bemessen waren, dass klar war, dass auch die ursprünglich zugestan­denen und nicht wieder stornierten Reststrom­mengen bis zu diesen Zeitpunkte nicht produ­ziert werden konnten. Die Eigen­tums­po­sition der Betreiber, die sich 2009 erst einmal verbessert hatte, wurde nun also nicht nur schlechter als 2009, sondern sogar schlechter als 2002. Die Unter­nehmen verloren damit viel Geld bzw. die Aussicht auf viel Geld. Deswegen zogen sie – mit Ausnahme der wegen ihres öffent­lichen Anteils­eigners Baden-Württemberg (wir erinnern uns) nicht beschwer­de­be­fugten EnBW – vor das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) und beriefen sich auf den Eigen­tums­schutz aus Art. 14 Grund­gesetz (GG).

Das BVerfG sah anders als die Beschwer­de­führer in dieser 13. AtG-Novelle in einer ausge­sprochen ausführ­lichen Entscheidung vom 06.12.2016 keine Enteignung, sondern eine im Grunde legitime Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung des Eigentums an den Kraft­werken. Insofern ging die Rücknahme der Laufzeit­ver­län­gerung durch. Dass die den Betreibern noch zugestan­denen Reststrom­mengen aber wegen des festen Enddatums von RWE und Vattenfall nur noch theore­tisch, nicht aber praktisch ausge­schöpft werden konnten, sah das BVerfG als verfas­sungs­widrig an. E.ON hatte insofern Glück, als dass im Falle der Düssel­dorfer die Möglichkeit einer Verschiebung der Mengen auf andere AKW bestand, so dass die Reststrom­menge voll ausge­schöpft werden konnte. Ein Verlust wie bei den anderen Unter­nehmen trat deswegen nicht ein. Auch die Entwertung von Inves­ti­tionen, die die Unter­nehmen nach der Laufzeit­ver­län­gerung in gutem Glauben auf deren Bestand getroffen hatten, sah das Gericht nur gegen eine Entschä­digung als verfas­sungs­konform an. Da die 13. AtG-Novelle keine solche Entschä­digung enthielt, gab das BVerfG dem Gesetz­geber auf, eine solche bis zum 30.06.2018 zu schaffen (Urteil v. 06.12.2016, Rz. 399).

Dieser Termin steht jetzt vor der Tür. Das Bundes­ka­binett hat also mit dem Entwurf einer Geset­zes­än­derung als 16. AtG-Novelle keineswegs freiwillig den Betreibern der Atomkraft­werke eine Art Geschenk gemacht, sondern erfüllt eine Pflicht, die ihm das BVerfG aufge­geben hat.

Entspre­chend brach bei den Empfängern auch nicht gerade Jubel aus. Insbe­sondere die Vattenfall ist unzufrieden und sieht den Entwurf als unzurei­chend an. Diese enthalte gerade keine ausrei­chende Kompen­sation gemessen an den Vorstel­lungen des BVerfG. Damit verhält sich das schwe­dische Unter­nehmen kohärent zu seiner bishe­rigen Strategie. Der skandi­na­vische Konzern klagt nämlich derzeit vor einem inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richt auf Entschä­digung gegen die Bundes­re­publik. Hier hat er 5,7 Mrd. EUR geltend gemacht. Die von der Bundes­re­gierung vorge­sehen Entschä­digung dagegen beträgt gerade mal rund 20%.

Doch ist diese Klage von Vattenfall überhaupt zulässig? Manche bezweifeln das nach der aktuellen Recht­spre­chung des EuGH zu solchen Schieds­ge­richten; endgültige Klarheit besteht derzeit nicht. Es bleibt deswegen abzuwarten, ob der nun vorge­legte Entwurf den langen Streit um die Atomkraft­werke wirklich endgültig befrieden kann.