Einwil­ligung in Werbung auf mehreren Kanälen übers Vertragsende hinaus

Gerade in langfris­tigen Verträgen sind Werbe­ein­wil­li­gungen inter­essant. Im umkämpften Energie­markt etwa haben Versorger ein hohes Interesse daran, ihren Kunden neue Tarife anzudienen, bevor die oft zweijährige Vertrags­laufzeit endet und der Kunde sich vielleicht an andere Anbieter bindet. Auch nach Ende des Vertrags­ver­hält­nisses ist es inter­essant, den Kunden mit neuen, noch vorteil­haf­teren Angeboten für sich zurück­zu­ge­winnen. Deswegen enthalten Allge­meine Geschäfts­be­din­gungen (AGB) auch hier oft Einwil­li­gungen des Kunden, Werbung zu erhalten.

Die Grenzen des Zuläs­sigen sind dabei heiss umstritten. Zum einen stellen zu weitge­hende Einwil­li­gungen ein Ärgernis für den Wettbe­werber dar. Zum anderen fühlen sich Verbraucher leicht belästigt, was den Verbrau­cher­schutz auf den Plan ruft. Die nun am 01.02.2018 ergangene Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs (BGH) zu der Einwil­li­gungs­er­klärung eines Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­an­bieters, die mehrere bisher offene Fragen zu Einwil­li­gungen klärt, ist entspre­chend auf Betreiben eines Verbrau­cher­schutz­ver­bands ergangen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um eine Einwil­ligung, die gleich mehrere Werbe­kanäle abdecken sollte. Der Kunde sollte sich per vorfor­mu­lierter AGB mit nur einem Klick einver­standen erklären, per E‑Mail, Telefon, SMS oder MMS Werbung zu erhalten. Auch sollte diese Einwil­ligung nicht mit dem Ende des Vertrags­ver­hält­nisses enden. Vielmehr bezog sich die vorfor­mu­lierte Einwil­ligung auf einen Zeitraum, der das auf das Vertragsende folgende Kalen­derjahr einschließt. Konkret: Endet das Kunden­ver­hältnis 2018, darf mir mein dann ehema­liger Vertrags­partner nach dieser Einwil­ligung bis Ende 2019 Werbung zukommen lassen.

Einem Verbrau­cher­verband ging das zu weit. Er sah die Grund­ge­danken der § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Gesetzes über den unlau­teren Wettbewerb (UWG) als verletzt an. Das Landge­richt (LG) Köln wies die Klage ab (26.10.2016, Az: 26 O 151/16). Das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Köln gab statt (02.06.2017, Az: I‑6 U 182/16). Der BGH entschied nun zugunsten des Unter­nehmens. Die Klausel sei in Ordnung.

Doch wie kommt nun der BGH zu dieser Ansicht? Die zugrunde liegenden Regelungen enthalten erst einmal keine Definition, was eine Einwil­ligung eigentlich ist. Hier hilft deswegen der Rückgriff auf das Europa­recht, dort konkret die Vorschriften für den Daten­schutz, wo Einwil­li­gungen aus nahelie­genden Gründen besondere Bedeutung haben. Hier heißt es in der Richt­linie 95/46 EG, dass eine Einwilligung

jede Willens­be­kundung, die ohne Zwang für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt“

sei. Auf diese Definition stützt sich der BGH in Rn. 19 des Urteils vom 01.02.2018.

Es existiert eine Vielzahl von Urteilen, aus denen hervorgeht, dass ein Verbraucher ganz genau wissen muss, in was er da eigentlich einwilligt. Der Verbraucher muss spezi­fisch in den Erhalt von Werbung einwil­ligen, er muss genau wissen, was eigentlich genau beworben werden soll und die Einwil­ligung darf sich nur auf den Erhalt von Werbung beziehen. Doch anders als die Vorin­stanz hält der BGH es für unpro­ble­ma­tisch, dass der Verbraucher mit einem Klick sozusagen mehrere Werbe­kanäle freischaltet. Ein verstän­diger Durch­schnitts­kunde wüsste genau, was er erklärt. Damit beendet der BGH eine Unklarheit, die u. a. durch eine Entscheidung des LG Berlin (BeckRS 2012, 08644) entstanden ist, das das anders gesehen hat.

Auch in Hinblick auf den Zeitraum, in dem geworben werden darf, schafft der BGH Klarheit. Er stellt fest, dass Einwil­li­gungen kein natür­liches Verfalls­datum haben. Für die hier maximal zwei Jahre ab Vertragsende sei überdies davon auszu­gehen, dass das Verbrau­cher­interesse noch fortbestehe.

Was bedeutet das nun für die Praxis: Viele Unter­nehmen können ihre AGB in diesem Punkt weiter fassen, als es bisher der Fall war. Besonders die Kunden­rück­ge­winnung könnte profi­tieren. Und der Verbraucher, der nach Ende eines Vertrags­ver­hält­nisses nun doch nicht mehr an Angeboten inter­es­siert ist, kann natürlich seine Einwil­ligung jederzeit wider­rufen und erklären, dass er nun doch keine Werbung mehr erhalten will.

 

 

2018-02-26T20:33:19+01:0025. Februar 2018|Allgemein, Wettbewerbsrecht|

Klagen auf den Kitaplatz

Hui. Das scheint ein Thema zu sein, das mehr Leute beschäftigt, als ich dachte. Denn als ich mich gestern bei Twitter wunderte, wieso nicht mehr Leute Kitaplätze für ihre Klein­kinder ab dem ersten Geburtstag einklagen, bekam ich kurz hinter­ein­ander drei Nachrichten. Die eine DM erklärte mich kurzerhand für eine juris­tische Null, die nicht verstehen wolle, dass man nur das einklagen könne, was auch da sei. Die anderen erkun­digten sich, wie denn das eigentlich aussehen solle. Nun habe ich – dies in aller Offenheit – ein solches Verfahren noch nicht geführt. Als Fachan­wältin für Verwal­tungs­recht verstehe ich aber etwas von Klagen gegen die öffent­liche Hand. Daher hier nun in aller Kürze:

§ 24 Abs. 2 SGB VIII lautet:

Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebens­jahres Anspruch auf frühkind­liche Förderung in einer Tages­ein­richtung oder in Kindertagespflege.“

Den Anspruch hat also das Kind. Es geht um seine Förderung durch den Besuch einer Kita oder einer Tages­mutter. Der Bundes­ge­richtshof (BGH) hat aber in einem Urteil vom 20.10.2016 (Az.: III ZR 303/15, dort Rn. 25ff.) festge­stellt, dass nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern Begüns­tigte dieser Regelung sind. Das ist besonders wichtig, wenn die Kommunen den Anspruch nicht erfüllen; wir kommen auf diesen Punkt gleich zurück.

Der Anspruch auf einen Betreu­ungs­platz besteht nicht nur, sofern und soweit freie Plätze existieren. Denn schließlich könnte sich die Kommune ja ansonsten dadurch aus der Bredouille ziehen, indem sie schlicht keine Hand für mehr Betreu­ungs­plätze rührt. Dies ist aber nicht möglich: Die Träger der Jugend­hilfe (meist die Kommunen, bzw. deren Jugend­ämter, dieses regelt das Landes­recht) haben gefäl­ligst Betreu­ungs­plätze zu schaffen. Dies hat auch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) klarge­stellt, das in seiner Entscheidung zum Betreu­ungsgeld vom 21.05.2015 (1 BvF 2/13, dort Rn. 43) zum Kitaan­spruch ausführt:

Nach § 24 Abs. 2 SGB VIII besteht diesbe­züglich ein einklag­barer Leistungs­an­spruch, der nicht unter Kapazi­täts­vor­behalt gestellt ist.“

Damit ist klar: Das Jugendamt muss dem Kind einen Platz zuweisen, wenn die Eltern keinen gefunden haben.

Wer also trotz aller Bemühungen keinen Platz findet, muss sich erst einmal an das zuständige Jugendamt wenden und einen Antrag auf Zuweisung eines Kitaplatzes stellen. Einen bindende Frist, wann dies zu erfolgen hat, steht nicht im SGB VIII. Mögli­cher­weise lohnt sich hier bezüglich der Forma­li­täten ein Blick ins Landes­recht. Aber mindestens drei Monate sollte man dem Jugendamt schon aus prakti­schen Gründen einräumen. Der Verwal­tungs­ge­richtshof (VGH) München hat mit Urt. v. 22.07.2016 noch einmal klarge­stellt, dass das Jugendamt einen Platz organi­sieren muss und dies nicht den Eltern aufer­legen darf. Wenn das Jugendamt keinen Platz findet, wird es diesen Antrag ablehnen. Gegen diesen Ableh­nungs­be­scheid kann – wie immer gilt: Fristen beachten! – Wider­spruch eingelegt werden. Bekommt das Kind dann immer noch keinen Platz, kann geklagt werden. Sollte das alles unzumutbar lange dauern oder gar keine Reaktion erfolgen, kann über Untätig­keits­klage und/oder den Eilrechts­schutz versucht werden, doch noch recht­zeitig einen Kitaplatz zu bekommen.

Doch trotz dieser an sich klaren Rechtslage bleibt es Eltern wohl auch künftig nicht erspart, ab Geburt des Kindes bei den Kitas der Umgebung zu anticham­brieren und bei Kitalei­te­rinnen Werbung für die eigene Familie zu machen. Denn einen Anspruch auf die Wunschkita oder ein Wunsch­konzept gibt es nicht. Mit geringen Einschrän­kungen muss man, findet man selbst keinen Platz, nehmen, was die Jugend­ämter einem zuweisen. Insbe­sondere dann, wenn ein Elternteil ab Kitastart nicht wieder arbeiten wird,

Doch natürlich hat auch dies seine Grenzen. Der Platz darf nicht zu weit weg sein und er darf auch nicht teurer sein als ein städti­scher Kitaplatz. Notfalls muss das Jugendamt einen Ausgleichs­beitrag leisten (VGH München, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 01.09.2016,  Az.: 7 A 10849/15). Natürlich muss der Platz auch quali­tativ zumutbar sein, also zumindest den gesetz­lichen Vorgaben bezüglich Betreu­ungs­schlüssel etc. entsprechen.

Hilft das alles nichts, und der Träger der Jugend­hilfe verschafft entweder keinen Kitaplatz oder erst ab einem späteren Zeitpunkt, als man beantragt, wandelt sich der Anspruch auf den Platz in einen Schadens­er­satz­an­spruch um. Es greifen die Grund­sätze der Amtshaftung. Danach muss die öffent­liche Hand den Schaden ersetzen, der entstanden ist, weil er, salopp gesagt, seinen Job nicht gemacht hat. Dies betrifft besonders entgan­genes Arbeits­entgelt, weil ein Elternteil länger pausieren musste als geplant. Dass es diesen Anspruch grund­sätzlich gibt, hat der BGH in seiner bereits zitierten Entscheidung vom 20.10.2016 klarge­stellt. Wie sich der Anspruch konkret bemisst, muss jeweils im Einzelfall festge­stellt werden. Wie immer bei Amtshaf­tungs­an­sprüchen ist Verschulden nötig, aber hier dürften die Fallkon­stel­la­tionen eher selten sein, in denen Städte die aktuelle Mangel­si­tuation nicht verschuldet haben.

Klar ist danach aber: Der Träger der Jugend­hilfe darf sich nicht zurück­lehnen. Er hat Eltern einen Kitaplatz ab dem ersten Geburtstag zu verschaffen. Eltern abwimmeln und auf fehlende Plätze verweisen darf er nicht. Es lohnt sich also, so früh wie möglich den Kontakt zur Behörde aufzu­nehmen, wenn sich abzeichnet, dass die Wunsch­kitas das Kind nicht aufnehmen können. Zu verdeut­lichen, ab wann man den Platz braucht, auf die konkreten Umstände (Wann endet die Elternzeit? Wie viel soll gearbeitet werden?) hinzu­weisen und unmiss­ver­ständlich die Zuweisung eines Platzes zu beantragen. Wie immer im Leben gilt auch hier: Reden hilft. Und für den Fall, dass alle Stricke reissen, lohnt es sich sicher auch, frühzeitig und schriftlich, aber höflich darauf aufmerksam zu machen, dass den Eltern ernst­hafte finan­zielle Nachteile erwachsen, wenn es keinen Platz gibt.

2018-02-23T07:16:42+01:0022. Februar 2018|Allgemein, Verwaltungsrecht|

Jameda vorm BGH: Zur Neutra­lität von Bewertungsportalen

Das Arztbe­wer­tungs­portal Jameda sei mit Urteil vom 20.02.2018 vorm Bundes­ge­richtshof (BGH) unter­legen, geht durch die Presse. Die klagende Ärztin hätte sich mit daten­schutz­recht­lichen Argumenten durch­ge­setzt. Schaut man genauer hin, bietet sich jedoch durchaus ein diffe­ren­zier­teres Bild:

Die klagende Ärztin war unzufrieden, weil auf der Seite von Jameda auch ihre Daten auftauchten und Patienten sie bewerten konnten. Ihre Klage richtete sich also auf Unter­lassung. Sie wollte ihre Daten löschen lassen, ebenso die sie betref­fenden Bewer­tungen und auf Jameda gar nicht mehr auftauchen.

Bei diesen Bewer­tungen verhielt Jameda sich neutral. Ärzte konnten sich also keine guten Bewer­tungen kaufen. Aber im zweiten Schritt unter­schied Jameda dann doch zwischen zahlenden und nicht zahlenden Ärzten: Neben den Profilen von Nicht­zahlern wurden Profile zahlender Ärztinnen und Ärzte aus der Umgebung mit Bewer­tungen und der Angabe, wie weit deren Praxen von der angezeigten Praxis entfernt ist. Überspitzt gesagt: Wenn eine Ärztin oder ein Arzt nicht zahlt, wurden poten­tielle Patien­tinnen und Patienten von seiner Praxis wegge­lockt. So empfand es wohl jeden­falls die Klägerin.

Das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Köln hatte im vergan­genen Jahr mit Urteil vom 05.01.2017 im Berufungs­ver­fahren die Klage als unbegründet angesehen und sich dabei auf eine Recht­spre­chung des BGH aus 2014 berufen (VI ZR 358/13). Danach stellt die Speicherung der perso­nen­be­zo­genen Daten der erfassten Ärzte keine unzulässige Daten­spei­cherung dar. Ärzte konnten also nicht die Löschung verlangen, weil der BGH gem.  § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bundes­da­ten­schutz­gesetz (BDSG) kein schutz­wür­diges Interesse bejahte. Für Jameda spreche Art. 5 Abs. 1 Grund­gesetz (GG), Ärzte seien unfairen Bewer­tungen gegenüber nicht schutzlos, sowieso nur die Sozial­sphäre betroffen und ihre Daten ohnehin frei verfügbar.

Diese Recht­spre­chung gibt der BGH nunmehr keineswegs auf. Er modifi­ziert sie lediglich in in Hinblick auf das „Weglocken“ von den Profilen nicht zahlender Ärzte. Dieser Aspekt war im 2014 entschie­denen Fall zwar angesprochen worden, aber erst in der Revision vorm BGH, und damit zu spät, vorge­tragen. Hier hat der BGH nunmehr klarge­stellt, dass Jameda hier gerade nicht neutral Infor­ma­tionen vermittelt. Sondern ihr Werbe­an­gebot betreibt. Werbung zu machen, ist aber nicht genauso schutz­würdig wie die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Kommu­ni­ka­ti­ons­freiheit. Deswegen tritt bei der Abwägung der Inter­essen der Klägerin als nicht zahlender Ärztin und dem Portal Jameda deren Interesse zurück. Wenn damit aber kein schutz­wür­diges Interesse von Jameda besteht, hat die Ärztin einen Anspruch auf Löschung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG.

In der Praxis wird aber wohl umgekehrt ein Schuh daraus: Ärzte können sich gegen das Bewer­tungs­portal Jameda nach wie vor nur dann wehren, wenn Jameda nicht als neutrale Bewer­tungs­plattform auftritt. Wenn die Patienten von den nicht zahlenden Ärzten also nicht mehr oder weniger wegge­lockt werden als von den zahlenden Medizinern, müssen diese weiter damit leben, dass ihre perso­nen­be­zo­genen Daten und die Bewer­tungen im Netz bleiben.

2018-02-21T16:44:54+01:0021. Februar 2018|Allgemein, Datenschutz|