Natur­strom aus dem Wald

Wegen der Abstands­er­for­der­nisse zur Wohnbe­bauung konzen­triert sich die Stand­ort­suche für Windener­gie­an­lagen (WEA) zunehmend auf einsamere Gegenden. In Frage kommen dabei durchaus auch Wälder. Zwar bestehen wegen der ökolo­gi­schen Funktion und des landschafts­prä­genden Charakters der Wälder hier oft Vorbe­halte. Aller­dings ist Wald nicht gleich Wald: Während naturnahe Laub- und Misch­wälder eine hohe Bedeutung für die Arten­vielfalt haben, besteht ein großer Teil aus Wirtschaftswald, insbe­sondere Kiefern- oder Fichten­mo­no­kul­turen. Dort können Eingriffe durch den Bau von Windener­gie­an­lagen weniger Schaden anrichten. Zudem kommt zumindest eine, durch WEA besonders gefährdete Art, nämlich der Rotmilan (lat. Milvus milvus) in geschlos­senen Waldge­biete kaum vor. Denn er bevorzugt offene, reich struk­tu­rierte Landschaften.

Auch in wenig natur­nahen Waldge­bieten müssen bei der Planung von WEA arten­schutz- und waldrecht­liche Vorgaben selbst­ver­ständlich beachtet werden. Insbe­sondere, wenn in Waldge­bieten viele Fleder­mäuse oder gefährdete Großvögel wie Schwarz­störche oder Uhus vorkommen, ist an die Zugriffs­verbote des § 44 Bundes­na­tur­schutz­gesetz (BNatSchG) zu denken. Hier müssen im Vorfeld u.U. Maßnahmen zur Schutz der Tierwelt ergriffen werden. Im Übrigen ist der Bau der Anlagen mit Eingriffen nach § 14 f BNatSchG verbunden, die nach Möglichkeit vermieden oder minimiert werden und – soweit sie unver­meidbar sind – kompen­siert werden müssen.

Weiterhin ist für den Bau einer Windkraft­anlage eine forst­recht­liche „Umwand­lungs­ge­neh­migung“ erfor­derlich.  Bei der heutigen Anlagenhöhe ist das Windrad selbst zwar weit über den Baumwipfeln. Dennoch müssen für das Fundament, die Montage und für das Verlegen der Kabel Waldstücke gerodet werden, die zum Teil wieder aufge­forstet werden können. Pro WEA wird aber mit einem dauer­haften Verlust von durch­schnittlich etwa 0,64 Hektar Waldfläche gerechnet. Auch dieser Eingriff in den Wald muss nach den Landes­forst­ge­setzen kompen­siert werden.

Da kleine Anlagen in geschlos­senen Waldge­bieten keinen Sinn haben, ist schließlich auch eine immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­migung nach § 4 des Bundes­im­mis­si­ons­schutz­gesetz (BImSchG) nötig. Denn die ist für alle Anlagen über 50 m Höhe erfor­derlich. Da das immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungs­ver­fahren nach § 13 BImSchG Konzen­tra­ti­ons­wirkung entfaltet, fließen andere recht­liche Vorgaben, wie etwa die arten­schutz­recht­liche Geneh­migung hier mit ein. Nach § 10 Abs. 5 BImSchG holt die die für die immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­migung zuständige Behörde die Stellung­nahme der anderen Behörden, u.a. der Forst­be­hörde ein, und koordi­niert die verschie­denen Geneh­mi­gungs­ver­fahren (Olaf Dilling).

2020-08-27T17:39:04+02:0027. August 2020|Allgemein, Erneuerbare Energien, Naturschutz, Strom|

Selbst verschuldete Flauten

Für Journa­listen bietet die Windener­gie­branche immer wieder Anlass für eingängige Metaphern. Allen voran und auch aktuell wieder ist von „Flaute“ in der Windener­gie­branche die Rede. Das ist kaum verwun­derlich, gilt doch Wind als eins der unzuver­läs­sigsten Natur­er­eig­nisse: Metaphern von „windigen Geschäften“ oder dem „Fähnchen im Wind“ als Symbol für Wechsel­haf­tigkeit und Oppor­tu­nismus sprechen eine klare Sprache. Dies ist im öffent­lichen Bewusstsein tief verankert. Daran ändert auch nicht, wenn gleicher­maßen bekannt ist, dass in einigen Gebieten, am Meer oder auf den Bergen, der Wind so zuver­lässig aus der vorherr­schenden Windrichtung weht, dass sogar die Bäume irgendwann schief wachsen.

Tatsächlich sind die Zeitungen der letzten Wochen voll von Pleiten, Pech und Pannen, was die Windenergie angeht. Der Ausbau der Windenergie sei im ersten Halbjahr 2019 fast zum Erliegen gekommen. Gerade mal 35 neue Anlagen sind in ganz Deutschland dazu gekommen. Dementspre­chend schlecht geht es der Branche. Bereits im Jahr 2017 sind nach der Antwort der Bundes­re­gierung auf eine kleine Bundes­tags­an­frage der LINKEN rund 26.000 Arbeits­plätze abgebaut worden, ohne dass der Trend bisher aufge­halten werden konnte. Aktuell steht in Stuttgart ein promi­nenter Gründer der Branche vor Gericht, um sich wegen Insol­venz­ver­schleppung zu verantworten.

Nun ist der aktuelle Niedergang der Branche nicht natur­ge­geben. Trotz Beibe­haltung der umwelt­po­li­ti­schen Ausbau­ziele sind vielmehr die recht­lichen Rahmen­be­din­gungen und die Akzeptanz in der Bevöl­kerung die begren­zenden Faktoren. Aller­dings ist es auch nicht so ganz einfach, den Schul­digen zu finden: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die für die drastische Reduzierung des Zuwachses verant­wortlich gemacht werden:

  1. pauschale Abstands­re­ge­lungen, wie in Bayern, die Neupla­nungen fast unmöglich machen
  2. langwierige Geneh­mi­gungs- und Gerichts­ver­fahren mit Klagen von Nachbarn oder Umweltverbänden
  3. ein (missglückter) Versuch, Bürger­en­er­gie­ge­sell­schaften im Ausschrei­bungs­ver­fahren zu privi­le­gieren und dadurch die Akzeptanz zu erhöhen
  4. eine Deckelung des Ausbaus durch die Bundes­netz­agentur (BNetzA) zur Vermeidung von Überkapazitäten
  5. ein weiterhin schlep­pender Ausbau der Netz-Infrastruktur

Zuletzt ist die BNetzA von Branchen­ver­bänden der erneu­er­baren Energie, von den Grünen und dem Land Nieder­sachsen für diese Deckelung kriti­siert worden, insbe­sondere, da sie zuvor auch beim Ausbau der Netzin­fra­struktur gebremst hätte. Der Vizeprä­sident der BNetzA, Peter Franke, entgegnet, dass die Obergrenze in den letzten Jahren ohnehin nicht ausge­schöpft worden sei.

Da der Windener­gie­ausbau für das Erreichen der Klima­ziele weiterhin nötig ist, muss die Politik wieder an Gestal­tungs­fä­higkeit gewinnen. Daher will sich Bundes­wirt­schafts­mi­nister Peter Altmaier Anfang September mit den Branchen­ver­bänden treffen. Es ist zu hoffen, dass die Gründe für den Abwärts­trend zutreffend analy­siert und geeignete Maßnahmen zur Förderung gefunden werden. Sonst heißt es in der Presse wieder: „Viel Wind um nichts“, wetten?

2019-08-23T15:03:24+02:0023. August 2019|Allgemein, Erneuerbare Energien, Strom|

Frischer Wind für das Helgo­länder Papier?

Es nützt ja nichts, für erneu­erbare Energien auf dem Papier immer neue Ausbau­ziele zu projek­tieren, wenn es dafür in der Fläche keine brauch­baren Standorte mehr gibt. Bei Planungen von Windkraft­an­lagen stellt sich zwangs­läufig die Frage nach dem Natur­schutz. Grade ein in der Nähe befind­liches Brutvor­kommen, wichtige Rastplätze oder Haupt­zug­routen von Großvögeln können sich dann vor Ort als unüber­wind­liche Hinder­nisse erweisen. Die Einschrän­kungen für Planungen ergeben sich außerhalb von Schutz­ge­bieten vor allem aus dem arten­schutz­recht­lichen Tötungs­verbot in § 44 Bundes­na­tur­schutz­gesetz. Diese Norm wird zwar, wie wir bereits an andere Stelle ausge­führt haben, nicht bloß auf vorsätz­liche Tötungen angewandt, sondern auch auf Handlungen, als deren Folge Tiere eher als „Kolla­te­ral­schaden“ umkommen. Aller­dings gibt das Gesetz kaum Auskunft über die dabei anwend­baren Kriterien und auch wissen­schaftlich ist vieles ungeklärt.

Daher richtet sich in Deutschland die Praxis vor allem nach dem sogenannten „Helgo­länder Papier“, genauer gesagt, den Abstands­re­ge­lungen der Länder­ar­beits­ge­mein­schaft der Vogel­schutz­warten. Darin werden detail­liert Abstände für unter­schied­liche Vogel­arten empfohlen. Das Papier wurde zuletzt 2015 überar­beitet, wobei beispiels­weise der Abstand zur Brutstätte zum Schutz von Rotmi­lanen von 1000 auf 1500 Metern herauf­ge­setzt wurde. Zusätzlich soll innerhalb eines Radius von 4000 Metern um das Nest geprüft werden, ob Orte zur Nahrungs­auf­nahme oder ähnlichem häufig angeflogen werden, so dass entspre­chend Flugschneisen freige­halten werden müssen. Tatsächlich handelt es sich bei Rotmi­lanen um eine weltweit gefährdete Art, mit einem Vorkommen von 50% des weltweiten Bestandes in Deutschland. Da Rotmilane gerne in halbof­fenen Landschaften in Thermiken oder Aufwinden kreisen, ohne Rotor­blättern gezielt auszu­weichen, kommt es besonders häufig zu Totfunden unter Windkraftanlagen.

Mögli­cher­weise kann die Technik „smarter“ Windener­gie­an­lagen helfen, die Konflikte zwischen Natur­schutz und Windenergie zu entschärfen. Aktuell soll in Sachsen-Anhalt, wo besonders viele Milane brüten, eine Art Vogel­radar vorge­stellt werden, der in der Schweiz entwi­ckelt wurde. Innerhalb von 30 Sekunden soll er die Windkraft­anlage abschalten, sobald sich ein Vogel der Anlage innerhalb einer Zone von 500 Metern nähert. Dabei soll das Programm erkennen, um welche Vogelart es sich handelt. Falls das Umwelt­mi­nis­terium in Magdeburg sich von dem Vogel­radar überzeugen lässt, wird sich rechtlich die Frage stellen, ob deshalb Abwei­chungen von den Abstands­re­ge­lungen möglich sind. Grund­sätzlich handelt es sich bei dem Helgo­länder Papier, aber auch bei entspre­chenden Leitlinien der Länder, wie sie etwa in Sachsen-Anhalt erlassen wurden, streng genommen um keine rechtlich zwingenden Anfor­de­rungen. Vielmehr sind es typischer­weise normin­ter­pre­tie­rende Verwal­tungs­vor­schriften ohne direkte Bindungs­wirkung. In der Praxis werden sie dennoch in der Regel die Entschei­dungen der Planungs- und Geneh­mi­gungs­be­hörden bestimmen. Aller­dings dürften mit entspre­chend erhöhtem Begrün­dungs­aufwand im Einzelfall Ausnahmen möglich sein.

2019-02-06T10:34:39+01:006. Februar 2019|Allgemein, Umwelt|