Wie der Wind sich hebt: Klage gegen Windpark Hohfleck erfolgreich

Die Geneh­migung für Windener­gie­an­lagen ist ein anspruchs­volles Unter­fangen. Es gibt viele (vielleicht sogar zu viele) Belange, die man zwingend beachten muss und die dann auch rechtlich relevant werden können. Gegen die Geneh­migung für die Errichtung und den Betrieb von fünf Windener­gie­an­lagen für den Windpark Hohfleck/Sonnenbühl war zuletzt ein Umwelt­verband teilweise am 11.12.2023 vor dem Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg erfolg­reich. Seit dem 13.03.2024 liegen die Urteils­gründe vor. Wieder einmal ging es u.a. um den Rotmilan.

Noch vor dem VG Sigma­ringen war es 2019 hinsichtlich dieses Vorhabens um die denkmal­schutz­recht­lichen Belange des nahege­le­genen Schlosses Lichten­stein gegangen. Diese standen dem Vorhaben nicht entgegen. Vor dem VGH ging es um die pauschale Abschaltung während der Brutzeit durch ein automa­ti­sches Abschalt­system und die immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­migung von 2022. Schutz­maß­nahmen gibt es zwar. Insbe­sondere verbietet die Geneh­migung den Betrieb der Windkraft­an­lagen in der Brutzeit des Rotmilans vom 1. März bis zum 15. September eines Jahres zwischen Sonnen­aufgang und Sonnen­un­tergang. Zudem sieht die Geneh­migung jedoch vor, dass zukünftig ein bis dahin in Deutschland allgemein auch für Waldstandorte einge­führtes und verifi­ziertes Abschalt­system, das den Anfor­de­rungen der dann geltenden Rechtslage entspricht, unter bestimmten Voraus­set­zungen in Abstimmung und mit schrift­licher Zustimmung der Geneh­mi­gungs­be­hörde instal­liert werden könne. Hiergegen war der Umwelt­verband erfolgreich.

Die Geneh­mi­gungs­be­hörde habe hinsichtlich der betrof­fenen Greif­vo­gel­arten Rot- und Schwarz­milan zwar zu Recht angenommen, dass das Tötungs­risiko mit den angeord­neten Abschalt­zeiten (1. März bis 15. September zwischen Sonnenauf- und Sonnen­un­tergang) unter die Signi­fi­kanz­schwelle gesenkt wird. Rechts­widrig sei hingegen die Regelung zur Möglichkeit der zukünf­tigen Instal­lation eines bis dahin in Deutschland allgemein auch für Waldstandorte einge­führten und verifi­zierten Abschalt­systems anstelle der pauschalen Abschaltung.

Diese Regelung sei im Zeitpunkt des Erlasses der angefoch­tenen Geneh­migung nicht geneh­mi­gungs­fähig gewesen, entschied der VGH. Ohne Abschalt­konzept und dessen Validierung lasse sich nicht feststellen, ob ein solches System geeignet sei, um anstelle der grund­sätzlich zuläs­sigen Pauschal­ab­schaltung das Tötungs­risiko für den Rot- und Schwarz­milan unter die Signi­fi­kanz­schwelle zu senken, so die Mannheimer Richter. Die Verla­gerung dieser Prüfung in ein nachge­la­gertes Abstim­mungs- und Zustim­mungs­ver­fahren sei nicht zulässig. Indem die eigent­liche Eignungs­prüfung des Abschalt­systems aus dem Geneh­mi­gungs­ver­fahren in ein nachge­la­gertes Verfahren ausge­gliedert und die Instal­lation nur von der Zustimmung der Geneh­mi­gungs­be­hörde abhängig gemacht werde, würden die Regelungen über die Öffent­lich­keits­be­tei­ligung und die Kontroll­mög­lich­keiten durch Umwelt­ver­ei­ni­gungen unzulässig beschnitten. Dieses Vorgehen wider­spreche dem Regelungs­regime des Bundes-Immis­si­ons­schutz­ge­setzes zur Änderung geneh­mi­gungs­be­dürf­tiger Anlagen (vgl. §§ 15, 16 und 16a BImSchG). (Dirk Buchsteiner)

 

Natur­strom aus dem Wald

Wegen der Abstands­er­for­der­nisse zur Wohnbe­bauung konzen­triert sich die Stand­ort­suche für Windener­gie­an­lagen (WEA) zunehmend auf einsamere Gegenden. In Frage kommen dabei durchaus auch Wälder. Zwar bestehen wegen der ökolo­gi­schen Funktion und des landschafts­prä­genden Charakters der Wälder hier oft Vorbe­halte. Aller­dings ist Wald nicht gleich Wald: Während naturnahe Laub- und Misch­wälder eine hohe Bedeutung für die Arten­vielfalt haben, besteht ein großer Teil aus Wirtschaftswald, insbe­sondere Kiefern- oder Fichten­mo­no­kul­turen. Dort können Eingriffe durch den Bau von Windener­gie­an­lagen weniger Schaden anrichten. Zudem kommt zumindest eine, durch WEA besonders gefährdete Art, nämlich der Rotmilan (lat. Milvus milvus) in geschlos­senen Waldge­biete kaum vor. Denn er bevorzugt offene, reich struk­tu­rierte Landschaften.

Auch in wenig natur­nahen Waldge­bieten müssen bei der Planung von WEA arten­schutz- und waldrecht­liche Vorgaben selbst­ver­ständlich beachtet werden. Insbe­sondere, wenn in Waldge­bieten viele Fleder­mäuse oder gefährdete Großvögel wie Schwarz­störche oder Uhus vorkommen, ist an die Zugriffs­verbote des § 44 Bundes­na­tur­schutz­gesetz (BNatSchG) zu denken. Hier müssen im Vorfeld u.U. Maßnahmen zur Schutz der Tierwelt ergriffen werden. Im Übrigen ist der Bau der Anlagen mit Eingriffen nach § 14 f BNatSchG verbunden, die nach Möglichkeit vermieden oder minimiert werden und – soweit sie unver­meidbar sind – kompen­siert werden müssen.

Weiterhin ist für den Bau einer Windkraft­anlage eine forst­recht­liche „Umwand­lungs­ge­neh­migung“ erfor­derlich.  Bei der heutigen Anlagenhöhe ist das Windrad selbst zwar weit über den Baumwipfeln. Dennoch müssen für das Fundament, die Montage und für das Verlegen der Kabel Waldstücke gerodet werden, die zum Teil wieder aufge­forstet werden können. Pro WEA wird aber mit einem dauer­haften Verlust von durch­schnittlich etwa 0,64 Hektar Waldfläche gerechnet. Auch dieser Eingriff in den Wald muss nach den Landes­forst­ge­setzen kompen­siert werden.

Da kleine Anlagen in geschlos­senen Waldge­bieten keinen Sinn haben, ist schließlich auch eine immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­migung nach § 4 des Bundes­im­mis­si­ons­schutz­gesetz (BImSchG) nötig. Denn die ist für alle Anlagen über 50 m Höhe erfor­derlich. Da das immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungs­ver­fahren nach § 13 BImSchG Konzen­tra­ti­ons­wirkung entfaltet, fließen andere recht­liche Vorgaben, wie etwa die arten­schutz­recht­liche Geneh­migung hier mit ein. Nach § 10 Abs. 5 BImSchG holt die die für die immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­migung zuständige Behörde die Stellung­nahme der anderen Behörden, u.a. der Forst­be­hörde ein, und koordi­niert die verschie­denen Geneh­mi­gungs­ver­fahren (Olaf Dilling).

2020-08-27T17:39:04+02:0027. August 2020|Allgemein, Erneuerbare Energien, Naturschutz, Strom|

Selbst verschuldete Flauten

Für Journa­listen bietet die Windener­gie­branche immer wieder Anlass für eingängige Metaphern. Allen voran und auch aktuell wieder ist von „Flaute“ in der Windener­gie­branche die Rede. Das ist kaum verwun­derlich, gilt doch Wind als eins der unzuver­läs­sigsten Natur­er­eig­nisse: Metaphern von „windigen Geschäften“ oder dem „Fähnchen im Wind“ als Symbol für Wechsel­haf­tigkeit und Oppor­tu­nismus sprechen eine klare Sprache. Dies ist im öffent­lichen Bewusstsein tief verankert. Daran ändert auch nicht, wenn gleicher­maßen bekannt ist, dass in einigen Gebieten, am Meer oder auf den Bergen, der Wind so zuver­lässig aus der vorherr­schenden Windrichtung weht, dass sogar die Bäume irgendwann schief wachsen.

Tatsächlich sind die Zeitungen der letzten Wochen voll von Pleiten, Pech und Pannen, was die Windenergie angeht. Der Ausbau der Windenergie sei im ersten Halbjahr 2019 fast zum Erliegen gekommen. Gerade mal 35 neue Anlagen sind in ganz Deutschland dazu gekommen. Dementspre­chend schlecht geht es der Branche. Bereits im Jahr 2017 sind nach der Antwort der Bundes­re­gierung auf eine kleine Bundes­tags­an­frage der LINKEN rund 26.000 Arbeits­plätze abgebaut worden, ohne dass der Trend bisher aufge­halten werden konnte. Aktuell steht in Stuttgart ein promi­nenter Gründer der Branche vor Gericht, um sich wegen Insol­venz­ver­schleppung zu verantworten.

Nun ist der aktuelle Niedergang der Branche nicht natur­ge­geben. Trotz Beibe­haltung der umwelt­po­li­ti­schen Ausbau­ziele sind vielmehr die recht­lichen Rahmen­be­din­gungen und die Akzeptanz in der Bevöl­kerung die begren­zenden Faktoren. Aller­dings ist es auch nicht so ganz einfach, den Schul­digen zu finden: Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die für die drastische Reduzierung des Zuwachses verant­wortlich gemacht werden:

  1. pauschale Abstands­re­ge­lungen, wie in Bayern, die Neupla­nungen fast unmöglich machen
  2. langwierige Geneh­mi­gungs- und Gerichts­ver­fahren mit Klagen von Nachbarn oder Umweltverbänden
  3. ein (missglückter) Versuch, Bürger­en­er­gie­ge­sell­schaften im Ausschrei­bungs­ver­fahren zu privi­le­gieren und dadurch die Akzeptanz zu erhöhen
  4. eine Deckelung des Ausbaus durch die Bundes­netz­agentur (BNetzA) zur Vermeidung von Überkapazitäten
  5. ein weiterhin schlep­pender Ausbau der Netz-Infrastruktur

Zuletzt ist die BNetzA von Branchen­ver­bänden der erneu­er­baren Energie, von den Grünen und dem Land Nieder­sachsen für diese Deckelung kriti­siert worden, insbe­sondere, da sie zuvor auch beim Ausbau der Netzin­fra­struktur gebremst hätte. Der Vizeprä­sident der BNetzA, Peter Franke, entgegnet, dass die Obergrenze in den letzten Jahren ohnehin nicht ausge­schöpft worden sei.

Da der Windener­gie­ausbau für das Erreichen der Klima­ziele weiterhin nötig ist, muss die Politik wieder an Gestal­tungs­fä­higkeit gewinnen. Daher will sich Bundes­wirt­schafts­mi­nister Peter Altmaier Anfang September mit den Branchen­ver­bänden treffen. Es ist zu hoffen, dass die Gründe für den Abwärts­trend zutreffend analy­siert und geeignete Maßnahmen zur Förderung gefunden werden. Sonst heißt es in der Presse wieder: „Viel Wind um nichts“, wetten?

2019-08-23T15:03:24+02:0023. August 2019|Allgemein, Erneuerbare Energien, Strom|