(Neue) Recht­liche Anfor­de­rungen an Preisanpassungsmitteilungen

In Zeiten steigender Energie­be­zugs­preise haben Energie­ver­sorger bei der Lieferung von Strom und Gas das Bedürfnis Preis­stei­ge­rungen beim Energie­bezug, aber auch erhöhte Steuern, Abgaben oder Umlagen in Gestalt einer Preis­an­passung an ihre Kunden weiterzugeben.

Das ist auch grund­sätzlich zulässig, sofern der Vertrag ein wirksames vertrag­liches Preis­an­pas­sungs­recht enthält und dieses korrekt ausgeübt wird. Zu den formalen Anfor­de­rungen an eine Preis­an­passung gehört (auch) die korrekte Preisanpassungsmitteilung.

Haben viele Versorger hier in der Vergan­genheit oftmals zu eher wolkigen Formu­lie­rungen gegriffen und auf „allge­meine Verteue­rungen“ oder „die Kosten der Energie­wende“ verwiesen, hat der Gesetz­geber seit August diesen Jahres die Anfor­de­rungen an den Inhalt von Preis­an­pas­sungs­mit­tei­lungen deutlich erhöht – und das mutmaßlich unbemerkt von weiten Teilen der Branche.

In § 41 Abs. 5 EnWG heißt es dazu:

Energie­lie­fe­ranten, die sich im Vertrag das Recht vorbe­halten haben, die Vertrags­be­din­gungen einseitig zu ändern, haben Letzt­ver­braucher recht­zeitig, in jedem Fall vor Ablauf einer Abrech­nungs­pe­riode, auf einfache und verständ­liche Weise über die beabsich­tigte Ausübung eines Rechts auf Änderung der Preise oder sonstiger Vertrags­be­din­gungen und über die Rechte der Letzt­ver­braucher zur Vertrags­be­en­digung zu unter­richten. Über Preis­än­de­rungen ist spätestens zwei Wochen, bei Haushalts­kunden spätestens einen Monat, vor Eintritt der beabsich­tigten Änderung zu unter­richten. Die Unter­richtung hat unmit­telbar zu erfolgen sowie auf verständ­liche und einfache Weise unter Hinweis auf Anlass, Voraus­set­zungen und Umfang der Preis­än­de­rungen.“

Der letzte Satz hat es dabei in sich, denn der BGH hat hierzu bereits im Jahr 2018 mit Urteil vom 06. Juni 2018, Az. VIII ZR 247/17 für die gesetz­liche Grund­ver­sorgung entschieden, was genau die Unter­richtung über „Art, Anlass und Umfang der Preis­än­derung“ bedeutet. Der BGH führt dort nämlich aus, dass im Preis­an­pas­sungs­schreiben jeder (!) Kosten­faktor einzeln genannt (!) sein muss:

Um die vom Verord­nungs­geber angestrebte Kosten­trans­parenz zu gewähr­leisten, ist es erfor­derlich, dass sich dem Kunden aus der brief­lichen Mitteilung selbst erschließt, welche der vom Grund­ver­sorger nicht beein­fluss­baren Preis­fak­toren sich im Einzelnen in welcher Höhe und in welche Richtung verändert haben. Denn der Bundesrat hat – was der Verord­nungs­geber aufge­nommen hat – eine bloße Infor­mation der Haushalts­kunden über Umfang, Anlass und Voraus­set­zungen der Preis­än­derung gerade nicht für ausrei­chend erachtet, weil der Kunde hierdurch nicht erkennen kann, auf welchen Preis­fak­toren eine Erhöhung im Einzelnen beruht, was wiederum dazu führt, dass er keine anbie­ter­über­grei­fenden Vergleichs­mög­lich­keiten hat Aus diesem Grunde hat er es zusätzlich für notwendig erachtet, dass der Kunde durch eine erneute Angabe der in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Satz 3 StromGVV aufge­führten Kosten­fak­toren in die Lage versetzt wird, die jewei­ligen Änderungen zu vergleichen und ihre Auswir­kungen auf den Strom­preis sowie die Ursache der Preis­än­derung nachzuvollziehen.“

Der BGH hat weiterhin ausge­führt, dass ein nur allgemein gehal­tenes Mittei­lungs­schreiben des Versorgers nicht ausreicht:

Welche dieser Kosten­fak­toren sich konkret – sei es in Form einer Erhöhung, sei es in Form eines Absinkens – verändert haben und damit Anlass für die beabsich­tigte Preis­er­höhung gewesen sind, hat die Beklagte jedoch – anders als die Anschluss­re­vision der Beklagten meint – nicht angegeben. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, auf Seite 1 ihres Schreibens auszu­führen, zum 1. Januar 2016 würden „die Netznut­zungs­ent­gelte“ und „ein Teil der gesetz­lichen Steuern und Abgaben“ und somit ausschließlich Preis­be­stand­teile, auf die die Beklagte keinen Einfluss habe, angepasst. Da sie den Anstieg „dieser Umlagen“ leider nicht auffangen könne, müsse eine Preis­an­passung vorge­nommen werden. Die verwen­deten Bezeich­nungen sind aber – wie das Berufungs­ge­richt zutreffend ausge­führt hat – nicht ausrei­chend transparent,“

Die Entscheidung des BGH erging seinerzeit zur Preis­an­passung in der Grund­ver­sorgung, die schon vor Änderung des § 41 b EnWG gem. § 5 Abs. 2 Satz 2 StromGVV einer entspre­chenden Mittei­lungs­pflicht unterlag. Wir halten diese Entscheidung jedoch ohne weiteres auf die neue Pflicht für Sonder­ver­träge im Regelungs­be­reich des § 41 b EnWG übertragbar, insbe­sondere da die Verpflichtung auf der Umsetzung von europäi­schem Verbrau­cher­schutz­recht beruht.

Versorger sollten daher darauf achten, in künftigen Preis­an­pas­sungs­schreiben alle preis­re­le­vanten Faktoren und deren Betrag sowohl vor als auch nach der Preis­an­passung einzeln trans­parent auszuweisen.

(Christian Dümke)

2021-10-25T20:40:40+02:0025. Oktober 2021|Grundkurs Energie|

Wie nun weiter als Versorger?

Dass Energie­preise noch einmal so steil gen oben gehen, hätte auch keiner erwartet. Entspre­chend hat auch niemand so hohe Preise abgesi­chert. Das ist für Letzt­ver­braucher, gerade in der Industrie, ein Problem, existen­tiell ist es aber auch für Versorger, die Strom und insbe­sondere Erdgas nicht selbst verbrauchen, sondern an Dritte weiter­ver­äußern: Können Sie die Preise nicht in demselben Maße anpassen, wie ihre eigenen Kosten steigen, ist dies in jedem Fall ein Problem.

Grund­ver­sorgung

In der Grund­ver­sorgung dürfen Versorger die Preise anpassen, sofern und soweit ihre eigenen Kosten in exakt diesem Maße steigen. Aller­dings ist dies nicht von heute auf morgen erlaubt, sondern nur nach Veröf­fent­li­chung mindestens sechs Wochen vor der Preis­an­passung zum Monats­beginn. Das heißt: Wenn am Montag, den 18. September 2021, ein Versorger veröf­fent­licht, dass er seine Preise anpasst, steigen diese erst zum 1. Dezember 2021. Bis dahin verbrennt natürlich noch viel Geld, insbe­sondere dann, wenn noch mehr Versorger die Belie­ferung ihrer Sonder­kunden einfach einstellen und die Kunden in die Ersatz­ver­sorgung durch den Grund­ver­sorger fallen. Und was, wenn die Rallye dann weiter geht und umgehend wieder angepasst werden muss?

Sonder­kunden

Noch kriti­scher sieht die Lage bei Sonder­kunden aus. Hier gibt es kein gesetz­liches Preis­an­pas­sungs­recht, ein solches Recht kann höchstens aus Vertrag resul­tieren, etwa in Form von vertraglich verein­barten Preisgleitklauseln.Wer eine solche hat, die zumindest zeitver­zögert auf die gestie­genen Preise reagiert, kann sich glücklich schätzen, auch wenn der Zeitnachteil bleibt. Ansonsten gilt: Versorger können ihre Kunden um ihr Einver­ständnis zu neuen Preisen bitten. Aber einseitig wird es schwer. Mit anderen Worten: Wenn vertraglich für einen bestimmten Zeitraum ein bestimmter unver­än­der­licher Preis vereinbart ist, dann gilt dieser erst einmal ohne Wenn und Aber.

Indes wären wir keine Juristen, wenn wir dies nicht sofort einschränken würden: Es hängt ganz vom Vertrag ab, ob es nicht doch einen Hinter­ausgang bei drastisch verän­derten wirtschaft­lichen Rahmen­be­din­gungen gibt. Hier lohnt sich manchmal gerade bei gewerb­lichen Verträgen ein tiefer Blick in die Präambeln, Sprech­klauseln, Zweck­be­stim­mungen und andere Regelungen, an die man im Alltag selten denkt, ob nicht doch eine Anpassung möglich ist. Oder – weniger als gut, aber besser als nichts – eine vorzeitige außer­or­dent­liche Kündigung recht­mäßig sein könnte.

Space Shuttle, Abheben, Nasa, Raumfahrt, Weltraum

Im Markt viel disku­tiert wird aktuell, ob bei völlig außer­ge­wöhn­lichen Preis­stei­ge­rungen für den eigenen Bezug nicht doch ein Preis­an­pas­sungs­recht nach § 313 Abs. 1 und 2 BGB greift. Diese lauten:

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertrags­schluss schwer­wiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Verän­derung voraus­ge­sehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzel­falls, insbe­sondere der vertrag­lichen oder gesetz­lichen Risiko­ver­teilung, das Festhalten am unver­än­derten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Verän­derung der Umstände steht es gleich, wenn wesent­liche Vorstel­lungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.“

Befür­worter argumen­tieren, dass mehr als vervier­fachte Preise genau dies bedeuten: Der jeweilige Vertrag fuße auf der unaus­ge­spro­chenen Grundlage, dass der Energie­preis im Endpreis höher ist als der Börsen­preis, und wäre schon bei Vertrags­schluss absehbar gewesen, dass es sich eines Tages anders verhält, hätte der Letzt­ver­braucher dem Versorger eine Anpassung schlechthin nicht abschlagen können. Das lässt sich erst einmal hören.

Indes: Die Recht­spre­chung lässt Vertrags­an­pas­sungen – wie eben eine Änderung der einmal fest verein­barten Preise – nur unter ganz engen Voraus­set­zungen zu. Dies haben Gerichte vielfach festge­stellt. Erst im laufenden Jahr ist der BGH zum Ergebnis gekommen, dass eine kalku­la­to­rische Annahme nicht einmal dann Geschäfts­grundlage ist, wenn sie dem Besteller gegenüber offen­gelegt wurde (Urteil des VII. Zivil­senats vom 10.6.2021 – VII ZR 157/20 -, Rn. 22). Wenn die Kalku­lation nie auf dem Tisch lag, sieht es vermutlich noch schlechter aus mit einem Anpas­sung­recht. Und auch die Suche nach älteren Entschei­dungen macht deutlich, dass der Wunsch nach Anpassung wegen verän­derter Umstände jeden­falls kein Selbst­läufer ist: So hat z. B. das OLG Celle im Jahre 2019 (Urteil vom 26.11.2019, 13 U 127/18) unter­strichen, dass die Wirtschafts- und Finanz­krise jeden­falls kein Umstand sei, der zu einer Vertrags­an­passung – hier eines Mautver­trages – berechtigt.

Insgesamt gilt damit: Ein generelles Preis­an­pas­sungs­recht gibt es im Sonder­kün­di­gungs­recht sicher nicht. Gleiches gilt für außer­or­dent­liche Kündi­gungen. Doch im Einzelfall lohnt es sich durchaus, den Vertrag in allen seinen Teilen sorgfältig zu prüfen. Doch unabhängig von diesen Prüfungen und den Entschei­dungen der Versorger, wie hiermit umzugehen ist, ist zu erwarten, dass mit erheb­lichen Markt­ver­wer­fungen zu rechnen ist. Das ist, so glauben alle, mit denen wir sprechen, erst der Beginn einer unruhigen Markt­phase (Miriam Vollmer).

2021-10-15T21:31:43+02:0015. Oktober 2021|Gas, Strom, Vertrieb|

Fernwärme: Preis­an­passung und Emissionshandel

Die rechts­si­chere Gestaltung von Preis­an­pas­sungs­klauseln in Fernwär­me­ver­trägen wurde in den letzten Jahren zunehmend komplexer. Ausgehend von einer Reihe von Entschei­dungen des Bundes­ge­richtshofs in den Jahren 2011 und 2014 (einen Einblick gibt es hier)  haben viele Fernwär­me­ver­sorger ihre Verträge umgestaltet, müssen aber in den nächsten Jahren weiter am Ball bleiben, um Anpas­sungen der Preise an gestiegene oder auch nur struk­turell verän­derte Kosten wirksam weiter­geben zu können.

Aber warum kann nicht alles bleiben, wie es ist? Ursache des Verän­de­rungs­zwanges ist § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV. Diese Regelung gibt für Preis­an­pas­sungs­klauseln in der Fernwärme das Gebot der Kosten­ori­en­tierung vor. Das bedeutet praktisch: Die Preise müssen sich nicht centgenau, aber doch recht eng an der Kosten­ent­wicklung des konkreten Unter­nehmens halten. Hieraus resul­tiert: Wer Gas verfeuert, darf keinen Heizöl­index verwenden, es sei denn, dieser wäre für seine Kosten­ent­wicklung wegen einer Vorlie­fe­ran­ten­klausel maßgeblich. Wer 50% Kohle einsetzt, darf nicht zu 100% Gas in seine Klausel stellen. Und wessen Kosten in zunehmend wesent­lichem Maße vom Emissi­ons­handel abhängen, darf diese Lasten nicht losgelöst von der tatsäch­lichen Kosten­ent­wicklung weiter­reichen. Dies bedeutet für die spezielle Kosten­po­sition Emissionshandel:

=> Wer die Kosten des Emissi­ons­handels für seine TEHG-Anlage in Form von Zerti­fi­kat­kosten in seine Klausel einstellt, muss wegen der hohen Volati­lität dieses Postens besonders darauf achten, dass die in der Formel berück­sich­tigten Kurse sich nicht komplett von den Ausgaben entfernen, die das Unter­nehmen hat. Vor allem sollten die Zeitpunkte, zu denen gekauft wird, sich nicht völlig von den vertrag­lichen Bezugs­zeit­räumen entfernen.

=> Emissi­ons­handel verur­sacht nicht nur Kosten, sondern Fernwär­me­ver­sorger erhalten auch Zutei­lungen. Diese müssen in der Formel einen nachvoll­zieh­baren Nieder­schlag finden. Problem: Ein okkulter, nur dem Verwender bekannter Abzugs­posten für erhal­tenen Zutei­lungen dürfte dem ebenfalls in § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV hinter­legten Trans­pa­renz­gebot zuwider­laufen. Hier ist eine vernünftige Verweisung nötig!

=> Nicht alle Fernwär­me­mengen sind emissi­ons­han­dels­pflichtig erzeugt worden. Die meisten Versorger haben neben emissi­ons­han­dels­pflich­tigen Anlagen weitere Anlagen, die (bisher) nicht am Emissi­ons­handel teilnehmen, weil sie nicht im Anhang 1 zum TEHg aufge­führt sind. Dies betrifft kleine Anlagen <20 MW FWL oder Anlagen, die gefähr­liche Abfälle oder Siedlungs­ab­fälle verbrennen. Hier ist sorgfältig und begründet eine Aufteilung zu treffen und alle paar Jahre zu überprüfen, denn auch eine recht­mäßige Klausel wird rechts­widrig und damit unwirksam, wenn sich die Verhält­nisse ändern!

=> Ab 2021 erfasst der geplante nationale Emissi­ons­handel auf Grundlage des BEHG (wir erläu­terten) die Brenn­stoff­mengen, die nicht in den ohnehin schon emissi­ons­han­dels­pflich­tigen Anlagen verbrannt werden. Die entste­henden Kosten von 10 – 35 EUR pro t CO2 in den ersten Jahren müssen in die indivi­duelle Klausel sinnvoll einge­stellt werden. Achtung: Es soll wohl teilweise Kompen­sa­tionen geben, mögli­cher­weise gar Zutei­lungen. Wenn das Unter­nehmen weniger ausgibt, kann es natürlich auch nur weniger weiterreichen.

Insgesamt müssen Fernwär­me­er­zeuger heute mehr Vorlauf einplanen als früher. Denn ausgehend von einer Entscheidung des OLG Frankfurt dürfen Fernwär­me­ver­sorger Fernwär­me­lie­fer­ver­träge nicht über Veröf­fent­li­chungen ändern und damit auch Preis­an­pas­sungs­klauseln an neue Umstände anpassen. Sondern brauchen die Unter­schriften der Kunden, was natur­gemäß mehr Zeit in Anspruch nimmt als die schlichte Publi­kation der Neuerungen. (Miriam Vollmer)

Sie möchten sich über Grund­lagen und Neuerungen rund um das Recht der Fernwärme infor­mieren? Wir schulen am 12.11.2019 bei uns im Büro. Infor­ma­tionen, Programm und Anmel­de­for­mular finden Sie hier.

2019-11-04T10:43:42+01:004. November 2019|Emissionshandel, Wärme|