Es ist klar: in zehn Jahren ändert sich eine Menge. Natürlich auch die wirtschaftlichen Grundlagen für die Belieferung mit Fernwärme: Brennstoffkosten schwanken. Tarifabschlüsse verändern die Kosten von Arbeitskraft. Auch die Kosten der Hardware, also vor allem von Leitungen und dem erzeugenden Heizkraftwerk selbst, bleiben nicht gleich. Die für meist gleich zehn Jahre abgeschlossenen Fernwärmelieferverträge können also keinen für die gesamte Laufzeit verbindlichen Festpreis ausweisen. Deswegen verwenden Versorger regelmäßig Preisänderungsklauseln, aus denen sich anhand einer mathematischen Formel ergibt, wie der ursprünglich vereinbarte Preis sich im Laufe der Zeit verändert.
Bei der Ausgestaltung dieser Klausel ist ein Versorger nicht frei. § 24 Abs. 4 der AVB-FernwärmeV setzt Preisänderungsklauseln einen verbindlichen Rahmen. Hiernach gilt, dass Preisgleitklauseln so ausgestaltet sein müssen, dass sie zum einen die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme abbilden müssen, das sogenannte Kostenelement. Als auch zum anderen die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessenen Niederschlag finden müssen, was vom sogenannten Marktelement abgebildet wird. Es spielt also eine wichtige Rolle, wie sich die Kosten des konkreten Versorgers entwickeln. Aber es kommt auch darauf an, wie sich völlig abstrahiert vom einzelnen Unternehmen die Kosten für die Beheizung von Wohnräumen generell entwickeln, also nicht nur bezogen auf Fernwärme, sondern bezogen auf alle Möglichkeiten, einen Raum zu beheizen. Transparent, also für den Kunden rechnerisch komplett nachvollziehbar, soll die Klausel auch noch sein.
Doch gesicherte Rechtsprechung, an der sich der Versorger orientieren kann, liegt bisher nicht im selben Maße vor, wie bei mit der in dieser Beziehung heiklen und leidenschaftlich umstrittenen Grundversorgung mit Gas oder Strom. Umso aufmerksamer ist die Entscheidung des Bundesgerichtshof (BGH) vom 19. Juli 2017 (VIII ZR 268/15) zu lesen, in der das höchste deutsche Zivilgericht sich zu Preisanpassungsklauseln in der Fernwärme erneut zu Wort meldet.
In dem vorliegenden Fall bezog der Fernwärmeversorger die Wärme nicht aus einer eigenen Anlage. Sondern er kaufte sie von einem Vorlieferanten. Dies entspricht einer gängigen Praxis, die regelmäßig die Frage aufwirft, wie diese Kosten als Kostenelement denn nur in einer transparenten Formel unterzubringen sind. Das Unternehmen, um das es in diesem Fall ging, griff zu einer verbreiteten Methode: Es wurde geschaut, welcher Brennstoff beim Vorlieferanten eingesetzt wurde. Sodann wurde ein Index des Statistischen Bundesamts, der die Kostenentwicklung dieses Brennstoffs abbildet, in der Formel untergebracht, ganz so, als würde das Unternehmen selbst mit diesem Brennstoff Wärme erzeugen. Der BGH sieht diese Methode – das wird viele Unternehmen schmerzen – jedoch in Randziffer 33ff. nicht als ausreichend an. Seiner Ansicht nach fordert § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV eine Orientierung der Preisanpassungsklausel an den tatsächlichen eigenen Bezugskosten. Dies wirft natürlich Probleme auf, wenn diese eigenen Bezugskosten nicht mit einem weitergabefähigen Index gleiten, sondern frei verhandelt werden. Solche (vom BGH nicht entschiedenen) Konstellationen sind nicht selten. Aber wie um alles in der Welt soll ein oft jährlich neu verhandelter Preis sich transparent in der Klausel wiederfinden?
Auch zum Marktelement hat der BGH sich erneut geäußert. In der Klausel, die im Streit stand, hatte der Versorger den Wärmemarkt durch den Index für leichtes Heizöl (HEL) abgebildet. Das Berufungsgericht, das LG Würzburg, empfand dies als ausreichend und berief sich dabei auf den BGH. Dieser stellte nun in den Randziffern 54ff. klar: Er habe sich in der Vergangenheit keineswegs dahingehend ausgesprochen, dass HEL den Wärmemarkt hinreichend repräsentiert. Ob dem so ist, müsste im Einzelfall ermittelt werden, würde aber zunehmend kritisch beurteilt.
Keine absolute Klarheit also für Versorger wie Verbraucher. Doch was bedeutet diese Entscheidung und für die Praxis? Mehr und mehr verdichtet sich zum einen, dass HEL als alleiniger Faktor für das Marktelement keine sichere Bank mehr darstellt, auch wenn der BGH es nicht in Bausch und Bogen verwirft. Und in Konstellationen, in denen ein Versorger Fernwärme kauft, um sie dann weiter zu verkaufen, muss das einzelne Unternehmen einen tiefen Blick in die eigenen Bezugsverträge werfen und dann, wenn sich diese schlichtweg nicht in einer transparenten Formel unterbringen lassen, über andere Möglichkeiten nachdenken, die Kostenentwicklung abzubilden. Es ist also Maßschneiderei gefragt, wenn es darum geht, Preisgleitungen richtig auszugestalten.
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