Planfest­stel­lungs­be­schluss: Augen auf bei der Variantenwahl

Bei der Planung von Verkehrs­wegen wird den Kommunen häufig ein breiter Ermes­sens­spielraum einge­räumt, so dass eine Klage durch Anwohner selten zum Erfolg führt. Das OVG Lüneburg hat jedoch kürzlich über einen Fall entschieden, in dem entspre­chende Klagen zu Erfolg geführt haben.

Die Anwohner hatten in dem Fall einen Planfest­stel­lungs­be­schluss angegriffen, der auf den Ausbau einer Straße in Buxtehude bezogen war. Der angegriffene Planfest­stel­lungs­be­schluss sieht den massiven Ausbau einer Straße vor, durch die bisher anlie­gende Grund­stücke erschlossen worden waren. Die Straße sollte zu einer 7 m breiten, zweispu­rigen Fahrbahn mit jeweils seitlich 3 m hohen Lärmschutz­wänden und parallel dazu hinter den Lärmschutz­wänden gelegenen sogenannten Anlie­ger­straßen ausgebaut werden.

Der entschei­dende Senat des OVG hat in seinem Urteil den Planfest­stel­lungs­be­schluss für rechts­widrig und nicht vollziehbar erklärt. Anders als das Verwal­tungs­ge­richt in der ersten Instanz war er der Überzeugung, dass im Verfahren Abwägungs­fehler begangen wurden. So habe die Behörde die Lärmbe­lastung und die vorha­ben­be­dingten Kosten nicht ausrei­chend berück­sichtigt, und es seien ihr Fehler im Rahmen der Begut­achtung der Varian­tenwahl unterlaufen.

Das OVG hat den Planfest­stel­lungs­be­schluss jedoch nicht aufge­hoben. Denn aufgrund der Möglichkeit zur Planer­haltung des § 75 Abs. 1a Verwal­tungs­ver­fah­rens­gesetz (VwVfG) könnten diese Fehler gegebe­nen­falls durch eine Planer­gänzung oder ein ergän­zendes Verfahren behoben werden. (Olaf Dilling)

2024-02-16T04:46:23+01:0016. Februar 2024|Rechtsprechung, Verkehr|

Verfah­rens­be­schleu­nigung bei Infra­struktur: „Stau auf der Überholspur“?

Dieser Tage wird der Geset­zes­entwurf zur Verfah­rens­be­schleu­nigung aus dem Hause Buschmann (FDP) im Deutschen Bundestag disku­tiert. Dabei geht es um eine Reform der verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren zur Planung und zum Bau von Infra­struk­tur­vor­haben. Von Bundes­mi­nister der Justiz Marco Buschmann wurde die Parole ausge­geben, dass sich die Verfah­rens­dauer von Infra­struk­tur­vor­haben in Zukunft an der Geschwin­digkeit orien­tieren sollten, mit denen die neuen LNG-Terminals geplant und gebaut werden. Von den im Bundestag vertre­tenen Parteien gab es dazu mehrheitlich Zustimmung, aber auch Kritik und Modifikationswünsche.

Unter anderem kam im Rechts­aus­schuss von der SPD die Kritik an der mangelnden Priori­sierung durch die FDP. Wenn unter­schiedslos alles beschleunigt werden solle, von Energie­wen­de­pro­jekten über den Autobahnbau bis hin zur Geneh­migung von Braun­koh­le­ta­gebau, führe das unter Umständen zu einer Art ‚Stau auf der Überholspur‘.

Stau auf mehrspuriger Autobahn

Nun wäre an einer recht­lichen Ermög­li­chung schnel­lerer Verfahren in dieser Hinsicht gar nichts auszu­setzen. Jeden­falls solange niemand gezwungen wird, sich dem Zugzwang auszu­setzen. Die Kritik ist jedoch insofern berechtigt, als oft nicht primär einzu­hal­tende Verfah­rens­fristen oder gericht­liche Verfahren das Nadelöhr sind, sondern schlicht die Ressour­cen­aus­stattung der öffent­lichen Verwaltung inklusive der Gerichts­barkeit. Wenn aber nicht genug Ressourcen für die Prüfung der materi­ellen Voraus­set­zungen vorhanden sind, kann das bedeuten, dass schnellere Verfahren auf Kosten der Qualität von Entschei­dungen gehen. Schlimms­ten­falls führt das zu Verfah­rens­fehlern, die ihrer­seits wieder für Verzö­ge­rungen sorgen.

Diese Bedenken wurden zumindest von einem Teil der geladenen Sachver­stän­digen geteilt. Beispiele sind gemäß § 87c Abs. 2 VWGO-Entwurf bei bestimmten Verfahren zwingend vorge­se­hener erster Erörte­rungs­termin zwei Monate nach Klage­er­wi­derung, der nach Auffassung von Richtern zu viele Ressourcen binden würde. Weiterhin zeigt sich das Problem bei Einführung einer in gesetzlich vorge­schrie­benen Klage­er­wi­de­rungs­frist: Im Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz soll demnach in einem neuen § 6 eine zwingende Erwide­rungs­frist durch die Beklagte von 10 Wochen einge­führt werden. Später vorge­brachte Erklä­rungen oder Beweis­mittel sind grund­sätzlich ausge­schlossen. Zu Recht wies ein Richter an Schleswig-Holstei­ni­schen Verwal­tungs­ge­richt darauf hin, dass gerade daraus Verzö­ge­rungen resul­tieren könnten. Schnelle Gerichts­ver­fahren führen nämlich nicht immer zur schnellen Umset­zungen von Infra­struk­tur­pro­jekten. Es kommt schließlich auch darauf an, wer vor Gericht Erfolg hat. (Olaf Dilling)

 

2023-02-09T12:07:44+01:009. Februar 2023|Kommentar, Umwelt, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Wasser­recht: Die übergangene Richtlinie

Dass bei der Planung von Bundes­au­to­bahnen auch wasser­recht­liche Fragen eine Rolle spielen, dürfte nachvoll­ziehbar sein. Denn immerhin ist mit dem Bau ein starker Eingriff in das Grund­wasser und zahlreiche Oberflä­chen­ge­wässer verbunden. Zudem wird eine erheb­liche Fläche Boden versiegelt, so dass sich bei Regen Nieder­schlags­wasser sammelt, das nach § 54 Wasser­haus­halts­gesetz (WHG) auch als Abwasser zu werten und zu behandeln ist.

Dass aller­dings auch die europäi­schen Vorgaben des Wasser­rechts zu beachten sind, ist noch nicht so klar. Insbe­sondere die Wasser­rah­men­richt­linie (WRRL) macht insofern strengen Vorgaben bezüglich der Verschlech­terung des Gewäs­ser­zu­stands. Aus einer Entscheidung des Europäi­schen Gerichtshofs (EuGH) zur Weser­ver­tiefung von 2015 ergibt sich nämlich das Erfor­dernis: Vor der Geneh­migung von belie­bigen Projekten, die sich auf einzelne Wasser­körper auswirken, muss eine Überprüfung anhand bestimmter europa­rechtlich vorge­ge­benen Kriterien stattfinden.

In Bezug auf den Bau der Autobahn A 49 in Hessen hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) nun aber entschieden, dass die Anfor­de­rungen doch nicht so hoch sind: In dem entschie­denen Fall wurden die Anfor­de­rungen der WRRL im Planfest­stel­lungs­be­schluss  noch nicht berück­sichtigt. Dennoch hat das Gericht die Klage dagegen abgewiesen. Denn die „flexiblen Regeln des deutschen Wasser­haus­halts­ge­setzes“ würden hinrei­chend Möglichkeit bieten, um die wasser­recht­lichen Vorgaben des Unions­recht letzt­endlich einzu­halten (Olaf Dilling).

2020-06-30T18:27:16+02:0030. Juni 2020|Umwelt, Verkehr, Wasser|