Emissionen 2021 zu hoch – und nun?

2020 waren die Emissionen deutlich gesunken. 2021 hat sich diese Entwicklung aber nicht fortge­setzt: Es scheint sich um einen einma­ligen Corona-Effekt gehandelt zu haben. Mit 762 Mio. Tonnen hat die Bundes­re­publik nun deutlich zu viel emittiert.

Zu viel“ ist dabei nicht nur eine politische oder natur­wis­sen­schaft­liche Wahrnehmung. Denn welcher Sektor wie viel emittieren darf, ist in § 4 Abs. 1 iVm Anlage 2 des Klima­schutz­ge­setzes (KSG) festgelegt. Ein Vergleich zeigt: Die Energie­wirt­schaft hat zwar mehr emittiert als 2020, aber liegt noch im Plan. Auch die Industrie hat mit 181 Mio. t CO2 ihre Zielgröße für 2021 von 182 Mio. t CO2 fast punkt­genau getroffen. Wo Deutschland einmal mehr seine Ziele deutlich verfehlt: Der Verkehr liegt 3 Mio. t über der zuläs­sigen Jahres­e­mis­si­ons­menge, obwohl 2021 sogar – wahrscheinlich coronabe­dingt – weniger PKW-Verkehr stattfand als 2019. Das andere Sorgenkind ist der Gebäu­de­be­reich: Hier wurden 2 Mio. t CO2 zu viel emittiert.

Klimawandel, Naturschutzgebiet, Umweltschutz, Umgebung

Anders als in anderen Politik­be­reichen gibt es für die Verfehlung gesetz­licher Ziele im Klima­schutz einen richtigen, gesetz­lichen Mecha­nismus. Er steht in § 8 KSG und regelt das „Sofort­pro­gramm bei Überschreitung der Jahres­e­mis­si­ons­mengen“. Hiernach gilt Folgendes:

Zunächst erhält das zuständige Minis­terim – das ist das BMWK mit Robert Habeck an der Spitze – eine Bewertung der Emissi­ons­daten vom Exper­tenrat für Klima­fragen. Dieser hat für diese Bewertung einen Monat Zeit, der beginnt, sobald er die Daten vom Umwelt­bun­desamt bekommt, § 12 Abs. 1 KSG. Anschließend hat das Minis­terium drei Monate Zeit für ein Sofort­pro­gramm, das die Einhaltung der Jahres­e­mis­si­ons­mengen für die kommenden Jahre sicher­stellen soll. Sodann beschließt die Bundes­re­gierung und infor­miert den Bundestag, wenn dieser nicht ohnehin eingebnden werden muss, weil Gesetze geändert werden.

Das BMWK hat angekündigt, nun schnell aktiv zu werden. Die Latte liegt hoch: Jedes Jahr müssen nun 6% Emissionen einge­spart werden, ungefähr dreimal so viel wie bisher. Klar ist: Autofahrer und die Immobi­li­en­wirt­schaft müssen sich auf Maßnahmen gefasst machen, denn allen kurzfris­tigen Signalen der Politik zum Trotz kann es schon aus Rechts­gründen nicht so weiter­gehen wie bisher (Miriam Vollmer).

 

2022-03-15T23:30:15+01:0015. März 2022|Energiepolitik|

Das neue Klima­schutz­gesetz: Der Kabinettsentwurf

Auf ihre ganz alten Tage legt die Koalition nun noch einmal einen Turbo ein: Das Kabinett hat den Entwurf eines neuen Klima­schutz­ge­setzes (KSG) nur wenige Tage nach Vorlage des Entwurfs und einer ultra­kurzen Verband­s­an­hörung beschlossen. Aller­dings weicht der Kabinetts­entwurf von dem ersten Entwurf des Umwelt­mi­nis­te­riums in einigen Punkten ab: Er ist weniger ambitioniert.

Dies zeigen schon die Minde­rungs­schritte für die Jahre ab 2031 im Anhang. Hier soll nun nicht mehr schon 2031 68% einge­spart werden, sondern nur 67%, 2032 ist die Abwei­chung sann sogar 2% groß, Gleichlauf zum ersten Entwurf gibt es erst 2039. Bei den Sektoren gibt es auch noch einmal Verschie­bungen: Es bleibt beim Löwen­anteil der Energie­wirt­schaft, aber Landwirt­schaft spart etwas weniger, Industrie und Abfall müssen mehr reduzieren.

Der Entwurf – das ist auf den ersten Blick sichtbar – geht aber auch in der Kabinetts­fassung über das aktuelle KSG weit hinaus. Doch bereits jetzt warnen Kritiker. Denn das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat in seiner Klima­ent­scheidung mehrfach auf ein Gutachten des Sachver­stän­di­genrats für Umwelt­fragen (SRU) abgestellt, nach dem die Bundes­re­publik nur noch 6,7 Mrd. t CO2 insgesamt zur Verfügung hat. Nach dem Kabinetts­entwurf wären hiervon 2030 laut einer Berechnung von Green­peace schon 91% verbraucht. Das BVerfG hat aber ausdrücklich darauf gedrungen, dass auch nach 2030 noch ein freiheit­liches Leben möglich sein muss ohne eine Vollbremsung bei den Emissionen. Ob 9% dafür reichen? Oder greift erneut das BVerfG ein?

Bundeskanzlei, Bundesregierung, Regierung, Berlin

Wie diese mögli­cher­weise immer noch nicht ausrei­chenden, aber gegenüber dem Status Quo statt­lichen Einspa­rungen zusam­men­kommen sollen, ist noch unklar. Das liegt an der Konzeption des Klima­schutz­ge­setzes, das selbst nur einen Rahmen enthält und Mecha­nismen für das Zusam­men­spiel der Minis­terien. Konkrete Gesetze müssen in Einzel­ge­setzen erlassen werden, aber hier halten sich die Minis­terien bedeckt. Den mühsamen Weg, die Zusatz­ein­spa­rungen in Zumutungen für Unter­nehmen, Hausei­gen­tümer, Autofahrer und Geschäfts­rei­sende umzusetzen, will die Koalition offenbar der nächsten Regierung vor die Füße legen (Miriam Vollmer).

 

2021-05-14T22:11:26+02:0014. Mai 2021|Energiepolitik, Umwelt|

Entwurf des neuen Klima­schutz­gesetz (KSG)

Das ging schnell: Nur eine Woche nach der Entscheidung des BVerfG, nach der das Klima­schutz­gesetz (KSG) aktuell unzurei­chend ist und novel­liert werden muss, hat das feder­füh­rende Bundes­um­welt­mi­nis­terium einen neuen Entwurf vorgelegt:

# Tatsächlich sollen die Klima­ziele verschärft werden. Statt 55% bis 2030 soll die Bundes­re­publik 65% schaffen. 2040 sollen 88% geschafft sein, 2045 Klima­neu­tra­lität erreicht werden. Bisher gab es für die Jahre nach 2030 keine zahlen­mäßig bestimmten Ziele. Das war ein wesent­licher Kritik­punkt des BVerfG.

# Ein neuer § 3a KSG soll den Beitrag natür­licher Ökosysteme abbilden.

# Der aktuelle § 3, künftig § 4 KSG wird um einen Auftrag zur Umsetzung von EU-Zielen mit Frist­be­stimmung angereichert.

# Der Exper­tenrat, den das KSG vorsieht, wird künftig aufge­wertet: Er soll alle zwei Jahre ein Gutachten vorlegen und konkrete Empfeh­lungen aussprechen.

# Ganz konkret wird es in den Anhängen. Hier ist die Aufteilung auf die unter­schied­lichen Sektoren vorge­sehen und damit nun auch geregelt, welche Branche welchen Anteil an den bis 2030 vorge­se­henen Zusatz­ein­spa­rungen erbringen soll. Die Energie­wirt­schaft soll den Löwen­anteil erbringen: Ihre Emissionen sollen 2030 um 38 % niedriger sein als bisher vorge­sehen. Die Industrie soll 15 % mehr einsparen, der Verkehr nur 11 %, die Landwirt­schaft 7 % und Gebäude 6%. 

# Für die Jahre nach 2030 enthält das KSG nun auch konkrete Zahlen: Bis auf die Landwirt­schaft und die Abfall­wirt­schaft sollen sich die Mengen zwischen 2030 und 2040 nochmal mehr als halbieren.

Klimawandel, Globale Erwärmung, Umwelt, Katastrophe

Kritiker weisen darauf hin, dass ein Teil der für die nächsten Jahre vorge­sehen Einspa­rungen faktisch schon erbracht wurde. So hat die Energi­wirt­schaft 2020 221 Mio t CO2 emittiert und nicht die im Entwurf vorge­sehen 280 Mio t. Die Einspa­rungen fallen unter Umständen damit nicht so imposant aus, wie es auf den ersten Blick wirkt. Insgesamt setzt der Minde­rungspfad, den das KSG vorsieht, aber erheb­liche Anstren­gungen in fast allen Bereichen voraus, so dass spätestens nach der Bundes­tagswahl für die Betrof­fenen teilweise einschnei­dende Novellen nicht auf sich warten lassen werden (Miriam Vollmer)

 

2021-05-07T19:47:22+02:007. Mai 2021|Energiepolitik, Umwelt|