Das neue Klima­schutz­gesetz: Der Kabinettsentwurf

Auf ihre ganz alten Tage legt die Koalition nun noch einmal einen Turbo ein: Das Kabinett hat den Entwurf eines neuen Klima­schutz­ge­setzes (KSG) nur wenige Tage nach Vorlage des Entwurfs und einer ultra­kurzen Verband­s­an­hörung beschlossen. Aller­dings weicht der Kabinetts­entwurf von dem ersten Entwurf des Umwelt­mi­nis­te­riums in einigen Punkten ab: Er ist weniger ambitioniert.

Dies zeigen schon die Minde­rungs­schritte für die Jahre ab 2031 im Anhang. Hier soll nun nicht mehr schon 2031 68% einge­spart werden, sondern nur 67%, 2032 ist die Abwei­chung sann sogar 2% groß, Gleichlauf zum ersten Entwurf gibt es erst 2039. Bei den Sektoren gibt es auch noch einmal Verschie­bungen: Es bleibt beim Löwen­anteil der Energie­wirt­schaft, aber Landwirt­schaft spart etwas weniger, Industrie und Abfall müssen mehr reduzieren.

Der Entwurf – das ist auf den ersten Blick sichtbar – geht aber auch in der Kabinetts­fassung über das aktuelle KSG weit hinaus. Doch bereits jetzt warnen Kritiker. Denn das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) hat in seiner Klima­ent­scheidung mehrfach auf ein Gutachten des Sachver­stän­di­genrats für Umwelt­fragen (SRU) abgestellt, nach dem die Bundes­re­publik nur noch 6,7 Mrd. t CO2 insgesamt zur Verfügung hat. Nach dem Kabinetts­entwurf wären hiervon 2030 laut einer Berechnung von Green­peace schon 91% verbraucht. Das BVerfG hat aber ausdrücklich darauf gedrungen, dass auch nach 2030 noch ein freiheit­liches Leben möglich sein muss ohne eine Vollbremsung bei den Emissionen. Ob 9% dafür reichen? Oder greift erneut das BVerfG ein?

Bundeskanzlei, Bundesregierung, Regierung, Berlin

Wie diese mögli­cher­weise immer noch nicht ausrei­chenden, aber gegenüber dem Status Quo statt­lichen Einspa­rungen zusam­men­kommen sollen, ist noch unklar. Das liegt an der Konzeption des Klima­schutz­ge­setzes, das selbst nur einen Rahmen enthält und Mecha­nismen für das Zusam­men­spiel der Minis­terien. Konkrete Gesetze müssen in Einzel­ge­setzen erlassen werden, aber hier halten sich die Minis­terien bedeckt. Den mühsamen Weg, die Zusatz­ein­spa­rungen in Zumutungen für Unter­nehmen, Hausei­gen­tümer, Autofahrer und Geschäfts­rei­sende umzusetzen, will die Koalition offenbar der nächsten Regierung vor die Füße legen (Miriam Vollmer).

 

2021-05-14T22:11:26+02:0014. Mai 2021|Energiepolitik, Umwelt|

Entwurf des neuen Klima­schutz­gesetz (KSG)

Das ging schnell: Nur eine Woche nach der Entscheidung des BVerfG, nach der das Klima­schutz­gesetz (KSG) aktuell unzurei­chend ist und novel­liert werden muss, hat das feder­füh­rende Bundes­um­welt­mi­nis­terium einen neuen Entwurf vorgelegt:

# Tatsächlich sollen die Klima­ziele verschärft werden. Statt 55% bis 2030 soll die Bundes­re­publik 65% schaffen. 2040 sollen 88% geschafft sein, 2045 Klima­neu­tra­lität erreicht werden. Bisher gab es für die Jahre nach 2030 keine zahlen­mäßig bestimmten Ziele. Das war ein wesent­licher Kritik­punkt des BVerfG.

# Ein neuer § 3a KSG soll den Beitrag natür­licher Ökosysteme abbilden.

# Der aktuelle § 3, künftig § 4 KSG wird um einen Auftrag zur Umsetzung von EU-Zielen mit Frist­be­stimmung angereichert.

# Der Exper­tenrat, den das KSG vorsieht, wird künftig aufge­wertet: Er soll alle zwei Jahre ein Gutachten vorlegen und konkrete Empfeh­lungen aussprechen.

# Ganz konkret wird es in den Anhängen. Hier ist die Aufteilung auf die unter­schied­lichen Sektoren vorge­sehen und damit nun auch geregelt, welche Branche welchen Anteil an den bis 2030 vorge­se­henen Zusatz­ein­spa­rungen erbringen soll. Die Energie­wirt­schaft soll den Löwen­anteil erbringen: Ihre Emissionen sollen 2030 um 38 % niedriger sein als bisher vorge­sehen. Die Industrie soll 15 % mehr einsparen, der Verkehr nur 11 %, die Landwirt­schaft 7 % und Gebäude 6%. 

# Für die Jahre nach 2030 enthält das KSG nun auch konkrete Zahlen: Bis auf die Landwirt­schaft und die Abfall­wirt­schaft sollen sich die Mengen zwischen 2030 und 2040 nochmal mehr als halbieren.

Klimawandel, Globale Erwärmung, Umwelt, Katastrophe

Kritiker weisen darauf hin, dass ein Teil der für die nächsten Jahre vorge­sehen Einspa­rungen faktisch schon erbracht wurde. So hat die Energi­wirt­schaft 2020 221 Mio t CO2 emittiert und nicht die im Entwurf vorge­sehen 280 Mio t. Die Einspa­rungen fallen unter Umständen damit nicht so imposant aus, wie es auf den ersten Blick wirkt. Insgesamt setzt der Minde­rungspfad, den das KSG vorsieht, aber erheb­liche Anstren­gungen in fast allen Bereichen voraus, so dass spätestens nach der Bundes­tagswahl für die Betrof­fenen teilweise einschnei­dende Novellen nicht auf sich warten lassen werden (Miriam Vollmer)

 

2021-05-07T19:47:22+02:007. Mai 2021|Energiepolitik, Umwelt|

Was nützt ein Klimaschutzgesetz?

Seit mehr als einer Dekade fordern Klima­schützer den Erlass eines Klima­schutz­ge­setzes. Es existieren Gutachten unter­schied­licher Insti­tu­tionen, sowohl im Auftrag staat­licher Insti­tu­tionen wie des Bundes-Umwelt­mi­nis­te­riums (BMU), als auch auf Betreiben der Umwelt­schutz­ver­bände. In der laufenden Legis­la­tur­pe­riode führt der Koali­ti­ons­vertrag das Klima­schutz­gesetz als Projekt der Koalition auf. Es gehört zu den Punkten, die der SPD besonders wichtig waren.

Nunmehr hat auch ein SPD-regiertes Haus, das fachzu­ständige BMU, einen Referen­ten­entwurf vorgelegt. Zwar warnen manche Ressorts vor einer Aufrüstung des Klima­schutzes, weil sie befürchten, dass wirtschaft­liche Inter­essen unter die Räder geraten könnten. Die Wahrschein­lichkeit, dass ein solches Gesetz in den nächsten Jahren die Geset­zes­samm­lungen schmückt, ist damit aber natur­gemäß drastisch gestiegen.

Doch bedeutet ein Klima­schutz­gesetz wirklich auch mehr Klima­schutz? Denn immerhin ist das Klima schon heute Schutzgut diverser Gesetze. Allen voran schützt Art. 20a Grund­gesetz auch das Klima. Es gehört zu den Schutz­gütern des Bundes-Immis­si­ons­schutz­ge­setzes. Das EEG fördert ebenso wie die EnEV den Klima­schutz, und der gesamte Emissi­ons­handel ist einzig und allein dazu da, um mehr Klima­schutz zu motivieren. Wäre – so die ketze­rische Frage – ein Klima­schutz­gesetz angesichts dieser Ausgangs­si­tuation denn überhaupt mehr als eine zugegeben praktische Zusam­men­stellung aller Regelungen im deutschen Recht, bei denen es darum geht, weniger Energie aus anderen Quellen einzu­setzen, um warm und trocken im Hellen zu sitzen, zu fahren oder Waren einzu­kaufen? In Gesetzen steht schließlich nichts anderes drin, nur weil sie woanders stehen.

Auch der – in den letzten Tagen u. a. bei Twitter gelobte – Umstand, dass dann alle Ressorts für mehr Klima­schutz adres­siert würden, ist auf den zweiten Blick wenig überzeugend. Auch Minis­terien, die derzeit Klima­schutz etwas kleiner schreiben als das BMU, sind schon heute an Art. 20a Abs. 1 GG gebunden, der den Schutz der natür­lichen Lebens­grund­lagen als Staats­ziel­be­stimmung ausweist. Und deutlich konkreter gibt eine Vielzahl von gemein­schafts­recht­lichen Richt­linien, die den einzelnen Ressorts Vorgaben für mehr Klima­schutz machen. Nicht zuletzt existieren auf europa­recht­licher Ebene konkrete Einspar­ziele, die, werden sie verletzt, empfind­liche Straf­zah­lungen nach sich ziehen können. Auch auf dieser Ebene würde ein Klima­schutz­gesetz deswegen wohl nicht mehr Klima­schutz auslösen. Aber er würde (auch) in einem deutschen Bundes­gesetz stehen.

Ist angesichts dessen der absehbare politische Aufwand, ein Klima­schutz­gesetz zu erlassen, eigentlich gerecht­fertigt? Deutsche Gesetze haben aus Sicht von Umwelt­schützern ja stets den Nachteil, dass die deutsche Öffent­lichkeit genau hinschaut, während noch viel weitrei­chendere Regel­werke in Brüssel im toten Winkel des politi­schen Journa­lismus einfach durch­laufen. Dies hat sich der insti­tu­tio­na­li­sierte Umwelt­schutz in den letzten Jahren doch schon oft zunutze gemacht.

Wir meinen trotzdem: Ein Klima­schutz­gesetz ist eine gute Sache. Denn ein Ganzes ist bekanntlich mehr als die Summe seiner Teile. Schon abseits der „großen Politik“ wären Vorzüge wie einheit­liche Begriffs­de­fi­ni­tionen, aufein­ander abgestimmte Verwei­sungen, überhaupt, ein allge­meiner Teil, das Vorhaben wert, weil sie mehr Rechts­si­cherheit schaffen. Auch wäre es sinnvoll, das Neben­ein­ander unter­schied­licher Politik­felder mehr zu verzahnen, u. a., um die Normadres­saten in Unter­nehmen dadurch zu entlasten, dass Reformen in unter­schied­lichen Sektoren zeitlich besser getaktet wären. Und auch die insti­tu­tio­nelle Seite und Fragen der Sicherung besserer Gesetz­gebung wie etwa regel­mäßige Review-Prozesse könnten so besser und effizi­enter, weil einheitlich, aufge­setzt werden. Das wird ein Klima­schutz­gesetz zwar nicht im ersten Anlauf schaffen. Aber ein Fundament, auf dem künftige Regie­rungen aufsetzen können, ist angesichts der derzei­tigen Rechts­zer­split­terung durchaus ein Ziel, für das sich politische Anstren­gungen lohnen.