Novelle der IED – die Krux mit den Transformationsplänen

Die IED-Novelle ist eigentlich durch. Am 12.04.2024 hatte der Minis­terrat die im Trilog erarbeitete Fassung der Novelle der Indus­trie­emis­si­ons­richt­linie (Indus­trial Emissions Directive – IED) angenommen (siehe hier). Seitdem ist es jedoch ruhig geworden. Die Veröf­fent­li­chung im Amtsblatt der EU ist unseres Wissens immer noch nicht erfolgt. Zeit, um noch einmal reinzu­schauen. Die neuen Vorschriften zielen auf einen besseren Schutz der mensch­lichen Gesundheit und der Umwelt ab, da schäd­liche Emissionen aus Indus­trie­an­lagen verringert und gleich­zeitig Energie­ef­fi­zienz, Kreis­lauf­wirt­schaft und Dekar­bo­ni­sierung gefördert werden. Schärfere Grenz­werte und strengere Geneh­mi­gungen sind die Losung und zudem ein breiterer Anwen­dungs­be­reich für weniger Indus­trie­emis­sionen. Die EU zielt auch auf eine Reduzierung der Bürokratie durch elektro­nische Geneh­mi­gungen ab. Beschleu­ni­gungs­ten­denzen gibt es auch national (siehe hier), aber die Erfahrung zeigt, dass es sicherlich nicht an der elektro­ni­schen Antrag­stellung liegt, dass Verfahren zu lange dauern.

Bei mehreren Themen gab es in der Industrie zum Novel­lie­rungs­prozess Bauch­schmerzen. Ein kriti­scher Aspekt sind für die Praxis die Trans­for­ma­ti­ons­pläne. Zwar wurden zwischen­zeitlich kolpor­tiert, sie wären gar nicht mehr drin, doch stimmt dies im Ergebnis nicht: Sie werden verpflichtend.

Für Unter­nehmen, die dem Anwen­dungs­be­reich der IED unter­fallen, gilt zukünftig, Trans­for­ma­ti­ons­pläne in ihre Umwelt­ma­nage­ment­systeme (die auch verpflichtend sind) aufzu­nehmen. Das Umwelt­ma­nage­ment­system muss dann anlagen­be­zogen sein und Angaben enthalten wie in der Anlage Abfälle vermieden, der Ressourcen‑, Energie- und Wasser­ver­brauch optimiert und der Gebrauch und die Emission von Gefahr­stoffen verhindert oder minimiert werden sollen. Im Trans­for­ma­ti­onsplan sollen dann die Infor­ma­tionen zu den Maßnahmen, die der Betreiber im Zeitraum 2030–2050 in der Anlage ergreifen wird, um bis zum Jahr 2050 zur Entwicklung einer nachhal­tigen, sauberen, kreis­lauf­ori­en­tierten, ressour­cen­ef­fi­zi­enten und klima­neu­tralen Wirtschaft beizu­tragen, einschließlich gegebe­nen­falls durch tiefgrei­fenden indus­tri­ellen Wandel. Diese Trans­for­ma­ti­ons­pläne werden auch die Anfor­de­rungen an die Nachhal­tig­keits­be­richt­erstattung von Unter­nehmen gemäß der Richt­linie 2013/34/EU ergänzen, da sie ein Mittel zur Umsetzung dieser Anfor­de­rungen auf Anlagen­ebene sind. Zunächst sind die energie­in­ten­siven Tätig­keiten dran: Betreiber von energie­in­ten­siven Anlagen sollen bis zum 30. Juni 2030 entspre­chende Trans­for­ma­ti­ons­pläne erstellen. Zwar sollen diese Trans­for­ma­ti­ons­pläne „indikative Dokumente“ – also wohl nicht bindende Dokumente – bleiben, die unter der Verant­wortung der Betreiber erstellt werden. Durch die Verpflichtung zur Veröf­fent­li­chung stellt sich das Problem des Schutzes von Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nissen. Zudem wird es wohl nicht ohne die Behörden, Umwelt­gut­achter und Audits gehen. Mangels klarer Vorgaben und Leistungs­kri­terien könnten sich die Trans­for­ma­ti­ons­pläne zu einer reinen Fleiß­arbeit entwi­ckeln und auch hier steht womöglich die Bürokratie der Trans­for­mation auf den Füßen. Wir dürfen also gespannt bleiben. (Dirk Buchsteiner)

2024-07-01T15:40:31+02:001. Juli 2024|Immissionsschutzrecht, Industrie|

Eilantrag auf Zurück­haltung von Umwelt­in­spek­ti­ons­be­richten: Zu OVG Münster, 8 B 1564/19

Seit 2013 ordnet § 52a Abs. 5 BImSchG an, dass Geneh­mi­gungs­be­hörden nach ihren regel­mä­ßigen Besich­ti­gungen von großen, geneh­mi­gungs­be­dürf­tigen Anlagen, die der Indus­trie­emis­si­ons­richt­linie 2010/75/EU unter­fallen, einen Umwelt­in­spek­ti­ons­be­richt anfer­tigen und diesen innerhalb von zwei Monaten dem Betreiber und innerhalb von vier Monaten der Öffent­lichkeit zur Verfügung stellen müssen. Aus dem Bericht sollen sich die

relevanten Feststel­lungen über die Einhaltung der Geneh­mi­gungs­an­for­de­rungen nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 und der Neben­be­stim­mungen nach § 12 sowie mit Schluss­fol­ge­rungen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind“

ergeben. Zu deutsch: In dem Bericht steht, ob das Unter­nehmen, das die überwachte Indus­trie­anlage betreibt, sich immis­si­ons­schutz­rechtlich etwas hat zuschulden kommen lassen. Für die Gründe, die ein Unter­nehmen berech­tigen, Infor­ma­tionen zurück­halten zu lassen, gilt der Maßstab des Umwelt­in­for­ma­ti­ons­ge­setzes (UIG), dies betrifft zB Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.

Klar, dass diese Veröf­fent­li­chung Konflikt­po­tential besitzt. Schließlich kann ein fehler­hafter oder mindestens missver­ständ­licher Bericht ein Unter­nehmen in ein schlechtes Licht rücken. Selbst wenn sich im weiteren Verlauf heraus­stellen sollte, dass die angeb­lichen immis­si­ons­schutz­recht­lichen Mängel nicht oder zumindest nicht so bestehen, wäre der Schaden bereits einge­treten, denn mögli­cher­weise nehmen Leser der im Internet publi­zierten Berichte spätere Korrek­turen gar nicht mehr wahr.

Um diesen Konflikt ging es auch in einem Eilver­fahren, das das OVG Münster am 28. August 2020 entschied (8 B 1564/19). Hier hatte ein Unter­nehmen zunächst beim VG Düsseldorf einen Eilantrag gestellt, um die Publi­kation des Inspek­ti­ons­be­richts bis zur Klärung im Haupt­sa­che­ver­fahren unter­binden zu lassen, weil bei einer vorläu­figen Veröf­fent­li­chung mit anschlie­ßender Löschung bereits ein mögli­cher­weise irrepa­rabler Schaden einge­treten sein könnte.

Schon das VG Düsseldorf war mit Beschluss vom 5. November 2019 (3 L 3144/18) dem Antrag des Unter­nehmens nachge­kommen. Ein Teil der angeb­lichen Verstöße war auch im Inspek­ti­ons­be­richt als für die Umwelt irrelevant gekenn­zeichnet, solche Verstöße würden nicht in den Bericht gehören. Dem hatte sich die Behörde im Verfahren sogar angeschlossen. Das und die ungeklärte Sachlage in weiteren Einzel­punkten reichte dem VG, um die Veröf­fent­li­chung erst einmal bis zur gericht­lichen Aufar­beitung im Haupt­sa­che­ver­fahren zu stoppen.

Das von der Behörde hiergegen angeru­fenen OVG Münster bestä­tigte diesen Beschluss. Der Umwelt­in­spek­ti­ons­be­richt bleibt also weiter unter Verschluss, bis das Haupt­sa­che­ver­fahren abgeschlossen ist. Die erfor­der­liche Richtig­keits­gewähr und Unmiss­ver­ständ­lichkeit des Berichts sei nicht gegeben. Das OVG benannte insgesamt fünf einzelne von der Behörde beanstandete Mängel, die missver­ständlich, ungenau beschrieben, nicht nachvoll­ziehbar katego­ri­siert oder einfach bisher nicht nachge­wie­se­ner­maßen zutreffend sind. Bei Veröf­fent­li­chung würden unmit­telbar negative wirtschaft­liche Folgen drohen, mögli­cher­weise könnten ja Kunden oder Geschäfts­partner dem Unter­nehmen nicht mehr wie bisher vertrauen.

Inter­essant ist auch eine Passage am Ende, wo der entschei­dende Senat begründet, wieso auch nicht teilweise geschwärzt publi­ziert werden könnte. Hier führen die Richter aus, dass ein teilweise geschwärzter Bericht erst recht Anlass zu Missver­ständ­nissen und Speku­la­tionen bieten würde.

Was bedeutet das für die Praxis? Wer eine Indus­trie­anlage nach der IED betreibt, sollte den Inspek­ti­ons­be­richt, der ihm spätestens zwei Wochen nach dem Besuch zugeht, sofort sorgfältig prüfen (lassen). Er hat ab nämlich nur vier Wochen ab dem Besuch (Nicht ab Erhalt des Berichts!), um auf die Umwelt­be­hörde zuzugehen, wenn der Umwelt­in­spek­ti­ons­be­richt proble­ma­tisch ist und nicht online gestellt werden soll, und notfalls einen Eilantrag anhängig zu machen. Die gute Nachricht: Die Recht­spre­chung erkennt die Proble­matik, dass spätere Korrek­turen oft nichts mehr nützen, um einen einmal lädierten Ruf wieder­her­zu­stellen (Miriam Vollmer).

 

2021-03-04T21:27:32+01:004. März 2021|Industrie, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Streit um Quecksilber

In doch eher seltener Einmü­tigkeit wendet sich eine Reihe von Verbänden gegen ein Arbeits­papier des Bundes­um­welt­mi­nis­te­riums zur Änderung der 13. Bundes-Imissi­ons­schutz­ver­ordnung (13. BImSchV), die vor allem Schad­stoff­grenz­werte für Großfeue­rungs­an­lagen enthält. Das Papier unter­laufe durch überam­bi­tio­nierte Grenz­wert­vor­schläge für Queck­silber die Beschlüsse der Kohlekommission.Was ist passiert?

Die 2010 erlassene Industrie-Emissi­ons­richt­linie (IED) sieht vor, dass alle acht Jahre neue Grenz­werte für die von der IED erfassten Anlagen gemein­schaftsweit erlassen werden. Diese sollen dann innerhalb von vier Jahren von allen Großfeue­rungs­an­lagen in Europa einge­halten werden. Dieses ehrgeizige Programm wird durch engma­schige Berichts­pflichten flankiert.Für die Großfeue­rungs­an­lagen, also Anlagen mit mindestens 50 MW Feuerungs­wär­me­leistung, ist 2017 das so genannte LCPBREF in Kraft getreten. In den verbind­lichen Schluss­fol­ge­rungen dieses Beschlusses sind Bandbreiten vorge­sehen, die von Europas großen Anlagen bis nunmehr 2021 einzu­halten sind. Hieraus resul­tiert: die 13. BImSchV muss dringend über arbeitet werden.

Bei der Frage, wo innerhalb der gemein­schaftsweit geltenden Bandbreiten nun die Bundes­re­publik ihren Grenzwert findet, hat das feder­füh­rende BMU gewisse Spiel­räume. Es hängt also von einer politi­schen Entscheidung in Deutschland ab, wie anspruchsvoll die Werte ausfallen, und damit: Ob und wer unter den deutschen Kraft­werks­be­treiber seine Anlage unter teilweise erheb­lichem finan­zi­ellen Aufwand nachrüsten oder gar ganz abschalten muss.

Im Hinblick auf Queck­silber hat das Umwelt­mi­nis­terium sich für eine harte Gangart entschieden. Dies wird nun von Seiten der Verbände kriti­siert: Die vorge­se­henen Grenz­werte seien so anspruchsvoll, dass die Anlagen sie selbst mit Nachrüs­tungen nicht mehr stemmen könnten. Sie würden ihre Geneh­mi­gungen verlieren und müssten still­gelegt werden. Auf diese Weise, so der Verdacht, würde das Umwelt­mi­nis­terium versuchen, die aus Sicht der beamteten Umwelt­schützer unzurei­chenden Ergeb­nisse der Kohle­kom­mission auf eigene Faust und weit über den erzielten Konsens hinaus nachzu­bessern. Ein solcher Kohle­aus­stieg durch die kalte Küche sei von den Beschlüssen der Kohle­kom­mission nicht gedeckt, die den Ausstieg nicht 2021, sondern gestreckt bis 2038 vorge­sehen hat.

Bei Gericht käme man mit diesem Argument kaum weiter. Die Kohle­kom­mission konnte schon keine verbind­lichen Beschlüsse fassen, sondern politische Entschei­dungen durch Bundestag und Bundesrat nur vorbe­reiten. Ihr Beschluss ist also nicht verbindlich. Überdies beschäf­tigte sich die Kohle­kom­mission mit dem Kohle­aus­stieg unter dem Aspekt des Klima­schutzes. Der Schutz vor Schad­stoffen, der im BImSchG und seinen Verord­nungen geregelt ist, ist eine andere, keineswegs explizit oder auch nur diffus mitge­re­gelte Materie. Es gibt also keine implizite Garantie, alle deutschen Kohle­kraft­werke bis spätestens 2038 betreiben zu dürfen, völlig egal, was genau aus ihrem Schorn­stein kommt.

Politisch ist der Verweis auf die Kohle­kom­mission aber zumindest teilweise durchaus valide. Werden Beschlüsse, die wie die der Kohle­kom­mission in einem breiten, gesell­schaft­lichen Konsens gefällt werden, auf diese Weise unmit­telbar und bei nächster sich bietender Gelegenheit wieder infrage gestellt, schwächt man solche Möglich­keiten der gesell­schaft­lichen Parti­zi­pation mögli­cher­weise nachhaltig. Damit nimmt die Bundes­re­publik sich für die Zukunft unter Umständen ein Instrument, besonders umstrittene Frage­stel­lungen unter Einbe­ziehung aller relevanten gesell­schaft­lichen Gruppen befrie­digend und dauerhaft aufzulösen.