Baurecht: Planungs­be­schleu­nigung europarechtswidrig

Der deutsche Gesetz- und Verord­nungs­geber versucht aktuell in vielen Bereichen Planungen zu beschleu­nigen, oft auch durch Anpassung des Rechts­rahmens. Aller­dings zeigt ein aktuelles Urteil des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, dass dabei Europa­recht beachtet werden muss. Denn sonst können beschleu­nigte Planungen rechts­widrig sein – und in der Folge erst recht verzögert werden.

Aller­dings handelt es sich bei dem vor dem Gericht verhan­delten Fall bisher nicht um die brisanten Planungen im Bereich der Energie­krise, ‑wende oder Infra­struktur, wie zum Beispiel LNG-Terminals, Windparks oder Autobahnen, sondern um einen schlichten Bebau­ungsplan im Außen­be­reich: Eine Gemeinde hatte im planungs­recht­lichen Außen­be­reich per Bebau­ungsplan ein ca. 3 ha großes Wohngebiet ausge­wiesen. Dabei wurde aufgrund der Ausnahme des § 13b BauGB ein verein­fachtes Verfahren durch­ge­führt. Das heißt, dass unter anderem auf die Umwelt­prüfung verzichtet wurde. Dies bemän­gelte ein Umwelt­verband, der daher gegen den Bebau­ungsplan klagte.

Nachdem sowohl das Verwal­tungs­ge­richt als auch der baden-württem­ber­gische Verwal­tungs­ge­richtshof der Gemeinde recht gegeben hatte, hat das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt nun der Klägerin zu ihrem Recht verholfen und § 13b BauGB für unwirksam erklärt:

Der Plan leide an einem beacht­lichen Verfah­rens­fehler und sei zu Unrecht im beschleu­nigten Verfahren nach § 13b Satz 1 BauGB erlassen worden. Diese Vorschrift verstoße nämlich gegen Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 der Richt­linie über die Strate­gische Umwelt­prüfung (SUP-RL). Art. 3 Abs. 1 SUP-RL verlangt eine Umwelt­prüfung für  Pläne, die voraus­sichtlich erheb­liche Umwelt­aus­wir­kungen haben.

Deutschland hat sich in § 13b BauGB dagegen entschieden, diese Frage nach der Erheb­lichkeit der Umwelt­aus­wir­kungen nicht durch eine Einzel­fall­prüfung, sondern durch eine sogenannte „Artfest­legung“ entscheiden. Das heißt, dass bei bestimmten Typen von Plänen davon ausge­gangen wird, dass keine erheb­lichen Auswir­kungen bestehen. Dies ist zwar grund­sätzlich möglich, aber es muss nach der Recht­spre­chung des Europäi­schen Gerichtshofs gewähr­leistet sein, dass erheb­liche Umwelt­aus­wir­kungen in jedem Fall von vornherein ausge­schlossen sind.

Dies sei gerade bei Außen­be­reichs­flächen nach Auffassung des BVerwG nicht der Fall. Daher verstoße der § 13b BauGB gegen Europa­recht. Diese Recht­spre­chung betrifft viele für Kommunen relevante Planungen. Sie lässt auch ahnen, dass unter Umständen auch die deutsche Planungs­be­schleu­nigung noch durch Europäi­sches Recht heraus­ge­fordert werden könnte. (Olaf Dilling)

 

2023-07-20T18:39:48+02:0020. Juli 2023|Rechtsprechung, Umwelt|

Gas-Richt­linie und Grund­ver­sorgung (BGH v. 29. Januar 2020 – VIII ZR 75/19)

Eine sowohl energie­wirt­schaftlich als auch rechtlich inter­es­sante Entscheidung vom 29. Januar 2020 (VIII ZR 75/19) hat der BGH am 05.03.2020 veröf­fent­licht. Anlass des Urteils, das einen jahre­langen Rechts­streit abschließt, waren Preis­an­pas­sungen durch einen kommu­nalen Gasver­sorger in den Jahren 2004 bis 2014 (jaja, so langsam mahlen manchmal die Mühlen der Justiz) gegenüber einem grund­ver­sorgten Kunden (zur Grund­ver­sorgung ausführ­licher hier).

Der Versorger hatte die Tarife der Grund­ver­sorgung mehrfach sowohl nach oben als auch nach unten angepasst. Diese Anpas­sungen entsprachen den Vorgaben des BGH, der 2015 ein einsei­tiges Preis­an­pas­sungs­recht in der Strom- und Gasgrund­ver­sorgung bejahte, wenn (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 – VIII ZR 158/11), wenn der Versorger nur die eigene Bezugs­kos­ten­ent­wicklung weitergibt und nicht etwa einseitig seine Marge steigert. Insofern waren dem Stadtwerk keine Vorstöße gegen die strikten Vorgaben für Grund­ver­sorger zur Last zu legen. Doch bei der Weitergabe der Preise hatte er – das war im Rechts­streit unstreitig – die Trans­pa­renz­an­for­de­rungen der Gas-Richt­linie 2003/55/EG nicht beachtet. Deren Umset­zungs­frist war im streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum bereits abgelaufen. Die Bundes­re­publik hatte die Trans­pa­renz­vor­gaben der Gas-Richt­linie aber noch nicht in deutsches Recht gegossen.

Kern des Rechts­streits war damit die Frage, ob die Stadt­werke auch ohne Umsetzung der Gas-Richt­linie durch den Gesetz­geber an die Richt­linie gebunden sind und diese damit damals schon unmit­telbar galt. Der Kläger berief sich darauf, die Stadt­werke seien an die Richt­linie gebunden gewesen, weil es sich bei ihnen um einen Teil des Staats­ap­pa­rates handele. Sie seien ja als voll kommunale Einrichtung nichts anderes als „der Staat  in anderem Gewand“.

Dies sah der BGH am Ende anders. Auch kommunale Stadt­werke seien nicht so staatsnah, dass sie wie Behörden zu betrachten seien, denen gegenüber sich der Kläger nach Ablauf der Umset­zungs­frist unmit­telbar auf die Gasricht­linie berufen können. Stadt­werke würden nämlich weder öffent­liche Gewalt ausüben, noch öffent­liche Verwal­tungs­auf­gaben wahrnehmen. Der BGH stellt also auf eine funktionale Betrachtung ab. Eine Notwen­digkeit, diese Sicht dem EuGH zur Voirab­ent­scheidung vorzu­legen, sah der Senat nicht.

Mit dem Urteil kommt der BGH im Ergebnis zu einer wohlab­ge­wo­genen Sicht auf die komunale Energie­wirt­schaft. Sie konkur­riert mit Privaten, sie unter­liegt denselben Regelungen wie Private. Es ist nur folge­richtig, dass sie damit auch keinen anderen Verpflich­tungen in energie­recht­licher Hinsicht unter­liegt, wenn sie sich schon nicht per Verfas­sungs­be­schwerde beschweren darf (Miriam Vollmer).

2020-04-23T13:56:25+02:0023. April 2020|Allgemein, Gas, Vertrieb|