Der britische Emissionshandel

Mit dem Austritt aus der EU hat Großbri­tannien auch das europäische Emissi­ons­han­dels­system verlassen. Doch wer gehofft hatte, mit der ungeliebten EU auch den Emissi­ons­handel ganz abzuschütteln, dürfte sich enttäuscht zeigen: Großbri­tannien hat nun einen neuen, eigenen Emissi­ons­handel auf Basis des Green­house Gas Emissions Trading Scheme Order 2020. Der neue Emissi­ons­handel in UK ist zwar viel kleiner als der der EU, setzt aber auf die bekannten Struk­turen von Cap and Trade auf. Schließlich will UK bis 2050 klima­neutral sein, bis 2035 ist eine Minderung von 78% angepeilt.

Der neue Emissi­ons­handel sieht dem alten täuschend ähnlich. Auch im UK ETS sind Anlagen ab 20 MW Feuerungs­wär­me­leistung (FWL) emissi­ons­han­dels­pflichtig, daneben Flüge, die UK berühren. Nur die nordiri­schen Strom­erzeuger bleiben im EU-System. Die neuen Emissi­ons­ge­neh­mi­gungen für die Briten setzen aber auf die bishe­rigen EU-Geneh­mi­gungen auf. Auch das Register und die Konten­ka­te­gorien orien­tieren sich am bishe­rigen Status Quo.

Wie die EU-Betreiber werden auch die UK-Betreiber eine kostenlose Zuteilung erhalten, Grundlage hierfür ist The Green­house Gas Emissions Trading Scheme (Amendment) Order 2020. Für die Bench­marks greift UK auf die EU-Bench­marks zurück. Regel­al­lo­kation ist aber auch in UK die Verstei­gerung. Am ersten Handelstag im Mai 2021 ergaben sich Preise zwischen 45 £ und 50 £.

UK hatte auch schon in der Vergan­genheit einen CO2-Mindest­preis. Diesen nimmt UK in sein eigenes System mit. Er beträgt 22 £ pro Tonne. Doch UK will nicht nur einen Preis­verfall vermeiden, der das Instrument entwerten würde. Ein Cost Containment Mechanism soll Preis­spitzen oberhalb des Doppelten eines zweijäh­rigen Preis­mittels verhindern und erlaubt es, Aukti­ons­mengen zeitlich zu verlagern oder Zusatz­mengen freizugeben.

Brexit, Ausstieg, Großbritannien, England

Bis jetzt gibt es noch keine Kompa­ti­bi­lität von UK-ETS und EU-ETS, trotz dringender Appelle briti­scher Markt­teil­nehmer. Auch eine Umtausch­barkeit der Zerti­fikate gibt es nicht. Für den kleinen UK-ETS ist dies trotz aller Siche­rungs­maß­nahmen keine gute Nachricht. Kleine Märkte können schon durch verhält­nis­mäßig geringe Handels­mengen verzerrt werden. Erklärtes Ziel der briti­schen Indus­trie­ver­bände ist daher eine Verbindung der Systeme. Doch die politische Lage spricht eher gegen eine solche schnelle, pragma­tische Lösung. Es bleibt mithin abzuwarten, ob Großbri­tannien in den nächsten Jahren zumindest in dieser Hinsicht wieder Anschluss an den Kontinent findet (Miriam Vollmer).

2021-06-11T23:02:33+02:0011. Juni 2021|Emissionshandel, Energiewende weltweit, Umwelt|

Emissi­ons­handel und Brexit: Was plant die KOM, was können Sie tun?

Nachdem das britische Unterhaus das Verhand­lungs­er­gebnis der Regierung May nicht annehmen wollte, steigt das Risiko, dass Großbri­tannien am 30.03.2019 ungeordnet die Europäische Union verlässt. Während auch führende britische Politiker noch immer meinen, dies sei unpro­ble­ma­tisch möglich, sind die briti­schen Wirtschafts­ver­bände nicht so optimis­tisch. Um zumindest den völligen Zusam­men­bruch des Zusam­men­spiels über den Ärmel­kanal hinweg zu verhindern, hat die Europäische Kommission nun immerhin einen Notfallplan vorgelegt. Dieser umfasst auch Regelungen für den Emissionshandel.

Dies ist auch bitte nötig. Denn das Austritts­datum am 30.03.2019 birgt Spreng­stoff. Der Mecha­nismus des Emissi­ons­handels sieht es nämlich vor, dass am 28.02.2019 alle Anlagen­be­treiber der EU (außer Strom­erzeugern) ihre kosten­losen Zutei­lungen bekommen. Und am 30.04.2019 alle abgeben. Da zum Ausschüt­tungs­zeit­punkt die Briten noch Mitglied­staat der EU sind, die also ihre Berech­ti­gungen bekämen, zum Abgabe­zeit­punkt aber nicht mehr abgeben müssten, weil mit der Mitglied­schaft der Briten im Club der dann nicht mehr 27 natur­gemäß auch die Teilnahme am europäi­schen Emissi­ons­handel endet, würde sonst eine komplette Jahres­tranche frei. Bekanntlich sind Emissi­ons­be­rech­ti­gungen handelbar. Der Preis­verfall durch Überan­gebot – nur teilweise kompen­siert durch die Markt­sta­bi­li­täts­re­serve – wäre vorprogrammiert.

Die einfachste Lösung wäre es, an die Briten einfach schon im Februar nichts mehr zuzuteilen. Doch da sind sie noch Mitglied. Und überdies hofft wohl ganz Europa, dass sich im letzten Moment doch noch eine bessere Lösung als ein No-deal ergibt. Deswegen plant die Kommission nun eine Zuteilung. Die Zerti­fikate, die in Großbri­tannien zugeteilt oder umgetauscht oder auktio­niert werden, werden aber markiert.

Nun existieren Zerti­fikate nur noch elektro­nisch. Ein „roter Punkt“ verbietet sich also. Ein elektro­ni­scher Punkt muss her. Zerti­fikate, die diesen „Punkt“ aufweisen, könnten dann nicht mehr zur Abgabe genutzt werden. Charme an der Sache: Wenn die Briten doch in der EU, oder zumindest im Emissi­ons­handel blieben, könnte die Maßnahme umgehend suspen­diert werden, so dass das ETS weiter­liefe wie bisher. Auch, wenn die Briten die Abgabe schlicht (was wohl disku­tiert wird) um einige Wochen vorziehen, wäre dies denkbar.

Wie die Markierung ausge­staltet werden soll, ist noch nicht bekannt. Doch auch wenn erkennbar ist, wie britische unver­wertbare Zerti­fikate aussehen, sind die Anlagen­be­treiber in den verblei­benden EU-Mitglied­staaten nicht sicher. Denn bis jetzt gibt es keine technische Möglichkeit, beim Kauf von Zerti­fi­katen einzelne Berech­ti­gungen an- oder abzuwählen. Dann nützt es natürlich auch nichts, wenn man die „faulen Eier“ erkennt.

Es ist anzunehmen, dass die Kommission für dieses Problem eine Lösung suchen und hoffentlich auch finden wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass letztlich nicht zur Abgabe verwertbare Berech­ti­gungen an gutgläubige Dritte verkauft werden. Angesichts der Kürze der Zeit, die nur noch für belastbare technische Lösungen zu Verfügung steht, sollten Anlagen­be­treiber sich über das Vertrauen in die Funktio­na­lität des Systems hinaus absichern. Und bei Kaufver­trägen, die nach dem 28.02.2019 zu erfüllen sind, ausdrücklich regeln, dass das Risiko, britische nicht zur Abgabe geeignete Zerti­fikate zu erhalten, nicht ihnen zur Last fällt.

2018-12-21T00:13:12+01:0021. Dezember 2018|Emissionshandel, Industrie, Strom, Umwelt, Wärme|

Brexit oder Brücke?

Es ist fast ein bisschen mitleid­erregend, zurzeit nach Westminster zu schauen. Wenn von der BBC spätabends politische Diskus­sionen übertragen werden, sind vor allem ratlose, wütende und verzagte Gesichter zu sehen. Es ist wohl nicht wirklich die Stimmung, die sich die Verfechter einer souve­ränen Insel-Nation erwartet hatten. Dieje­nigen, die sich vom Brexit einen klaren Schnitt von der EU erwartet hatten, dürften spätestens jetzt einge­sehen haben, dass die Klarheit und Einfachheit dieses Schnitts eine Illusion war.

Klar ist derzeit nur, dass es zur Zeit der Entscheidung über den Brexit noch vollkommen unklar war, was auf Großbri­tannien zukommen würde. Und der Brexit hat in dem Moment aufgehört einfach zu sein, als deutlich wurde, dass der scheinbar einfache Pfad, der mit der Entscheidung zum Austritt aus der EU einge­schlagen wurde, sich in unendlich viele Verzwei­gungen und Sackgassen verläuft. Von diesen Verzwei­gungen sind, wie sich nun selbst viele Befür­worter des Austritts einge­stehen müssen, die aller­meisten gangbaren ganz eindeutig keine Verbes­serung gegenüber der Mitglied­schaft in der EU.

Vor allem führt die aktuelle politische Unsicherheit auch für Unter­nehmen zu einer unerträg­lichen, weiterhin andau­ernden Rechts­un­si­cherheit. Bis jetzt ist nicht klar, welche Regeln ab März 2019 gelten werden: Die von der Regierung May tatsächlich ausge­han­delten, Neuver­hand­lungen auf der Basis einsei­tiger Wunsch­vor­stel­lungen, gar keine Verein­ba­rungen im Sinne eines harten Brexit – oder doch eine Rückkehr zur Vollmit­glied­schaft? Dass der geordnete Rückzug vom Brexit gestern durch den Europäische Gerichtshof noch als rechtlich möglicher Weg ergänzt wurde, hat in Westminster offenbar so für Verwirrung gesorgt, dass Theresa May die für heute geplante Abstimmung über ihre Verein­barung mit der EU im Unterhaus auf unbestimmte Zeit verschoben hat.

Es handelt sich im Kontext des Brexits sicherlich nicht um das brennendste Problem, aber selbst in der Energie­wirt­schaft würde sich Etliches zum Schlech­teren wenden; jeden­falls dann, wenn nach dem aktuellen Stimmungsbild im Unterhaus zwar am Brexit festge­halten, aber Theresa Mays Verein­ba­rungen nicht unter­stützt werden. Großbri­tannien wird dann nicht nur aus dem Euratom-Vertrag und der gemein­samen Forschung über die Kernfusion aussteigen. Auch der gemeinsame Energie­bin­nen­markt würde wieder separiert werden. Steigende Energie­preise und eine Verschlech­terung der Versor­gungs­si­cherheit wären die wahrschein­liche Konse­quenz. Zudem könnte Großbri­tannien dann auch umwelt- und klima­po­li­tisch ausscheren und den Ausbau der erneu­er­baren Energien vernach­läs­sigen. Jeden­falls gibt es im Land selbst nun Befürch­tungen, dass es wieder, wie in den 1980er Jahren, zum „dirty man of Europe“ werden könnte.

Die Moral, die sich Populisten und ihre Anhänger hinter die Ohren schreiben sollten: wenn über Jahre Zusam­men­ge­wach­senes plötzlich nicht mehr zusammen gehören soll, dann ist heillose Verwirrung und Paralyse die Folge, auch wenn ein klarer Schnitt und souveräne Freiheit inten­diert war. England, you could and you can do better, denken wir uns und zitieren zum Beweis John Donnes prophe­tische Meditation von 1623 über die Vernetzung des Menschen in einem großen Ganzen:

No man is an island entire of itself; every man / is a piece of the continent, a part of the main / if a clod be washed away by the sea, Europe / is the less…”

Vielleicht, so hoffen wir, lässt sich die Insel Albion ja doch wieder mit dem Kontinent verbinden. Der Europäische Gerichthof hat eine Brücke gebaut. Die Briten brauchen sie nur noch zu beschreiten.

2018-12-11T08:55:30+01:0011. Dezember 2018|Allgemein, Energiepolitik, Umwelt|