EEG: BGH zur Anlagen­zu­sam­men­fassung vom 14.07.2020

Wann gehören benach­barte Anlagen zusammen? Diese Frage spielt in vielfacher Hinsicht eine große Rolle, unter anderem bei Anlagen nach dem Erneu­erbare-Energien-Gesetz (EEG). Mit einer solchen Konstel­lation hat sich der BGH am 14. Juli 2020 beschäftigt (XIII ZR 12/19).

In dem Verfahren ging es um eine Windkraft­anlage (WEA). Der Netzbe­treiber vertrat die Ansicht, dass diese WEA mit einer 600 m entfernten anderen WEA desselben Betreibers eine gemeinsame Anlage im Sinne des EEG darstellt. Der Betreiber sah dies anders. Da die Frage, wie viele Anlagen es vor Ort gibt, Auswir­kungen auf die Zahlung der Markt­prämie hatte, ging die Sache vor Gericht.

Anders als die Vorin­stanz, das OLG Braun­schweig, sah der BGH die beiden WEA gemessen an § 24 Absatz 1 Nr. 1 EEG als nur eine Anlage an. Der BGH unter­strich, dass es für die Zusam­men­fassung nicht reicht, dass die beiden Anlagen formell auf demselben Grund­stück stehen. Die vom Gesetz gefor­derte „unmit­telbare räumlice Nähe“ bemesse sich nach einem autonomen Prüfungsmaßstab.

Der BGH setzt sich recht ausführlich mit dem Sinn und Zweck der Regelung ausein­ander. Diese soll Umgehungen durch gezielte Zerlegung von Stand­orten vermeiden. Das bedeute aber nicht, dass dann, wenn nachweislich kein Missbrauch ursächlich für die konkrete Anlagen­kon­stel­lation sei, keine Zusam­men­fassung statt­finde. Statt dessen will der Senat den Begriff der Nähe funktional verstanden wissen. Mit anderen Worten: Es soll nicht auf die Distanz in Metern ankommen, sondern darauf, ob die Anlagen zusam­men­ge­hören. Das sei der Fall, wenn sie gemeinsame Infra­struk­turen nutzen, insbe­sondere einen gemein­samen Netzan­schluss­punkt. In den meisten Fällen bedeutet das: Alle Anlagen eines Betreibers am selben Netzan­schluss­punkt gehören danach zusammen (Miriam Vollmer).

2020-11-26T21:19:41+01:0026. November 2020|Erneuerbare Energien|

Fernwärme: Wie ändert man einen Wärmeliefervertrag?

Manchmal schaffen es Gerichte auch, dass am Ende eines langen Rechts­streits keiner zufrieden ist. So etwa in Hinblick auf einen Rechts­streit, über den der Bundes­ge­richtshof (BGH) gestern entschieden hat. Kern des Verfahrens war die Frage, ob die beklagten Fernwär­me­ver­sorger die Preis­gleit­klauseln in ihren Fernwär­me­ver­sor­gungs­ver­trägen einseitig durch Veröf­fent­li­chung ändern durften (ausführlich hier). Sie stützten diese – verbreitete – Praxis auf § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV, der lautet:

Änderungen der allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen werden erst nach öffent­licher Bekanntgabe wirksam.“

Die Verbrau­cher­zen­tralen meinen, dass diese Regelung kein einsei­tiges Änderungs­recht hergibt. Wenn Versor­gungs­be­din­gungen sich ändern, wäre stets eine beidseitige Änderung des Vertrags notwendig. Aller­dings ist dies im Massen­ge­schäft mit Fernwärme ausge­sprochen aufwändig und schwierig. Gleichwohl: Der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­verband (vzbv) mahnte zwei hessische Versorger ab. Diese wehrten sich, unter­lagen aber erst vorm Landge­richt Darmstadt und sodann beim Oberlan­des­ge­richt Frankfurt.

Der BGH hat nun auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.2020 die im Streit stehende Rechts­frage nicht beant­wortet. Er hat aber – damit hat der vzbv verloren – entschieden, dass der angeb­liche Verstoß nicht abgemahnt werden konnte, weil er wohl nicht als irreführend anzusehen ist. Die Rechts­frage ist schlicht zu komplex für eine solche Einordnung. Details der Entscheidung werden sicherlich aus den noch nicht vorlie­genden Urteils­gründen hervorgehen.

Was folgt daraus nun für die Praxis? Eine abschlie­ßende Klärung, wie Fernwär­me­lie­fer­ver­träge nach der AVBFern­wärmeV geändert werden, steht weiter aus. Aller­dings gibt es mit den Entschei­dungen aus Frankfurt und Hamburg eine klare Tendenz der Recht­spre­chung gegen einseitige Änderungen von Allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen. Wer als Versorger Rechts­si­cherheit will, muss also den steinigen Weg gehen, an jeden einzelnen Kunden heran­zu­treten (Miriam Vollmer).

 

 

2020-04-24T13:06:08+02:0024. April 2020|Verkehr, Wärme|

Gas-Richt­linie und Grund­ver­sorgung (BGH v. 29. Januar 2020 – VIII ZR 75/19)

Eine sowohl energie­wirt­schaftlich als auch rechtlich inter­es­sante Entscheidung vom 29. Januar 2020 (VIII ZR 75/19) hat der BGH am 05.03.2020 veröf­fent­licht. Anlass des Urteils, das einen jahre­langen Rechts­streit abschließt, waren Preis­an­pas­sungen durch einen kommu­nalen Gasver­sorger in den Jahren 2004 bis 2014 (jaja, so langsam mahlen manchmal die Mühlen der Justiz) gegenüber einem grund­ver­sorgten Kunden (zur Grund­ver­sorgung ausführ­licher hier).

Der Versorger hatte die Tarife der Grund­ver­sorgung mehrfach sowohl nach oben als auch nach unten angepasst. Diese Anpas­sungen entsprachen den Vorgaben des BGH, der 2015 ein einsei­tiges Preis­an­pas­sungs­recht in der Strom- und Gasgrund­ver­sorgung bejahte, wenn (BGH, Urteil vom 28. Oktober 2015 – VIII ZR 158/11), wenn der Versorger nur die eigene Bezugs­kos­ten­ent­wicklung weitergibt und nicht etwa einseitig seine Marge steigert. Insofern waren dem Stadtwerk keine Vorstöße gegen die strikten Vorgaben für Grund­ver­sorger zur Last zu legen. Doch bei der Weitergabe der Preise hatte er – das war im Rechts­streit unstreitig – die Trans­pa­renz­an­for­de­rungen der Gas-Richt­linie 2003/55/EG nicht beachtet. Deren Umset­zungs­frist war im streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum bereits abgelaufen. Die Bundes­re­publik hatte die Trans­pa­renz­vor­gaben der Gas-Richt­linie aber noch nicht in deutsches Recht gegossen.

Kern des Rechts­streits war damit die Frage, ob die Stadt­werke auch ohne Umsetzung der Gas-Richt­linie durch den Gesetz­geber an die Richt­linie gebunden sind und diese damit damals schon unmit­telbar galt. Der Kläger berief sich darauf, die Stadt­werke seien an die Richt­linie gebunden gewesen, weil es sich bei ihnen um einen Teil des Staats­ap­pa­rates handele. Sie seien ja als voll kommunale Einrichtung nichts anderes als „der Staat  in anderem Gewand“.

Dies sah der BGH am Ende anders. Auch kommunale Stadt­werke seien nicht so staatsnah, dass sie wie Behörden zu betrachten seien, denen gegenüber sich der Kläger nach Ablauf der Umset­zungs­frist unmit­telbar auf die Gasricht­linie berufen können. Stadt­werke würden nämlich weder öffent­liche Gewalt ausüben, noch öffent­liche Verwal­tungs­auf­gaben wahrnehmen. Der BGH stellt also auf eine funktionale Betrachtung ab. Eine Notwen­digkeit, diese Sicht dem EuGH zur Voirab­ent­scheidung vorzu­legen, sah der Senat nicht.

Mit dem Urteil kommt der BGH im Ergebnis zu einer wohlab­ge­wo­genen Sicht auf die komunale Energie­wirt­schaft. Sie konkur­riert mit Privaten, sie unter­liegt denselben Regelungen wie Private. Es ist nur folge­richtig, dass sie damit auch keinen anderen Verpflich­tungen in energie­recht­licher Hinsicht unter­liegt, wenn sie sich schon nicht per Verfas­sungs­be­schwerde beschweren darf (Miriam Vollmer).

2020-04-23T13:56:25+02:0023. April 2020|Allgemein, Gas, Vertrieb|