Wann ist Erzeugung dezentral?

Der § 18 der StromNEV gewährt bei Einspeisung ins Nieder­span­nungs- oder ins Mittel­span­nungsnetz ein Entgelt für den einspei­senden Anlagen­be­treiber, weil die Übertra­gungs­netze entlastet werden. Doch wann ist eine Anlage eine solche dezen­trale Erzeu­gungs­anlage? Hierzu hat sich der BGH am 27.10.2020 (Az.: EnVR 70/19) geäußert.

In der Entscheidung geht es um Block E des Kraft­werks Westfalen mit statt­lichen 764 MW Leistung. Der Block wurde 2014 in Betrieb genommen und war zunächst nur ans 380-kV-Höchst­span­nungsnetz angeschlossen. Erst 2016 kam ein zusätz­licher Anschluss ans 110-kV-Hochspan­nungs­ver­tei­lernetz der Netzbe­trei­berin und Antrags­geg­nerin im Verfahren hinzu. Seitdem speist der Block E in mehr als 90% der Betriebs­stunden ins Hochspan­nungsnetz, gleich­zeitig findet stets eine Mindestein­speisung von 50 MW ins Übertra­gungsnetz statt.

Die Netzbe­trei­berin verwei­gerte der Kraft­werks­be­trei­berin ab Januar 2017 die Entgelte für vermiedene Netzent­gelte für 2.117 GWh, die diese ins Verteilnetz einge­speist hatte. Darauf regte die Kraft­werks­be­trei­berin ein Missbrauchs­ver­fahren bei der Bundes­netz­agentur (BNetzA) an, das diese ablehnte. Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Kraft­werks­be­trei­berin. Das OLG Düsseldorf wies die Beschwerde zurück, nun hat auch der BGH die Rechts­be­schwerde zurückgewiesen.

Wie schon das OLG Düsseldorf betrachtet auch der BGH Kraft­werke, die auch ins Übertra­gungsnetz einspeisen, nicht als dezen­trale Erzeu­gungs­anlage. Es sei erfor­derlich, dass eine Anlage ausschließlich ans Verteilnetz angeschlossen sei. Denn die Netzkosten durch Ausbau­ver­meidung sinken nur, wenn ausschließlich das Verteilnetz genutzt wird. Zudem beruhe § 18 StromNEV auf einer genera­li­sierten Fiktion, so dass der Vortrag, die Netzent­lastung finde tatsächlich statt, den BGH nicht überzeugt. Auch syste­ma­tische HInweise auf ältere Normver­sionen überzeugten den BGH ebenso wenig wie Vertrau­ens­schutz, weil 2016 für einige Monate vermie­denes Netzentgelt gezahlt wurde.

Im Ergebnis bleibt es dabei: Dezen­trale Erzeu­gungs­an­lagen dürfen nur an eine Netzebene angeschlossen sein (Miriam Vollmer)

2021-02-19T19:39:05+01:0019. Februar 2021|BNetzA, Strom|

EEG: BGH zur Anlagen­zu­sam­men­fassung vom 14.07.2020

Wann gehören benach­barte Anlagen zusammen? Diese Frage spielt in vielfacher Hinsicht eine große Rolle, unter anderem bei Anlagen nach dem Erneu­erbare-Energien-Gesetz (EEG). Mit einer solchen Konstel­lation hat sich der BGH am 14. Juli 2020 beschäftigt (XIII ZR 12/19).

In dem Verfahren ging es um eine Windkraft­anlage (WEA). Der Netzbe­treiber vertrat die Ansicht, dass diese WEA mit einer 600 m entfernten anderen WEA desselben Betreibers eine gemeinsame Anlage im Sinne des EEG darstellt. Der Betreiber sah dies anders. Da die Frage, wie viele Anlagen es vor Ort gibt, Auswir­kungen auf die Zahlung der Markt­prämie hatte, ging die Sache vor Gericht.

Anders als die Vorin­stanz, das OLG Braun­schweig, sah der BGH die beiden WEA gemessen an § 24 Absatz 1 Nr. 1 EEG als nur eine Anlage an. Der BGH unter­strich, dass es für die Zusam­men­fassung nicht reicht, dass die beiden Anlagen formell auf demselben Grund­stück stehen. Die vom Gesetz gefor­derte „unmit­telbare räumlice Nähe“ bemesse sich nach einem autonomen Prüfungsmaßstab.

Der BGH setzt sich recht ausführlich mit dem Sinn und Zweck der Regelung ausein­ander. Diese soll Umgehungen durch gezielte Zerlegung von Stand­orten vermeiden. Das bedeute aber nicht, dass dann, wenn nachweislich kein Missbrauch ursächlich für die konkrete Anlagen­kon­stel­lation sei, keine Zusam­men­fassung statt­finde. Statt dessen will der Senat den Begriff der Nähe funktional verstanden wissen. Mit anderen Worten: Es soll nicht auf die Distanz in Metern ankommen, sondern darauf, ob die Anlagen zusam­men­ge­hören. Das sei der Fall, wenn sie gemeinsame Infra­struk­turen nutzen, insbe­sondere einen gemein­samen Netzan­schluss­punkt. In den meisten Fällen bedeutet das: Alle Anlagen eines Betreibers am selben Netzan­schluss­punkt gehören danach zusammen (Miriam Vollmer).

2020-11-26T21:19:41+01:0026. November 2020|Erneuerbare Energien|

Fernwärme: Wie ändert man einen Wärmeliefervertrag?

Manchmal schaffen es Gerichte auch, dass am Ende eines langen Rechts­streits keiner zufrieden ist. So etwa in Hinblick auf einen Rechts­streit, über den der Bundes­ge­richtshof (BGH) gestern entschieden hat. Kern des Verfahrens war die Frage, ob die beklagten Fernwär­me­ver­sorger die Preis­gleit­klauseln in ihren Fernwär­me­ver­sor­gungs­ver­trägen einseitig durch Veröf­fent­li­chung ändern durften (ausführlich hier). Sie stützten diese – verbreitete – Praxis auf § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV, der lautet:

Änderungen der allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen werden erst nach öffent­licher Bekanntgabe wirksam.“

Die Verbrau­cher­zen­tralen meinen, dass diese Regelung kein einsei­tiges Änderungs­recht hergibt. Wenn Versor­gungs­be­din­gungen sich ändern, wäre stets eine beidseitige Änderung des Vertrags notwendig. Aller­dings ist dies im Massen­ge­schäft mit Fernwärme ausge­sprochen aufwändig und schwierig. Gleichwohl: Der Verbrau­cher­zen­trale Bundes­verband (vzbv) mahnte zwei hessische Versorger ab. Diese wehrten sich, unter­lagen aber erst vorm Landge­richt Darmstadt und sodann beim Oberlan­des­ge­richt Frankfurt.

Der BGH hat nun auf die mündliche Verhandlung vom 23.04.2020 die im Streit stehende Rechts­frage nicht beant­wortet. Er hat aber – damit hat der vzbv verloren – entschieden, dass der angeb­liche Verstoß nicht abgemahnt werden konnte, weil er wohl nicht als irreführend anzusehen ist. Die Rechts­frage ist schlicht zu komplex für eine solche Einordnung. Details der Entscheidung werden sicherlich aus den noch nicht vorlie­genden Urteils­gründen hervorgehen.

Was folgt daraus nun für die Praxis? Eine abschlie­ßende Klärung, wie Fernwär­me­lie­fer­ver­träge nach der AVBFern­wärmeV geändert werden, steht weiter aus. Aller­dings gibt es mit den Entschei­dungen aus Frankfurt und Hamburg eine klare Tendenz der Recht­spre­chung gegen einseitige Änderungen von Allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen. Wer als Versorger Rechts­si­cherheit will, muss also den steinigen Weg gehen, an jeden einzelnen Kunden heran­zu­treten (Miriam Vollmer).

 

 

2020-04-24T13:06:08+02:0024. April 2020|Verkehr, Wärme|