Der BGH zu Nachbars Stall

Offenbar häufen sich mit Corona Nachbar­schafts­strei­tig­keiten. Wenn man sich so umhört, könnte dieser Eindruck entstehen. Und das wäre ja auch plausibel. Denn Streit entsteht vielleicht öfter aus Lange­weile als aus Verzwei­felung. Was sollte also anderes passieren, wenn zu Pande­mie­zeiten beides zusammenkommt?

Das Nachbar­recht ist, man möge mir den flauen Wortwitz verzeihen, dem öffent­lichen Recht benachbart. Nun, eigentlich ist es Sachen­recht und damit Teil des Privat­rechts, also eines der Rechts­ge­biete, die nicht das Verhältnis zwischen Bürger und Staat regeln, sondern die Verhält­nisse zwischen den Bürgern unter­ein­ander. Dennoch ist das Nachbar­recht neben dem Ordnungs­recht eine der wichtigsten histo­ri­schen Quellen des Umwelt­rechts. Schließlich gab es für viele emissi­ons­schutz­recht­liche Konflikte zwischen Nachbarn früher keine Regeln des Gesetz- oder Verord­nungs­gebers. Statt­dessen mussten die ordent­lichen Gerichte sich drum kümmern.

Einen solchen, im weitesten Sinne auch Emissionen betref­fenden nachbar­recht­lichen Fall hatte jüngst der Bundes­ge­richtshof (BGH) in Karlsruhe zu entscheiden. Die Baube­hörde hatte die Inhaberin eines Reiterhofs enttäu­schen müssen und keine Bauge­neh­migung für einen von ihr geplanten offene Pferde­stall erteilt. Wie auch das Verwal­tungs­ge­richt bestä­tigte, würde das Vorhaben im – vermutlich unbeplanten – Innen­be­reich gegen das baupla­nungs­recht­liche Rücksichts­nah­me­gebot verstoßen. So sei der offene Stall nur gut 12 Meter von den Ruheräumen der Nachbarn entfernt. Außerdem seien die Boxen mit dem Auslauf zu deren Wohnhaus ausgerichtet.

Dass die Inhaberin des Reitstalls dennoch gebaut hat, führte zu einem Abwehr­an­spruch der Nachbarn nach §§ 1004 Abs. 1 in Verbindung mit 823 Abs. 2 BGB. Das Berufungs­ge­richt hatte noch anders entschieden. Denn das Rücksicht­nah­me­gebot ist primär eine öffentlich-recht­liche Norm, also im Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung. Aber wie der BGH bestä­tigte, gilt sie als sogenannte Schutznorm, die auch für Dritte ganz unmit­telbar subjektive Rechte entfaltet. Hier fügt sich also der Kreis zwischen öffent­lichem und privaten Recht (Olaf Dilling).

 

2020-11-30T20:14:05+01:0030. November 2020|Sport, Umwelt, Verwaltungsrecht|

Windkraft­pri­vi­le­gierung ade?

Außerhalb von geschlos­senen Ortschaften ist das Bauen eigentlich unerwünscht. Das ergibt sich aus § 35 Bauge­setzbuch (BauGB). Dieser kennt nur eine abschlie­ßende Reihe von Vorhaben, die eine Ausnahme von diesem Grundsatz bilden. Zu diesen Ausnahmen gehört gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB Vorhaben, die der Erfor­schung, Entwicklung oder der Nutzung der Wind oder Wasser­en­ergie dienen. 

Diese Privi­le­gierung von Windkraft­an­lagen möchte der branden­bur­gische Minis­ter­prä­sident Woidke nun streichen lassen. Dies hätte wegen des erwähnten Regel-/Ausnah­me­cha­rakters weitrei­chende Folgen: Windkraft­an­lagen wären danach im Außen­be­reich erst einmal grund­sätzlich verboten. Sie wären nur dann zulässig, wenn eine Gemeinde aktiv wird und einen Bebau­ungsplan beschließt, der Flächen für die Windkraft extra ausweist. Ohne ein solches Tätig­werden der Gemeinde wäre eine Windkraft­anlage künftig nicht mehr zu errichten.

Nun ist anzunehmen, dass deutlich weniger Kommunen solche Bebau­ungs­pläne erlassen würden, als es inter­es­sierte Vorha­ben­träger gibt. Denn Windkraft­an­lagen sind vor Ort oft nicht unumstritten. Viele Leute empfinden sie als Störung des Landschafts­bildes. Auch der Schat­tenwurf wird bisweilen als unangenehm empfunden. In der Konse­quenz wird wohl zu Recht befürchtet, dass der weitere Ausbau der Windenergie stocken würde. Angesichts der ehrgei­zigen Ausbau­ziele Erneu­er­barer Energien ist das keine unpro­ble­ma­tische Entwicklung. Gleich­zeitig aus der Kernenergie auszu­steigen, sich von der Kohle zu verab­schieden, aber gleich­zeitig nur noch ausge­wählte Erneu­erbare Anlagen zu errichten, führt erkennbar zu Problemen. Salopp ausge­drückt: Irgendwo muss der Strom ja herkommen. 

Entspre­chend ist der Vorstoß des branden­bur­gi­schen Minis­ter­prä­si­denten auch in der Fachöf­fent­lichkeit auf teils harsche Kritik gestoßen. Es ist auch nicht absehbar, dass der für Änderungen des BauGB zuständige Bundes­ge­setz­geber die Anregung aufgreift. Der Vorstoß des engagierten Verfechter der weiteren Nutzung der Braun­kohle Woidke zeigt aber, dass Ziele wie Strategien der Energie­wende keineswegs so konsensual sind, wie manche annehmen oder hoffen. 

2018-08-28T23:47:21+02:0028. August 2018|Energiepolitik, Erneuerbare Energien|

Hausboot als bauliche Anlage

Wann sprechen wir von einer baulichen Anlage? Diese Frage ist keineswegs reine Erbsen­zäh­lerei. Denn für bauliche Anlagen gelten – das ergibt sich aus § 29 BauGB – ganz andere Regeln als für andere Aufent­haltsorte. Darum dreht sich eine aktuelle Entscheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts Berlin-Brandenburg (OVG BB):

Im vom 2. Senat entschie­denen Fall ging es um ein Hausboot. Das Hausboot liegt am Ruppiner See. Nun wurde die Bauauf­sicht auf das Hausboot aufmerksam. Diese erließ eine Besei­ti­gungs­ver­fügung. Es handele sich um eine bauliche Anlage. Bauliche Anlagen sind geneh­mi­gungs­be­dürftig. Diese bauliche Anlage könne aber nicht genehmigt werden.

Erstaunlich: Das vom Halter des Hausboots im Eilver­fahren angerufene Verwal­tungs­ge­richt (VG) Potsdam sah das wie die Bauauf­sicht. Dabei macht schon der Blick in § 2 Abs. 1 S. 1 Branden­bur­gische Bauordnung (BbgBauO) stutzig. Hier heißt es nämlich:

Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene, aus Baupro­dukten herge­stellte Anlagen; eine Verbindung mit dem Boden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwen­dungs­zweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.“

Mit dem Erdboden verbunden sind Schiffe ja eigentlich gerade nicht. Das VG Potsdam griff deswegen buchstäblich zu einem Strick, um Boot und BauO zusam­men­zu­binden: Die Verbindung mit dem Boden sei die Verbindung über Tau und Steg. Dass das Boot auch herum­fahren könne und der Besitzer die Bewegung seines Bootes auch nachge­wiesen hatte, sei dafür unschädlich. Schließlich kennt das Baurecht auch bauliche Anlagen, die sich nicht immer an derselben Stelle befinden.

Diese ausge­sprochen weite Inter­pre­tation der baulichen Anlage hat das OVG BB nun richti­ger­weise in Zweifel gezogen. Nun ist ein Beschluss im Eilver­fahren keine in Stein gemei­ßelte Recht­spre­chung für die nächsten Dekaden. Aber schon die ersten Hinweise des OVG BB zeigen, wohin die Reise wohl geht: Das OVG BB meint keineswegs, Hausboote könnten keine baulichen Anlagen sein. Es scheint also Fälle zu geben, wo der Strick am Steg reicht. Das OVG BB will vielmehr im Einzelfall klären, ob es sich eher um ein Hausboot handelt, in dem jemand wohnt wie in einem Wochen­endhaus. Oder ob es wie ein Sportboot genutzt wird. Entscheidend – schließlich gibt es zum Zeitpunkt, in dem genehmigt werden müsste noch keine Erfah­rungs­werte wie Proto­kolle – ist danach die Absicht des Besitzers. Nun können Hausboot­be­sitzer ja viel erzählen. Künftig schauen Gerichte, bleibt es auch in Haupt­sa­che­ver­fahren dabei, auf die Innen­ein­richtung oder lassen sich Reise­pläne vorlegen.

Praxistipp: Wer ein Hausboot besitzt, sollte auf jeden Fall dokumen­tieren, dass er es „sport­boot­ty­pisch“ bewegt. Ein Fahrtenbuch und/oder eine Dokumen­tation der Treib­stoff­kosten lohnt sich. Wer eins kauft, sollte von Anfang an darauf achten, dass es bewegt wird und nicht nur wie ein Ferienhaus am Steg liegt und dies auch dokumentieren.

2018-07-12T09:55:33+02:0012. Juli 2018|Verwaltungsrecht|