Hat die Bundes­netz­agentur wirklich den Kohle­aus­stieg verboten?

Hat die Bundes­netz­agentur der Regierung etwa den Kohle­aus­stieg verboten? Den Eindruck könnte man gewinnen, wenn man einige der aktuellen Schlag­zeilen liest.

Verbot der Still­legung – Bundes­netz­agentur überrascht mit Veto gegen Kohleausstieg

Energie-Hammer; Behörde stoppt Habecks Kohle-Ausstiegsplan

Aber was steckt da genau dahinter?

Nun zunächst geht es dabei um die Frage eines vorge­zo­genen Kohle­aus­stiegs schon bis zum Jahr 2030. Den regulären Kohle­aus­stieg haben der Bundestag und der Bundesrat bereits bis spätestens 2038 beschlossen. Der Kohle­aus­stieg ist dabei rechtlich im Kohle­ver­stro­mungs­be­en­di­gungs­gesetz (KVBG) geregelt. Der Ausstieg aus der Kohle­ver­stromung bis 2038 betrifft sowohl Braun- als auch Stein­koh­le­an­lagen. Das KVBG regelt hierzu einen Ausstiegspfad in Form jährlicher Zielni­veaus für die noch am Markt befind­liche Kohlekraftwerksleistung.

Diesen Kohle­aus­stieg hat die Bundes­netz­agentur weder untersagt, noch könnte sie das überhaupt. Was das „Verbot“ eines Kohle­aus­stieges schon 2030 angeht, findet man beim Focus folgende erhel­lende Einlassung der Bundesnetzagentur:

Die Anlagen werden für die Netzsta­bi­lität benötigt“, erklärte ein Sprecher der Bundes­netz­agentur: „Sie werden nur selten laufen und deswegen keine spürbaren Auswir­kungen auf unsere CO₂-Bilanz haben.“ Er betonte aller­dings, dass die Anlagen nur als Reserve auf Abruf durch Netzbe­treiber fungieren sollen: „Es ist weiter beabsichtigt, dass nach 2030 kein Kohle­kraftwerk mehr am Markt tätig ist.“

Alles halb so wild also. Weder wurde der Kohle­aus­stieg verboten oder abgesagt, noch ist es derzeit geplant, dass nach 2030 noch eine reguläre Kohle­ver­stomung statt­findet, die über eine Notfall­re­serve hinausgeht.

(Christian Dümke)

2023-12-22T17:14:38+01:0022. Dezember 2023|Allgemein|

Bewoh­ner­parken: Keine Ausnahme für Anwalt

Die Einrichtung von Bewoh­ner­park­ge­bieten soll nach der bishe­rigen Logik der StVO Bewohnern das Parken erleichtern. Insofern ist es konse­quent, die Ausnahmen für andere Anlieger, etwa in dem Gebiet tätige Gewer­be­trei­bende und Freibe­rufler restriktiv zu handhaben. Dies wird in einer jüngeren Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts (VG) Hamburg deutlich.

Ein Anwalt mit Kanzlei im Bewoh­ner­park­gebiet hatte eine Ausnah­me­ge­neh­migung beantragt, um weiter kostenfrei in dem Gebiet in Alsternähe parken zu können. Nachdem ihm die Geneh­migung versagt wurde, klagte er mit dem Ziel, dass die Behörde über seinen Antrag erneut entscheidet. Aus den Sachverhalt geht hervor, dass der Anwalt inzwi­schen Einspruch gegen die stolze Anzahl von 300 Bussgeld­be­scheiden eingelegt hat und dass das tägliche Lösen eines 10 Euro teuren Parkti­ckets für ihn nicht in Frage kommt. Er machte weiterhin geltend, dass die Einrichtung des Bewoh­ner­park­ge­biets aus seiner Sicht rechts­widrig sei, da die Parksi­tuation entspannt sei und die Zone eigentlich aus rechtlich unzuläs­sigen Umwelt­schutz­gründen einge­führt worden sei.

Das Gericht wies die Klage ab. Das VG befasst sich vorab mit dem Rechts­schutz­be­dürfnis des Klägers: Da er als hartnä­ckiger Parksünder beständig gegen die Parkvor­schriften verstoße, stehe seine Eignung zum Führen von Kraft­fahr­zeugen in Frage. Solange er die Fahrerlaubnis innehabe, könne der Anwalt aber auch noch klagen.

Was die inhalt­liche Begrün­detheit angeht, stellt das Gericht klar, dass die Beantragung einer Ausnah­me­ge­neh­migung ein Verbot geradezu voraus­setzt, denn ohne dieses wäre die Ausnahme nicht erfor­derlich. Daher geht die Argumen­tation des Anwalts ins Leere, dass die Einrichtung der Bewoh­ner­park­re­gelung ohnehin nicht rechtens sei. 

Die Rechts­grundlage für die Erteilung einer straßen­ver­kehrs­recht­lichen Ausnahme gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO enthält keine klar definierten tatbe­stand­lichen Voraus­set­zungen. Dadurch hat die Straßen­ver­kehrs­be­hörde einen weiten Ermes­sens­spielraum, muss aber in Abgrenzung von durch­schnitt­lichen Nutzungen des Parkraums soll beson­deren Ausnah­me­si­tua­tionen Rechnung getragen werden, die eine unbillige Härte zur Folge hätten. Hier sei nicht ersichtlich, dass die Behörde den Ermes­sens­spielraum überschritten hätte. Das Ziel der Parkraum­be­wirt­schaf­tungs­maß­nahme sei nur zu erreichen, wenn Freibe­rufler und Gewer­be­trei­bende nur zurück­haltend in die Parkbe­vor­rech­tigung einbe­zogen würden. Anderen­falls gehe dies so sehr zu Lasten der Bewohner, dass der Zweck vereitelt wird. Da die Parkraum­be­wirt­schaftung auch keinen objektiv berufs­re­gelnden Charakter hat, kann sich der Anwalt auch nicht auf die Berufs­freiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG berufen.

Die Entscheidung zeigt, dass die Behörden bei der Erteilung von Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen nach § 46 StVO einen weiten Beurtei­lungs- und Ermes­sens­spielraum haben. (Olaf Dilling)

2023-12-22T11:49:48+01:0022. Dezember 2023|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Endschafts­re­gelung nicht vergessen: BGH zu Fernwär­menetz Stuttgart

Das Urteil des BGH-Kartell­senats (Urt. v. 5.12.2023 – KZR 101/20) hat im langjäh­rigen Streit der Landes­haupt­stadt Stuttgart mit der EnBW um das Fernwär­menetz eins geklärt: Eigen­tü­merin des Netzes ist die EnBW. Die Landes­haupt­stadt kann keine Übereignung oder gar den Rückbau des Netzes fordern. Damit ist zumindest ein möglicher Ausgang des Verfahrens, den beide Parteien wohl nicht gewollt hätten, vom Tisch: Das zwischen 1994 und 2013 bis auf 218 km ausge­baute Fernwär­menetz mit einer Versor­gungs­ka­pa­zität für rund 25.000 Haushalte, ca. 1.300 Unter­nehmen und 300 öffent­liche Gebäude zu beseitigen.
Andere Facetten des Urteils dürften aller­dings weiterhin zu Heraus­for­de­rungen auf dem Weg zur einver­nehm­lichen Gestaltung der Stutt­garter Fernwär­me­ver­sorgung führen, denn zugleich hat die EnBW für die Zukunft keinen kartell­recht­lichen Anspruch auf die erneute Einräumung von Wegenut­zungs­rechten zum Betrieb des Fernwär­me­netzes. Diesen hatte sie im Wege der Wider­klage verfolgt.

Rückblick – Konzes­si­ons­vertrag ohne Endschaftsregelung

Was bisher geschah: 1994 wurde – noch zwischen Stadt und kommu­nalem Versorger, der später die Betei­ligung der Stadt verlor und seit nunmehr rund 20 Jahren Teil des EnBW-Konzerns ist – ein Konzes­si­ons­vertrag geschlossen: Bis zum Ende der Vertrags­laufzeit 2013 räumte dieser dem Versor­gungs­un­ter­nehmen Wegenut­zungs­rechte für die Verlegung und den Betrieb des Fernwär­me­netzes ein. Nicht geregelt wurde, wer nach dem Ausbau und dem Ende der Vertrags­laufzeit das Eigentum an den Anlagen erhalten sollte.

Nun ist diese sogenannte Endschafts­re­gelung – sozusagen und juris­tisch ganz und gar unsauber – der Ehevertrag der langfris­tigen Vertrags­be­zie­hungen. Eine Endschafts­re­gelung kann Konflikte nicht verhindern. Aber jeden­falls haben alle Seiten die Sicherheit, dass man über das Einge­machte schonmal ehrlich gesprochen hat, als noch alles gut war. Endschafts­re­ge­lungen gehören in jeden Betrei­ber­vertrag, wenn eine Vertrags­partei über lange Zeit teure Infra­struktur aufbaut. Das kann in nahezu allen Versor­gungs­be­reichen der Fall sein, wenn neue Netze errichtet werden müssen.

Stuttgart hatte 2011, 2 Jahre vor Vertragsende, mit der Infor­mation über die Bestre­bungen, die Wegenut­zungs­rechte erneut zu vergeben – oder aber, das Wärmenetz zu rekom­mu­na­li­sieren – begonnen.

Rechts­streit

Nach Zwischen­schritten, stockenden Verhand­lungen und dem sich anschlie­ßenden Rechts­streit erging 2019 ein erstes Urteil des LG Stuttgart (Urt. v. 14.02.2019 – 11 O 225/16). Die Landes­haupt­stadt hatte erstmals auf Übereignung des Fernwär­me­netzes, die EnBW in Wider­klage auf einen neuen Wegenut­zungs­vertrag geklagt. Das Landge­richt verneinte einen Anspruch der Stadt auf Übereignung – sowie den Hilfs­antrag auf Besei­tigung – der Leitungen und gab der Wider­klage statt.
Die 2020 nachfol­gende Entscheidung des OLG Stuttgart (Urt. v. 26.3.2020 − 2 U 82/19) führte ins Patt: Zwar bestä­tigte das OLG die erstin­stanz­liche Auffassung, dass weder das Eigentum an den Anlagen automa­tisch an die Stadt übergangen, noch ein Anspruch hierauf entstanden sei. Es sah anders als das Landge­richt aller­dings einen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB – die Leitungen auf und in den Grund­stücken der Stadt müssten durch die EnBW entfernt werden. Auch hinsichtlich des Wider­kla­ge­an­trags änderte das OLG das Urteil: Entgegen der Auffassung in erster Instanz stehe der EnBW keine Abgabe eines Angebots für einen neuen Wegenut­zungs­vertrag durch die Landes­haupt­stadt zu. Das mögliche Ergebnis, tatsächlich einen Rückbau des mittler­weile weitläu­figen und umfas­senden Wärme­netzes zu erwirken, konnte jedoch beiden Parteien nicht recht sein.
Das nun ergangene Urteil des BGH (dessen Volltext­ver­öf­fent­li­chung Stand 12.12.2023 noch aussteht) stellt sich nun als neue Kombi­nation dar. Kein Anspruch der Landes­haupt­stadt Stuttgart auf Übereignung (wie LG, OLG) oder Besei­tigung ( wie LG, gegen OLG) der Fernwär­me­lei­tungen. Kein Anspruch der EnBW auf ein Angebot der Stadt, einen neuen Wegenut­zungs­vertrag abzuschließen (gegen LG, wie OLG).

Zentrale Entschei­dungs­gründe

Die Entscheidung stützte das Gericht zentral auf drei Normen und deren Auslegung:

1. Um den Eigen­tums­übergang von Versor­gungs­lei­tungen (sogenannten Schein­be­stand­teilen) an die Stadt nach § 95 BGB zu bestä­tigen, fehlte es dem BGH zufolge an der erfor­der­lichen Willens­ent­schließung des Eigen­tümers der Netzlei­tungen (EnBW).

2. Hinsichtlich des Besei­ti­gungs­an­spruchs sei die „Störung“ in diesem Fall nach § 1004 Abs. 2 BGB aufgrund nachver­trag­licher Rücksicht­nah­me­pflichten in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 241, 242 BGB) durch die Stadt zu dulden.

3. Umgekehrt bejahte das Gericht zwar eine markt­be­herr­schende Stellung der Stadt bei der Vergabe von Wegenut­zungs­rechten – die sei hier aber nicht missbräuchlich ausge­nutzt worden, sodass ein Anspruch auf Nutzungs­rechts­ein­räumung nach § 19 GWB entfiel.

Einordnung & Ausblick

Die Landes­haupt­stadt Stuttgart verfolgt das Ziel, bis 2035 klima­neutral zu werden. Dafür zieht sie zunehmend Versor­gungs­fragen an sich – im Rahmen der städti­schen Energie­leit­planung auch den kommu­nalen Wärmeplan. Das Fernziel der Rekom­mu­na­li­sierung des Wärme­netzes hat die Landes­haupt­stadt in ihrer Presse­mit­teilung zur Entscheidung entspre­chend bekräftigt. In ihrer Presse­mit­teilung haben die EnBW zumindest den fortbe­stehenden Willen zur Zusam­men­arbeit formuliert.

Daneben fällt auf: Parteien und Gerichte haben im Streit mehrfach auf Regelungen des EnWG zurück­ge­griffen. So hat sich das Landge­richt in erster Instanz mit der Bedeutung der Entflech­tungs­regeln des EnWG ausein­an­der­ge­setzt (BeckRS 2019, 11063, Rn. 191f.), und der BGH sich an § 46 EnWG angelehnt. Prinzi­piell reguliert das EnWG nur Strom- und Gasnetze. Die steigende Bedeutung von (Fern-)Wärmenetzen könnte hier in Zukunft gesetz­ge­be­ri­sches Tätig­werden erfordern.
Und allen Versor­gungs­un­ter­nehmen sowie den versorgten Kommunen, die Betrei­ber­ver­träge über Infra­struktur schließen, sei nachdrücklich ans Herz gelegt: Treffen Sie eine Endschafts­re­gelung für die wertvolle Infra­struktur (Dr. Miriam Vollmer/Friederike Pfeifer).

2023-12-20T01:08:12+01:0020. Dezember 2023|Konzessionsrecht, Wärme|