Verkehrs­si­cherheit ODER Klima­schutz“ – seriously?

Letzten Freitag sollte im Bundesrat über die geplante Reform von Straßen­ver­kehrs­gesetz und Straßen­ver­kehrs­ordnung abgestimmt werden. Leider kam, entgegen dem Votum des Fachaus­schusses, schon für die Änderung des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes als Grundlage der Reform keine Mehrheit zustande. Die Begründung dafür ist einiger­maßen verblüffend, denn es wurde unter­stellt, dass die Maßnahmen der Verkehrs­wende, die durch die Reform ermög­licht werden sollen, sich zuungunsten der Verkehrs­si­cherheit auswirken könnten.

Um zu verstehen, was passiert ist, ist es ausnahms­weise durchaus angezeigt sich mit einem politi­schen Modewort zu beschäf­tigen: Dem „Framing“. Gemeint ist ein sprach­licher Rahmen, der in einer politi­schen Debatte vorge­geben wird. Eine seit jeher beliebte diskursive Strategie ist es dabei, abwegige, unattraktive Alter­na­tiven zu konstru­ieren, um dann die eigene Lösung als allein selig­ma­chend darzu­stellen. Ein Beispiel für eine solche manipu­lative rheto­rische Strategie ist die Einteilung aller Mitmen­schen in aktive Unter­stützer oder Feinde, um indif­fe­rente Personen vor die Wahl zu stellen: Wer will sich gegenüber Anwesenden, denen man zuzuhören geneigt ist, schon als Feind outen? Also bleibt nur die Wahl, sie aktiv zu unter­stützen, oder nicht? Nun, selbst­ver­ständlich gibt es immer auch die Möglichkeit, sich neutral zu verhalten oder diffe­ren­zierend zu erwidern, dass man z.B. die Ziele einer politi­schen Unter­nehmung teilt, nicht aber deren Mittel. Logiker nennen dies auch eine „falsche Disjunktion“ und meinen damit einen Unterfall des Fehlschlusses. Was politische Akteure nicht davon abhält, sich dieser Strategie auf allen möglichen Politik­feldern ausgiebig zu bedienen.

Es ist also kaum verwun­derlich, dass es eine solches, offen­sichtlich falsches Dilemma aktuell auch in der Verkehrs­po­litik gibt: Seit langem fordern viele deutsche Kommunen partei­über­greifend, dass Länder und Kommunen mehr Spiel­räume im Straßen­ver­kehrs­recht brauchen, insbe­sondere bei der Ausweisung von Tempo 30-Zonen. Dies wurde im Koali­ti­ons­vertrag der Ampel aufge­griffen. Unter anderem sollten Beschrän­kungen des Verkehrs auch aus Gründen des Gesund­heits- und Umwelt­schutzes, insbe­sondere des Klima­schutzes möglich sein. Inzwi­schen hatte der Bundestag einen Geset­zes­entwurf für das StVG vorgelegt, dass die Regierung ermächtigt, die StVO entspre­chend zu überarbeiten.

Dass dies bei Verfechtern einer unein­ge­schränkten Automo­bi­lität Besorg­nisse erweckt, ist noch nachvoll­ziehbar. Daher haben inzwi­schen die unions­re­gierten Bundes­länder kalte Füße bekommen. Weniger nachvoll­ziehbar ist, dass sie nun die Verkehrs­si­cherheit ins Feld führen. Denn die Maßnahmen, die Umwelt- und Gesund­heits­schutz im Verkehr befördern, dienen eigentlich ausnahmslos auch der Verkehrs­si­cherheit. Wie gesagt, geht es zentral um die Möglichkeit, mehr 30er Tempo­limits auszu­weisen. Es ist bekannt, dass dies, insbe­sondere im Zusam­menhang mit einer Verste­tigung des Verkehrs­flusses sowohl dem Klima­schutz als auch der Verkehrs­si­cherheit dient. Die vermeint­liche Alter­native ist also gar keine.

Was ist also die Lösung? Wenn wir einen Rat geben könnten, dann wäre es einfach, die Rheto­riker beim Wort zu nehmen: Verkehrs­si­cherheit und insb. „Vision Zero“, also die Vermeidung von Toten und Schwer­ver­letzten, sollte möglichst prominent in das Straßen­ver­kehrs­gesetz und dann in die StVO aufge­nommen werden. Falls es dann doch zu unvor­her­ge­se­henen Konflikten mit dem Klima­schutz käme, fiele die Verkehrs­si­cherheit stark genug in die Waagschale. Selbst wenn sich die Länder im Bundesrat davon nicht überzeugen ließen, würde zumindest der Manipu­la­ti­ons­versuch deutlich, wenn es am Ende doch um freie Fahrt für Kraft­fahrer geht, nicht um die Sicherheit von Schul­kindern im Verkehr. (Olaf Dilling)

2023-11-27T13:50:54+01:0027. November 2023|Kommentar, Verkehr|

Ende der Preis­bremsen zum 31.12.2023!

Die Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Schul­den­bremse zeigt erste praktische Auswir­kungen: Nachdem Bundes­re­gierung und Bundestag die Verordnung zur Verlän­gerung der Preis­bremsen bis zum 31.03.2024 erst beschlossen hatten, soll es nun doch nicht dazu kommen: Am Freitag, den 24.11.2024 teilte der Finanz­mi­nister mit, dass der Wirtschafts- und Stabi­li­sie­rungs­fonds geschlossen würde, es ist also kein Geld zum Verteilen mehr da.

Was die Preis­bremse 2024 angeht, so wäre es den Versorgern ohnehin schwer gefallen, die Verlän­gerung noch umzusetzen. Doch auch die Senkung der Netzent­gelte sollte aus dem WSF fließen. Nun entfällt wohl auch diese.

Für die Praxis bedeutet das: Zum 01.01.2024 steht in jedem Fall eine Änderung der Preise für Letzt­ver­braucher an, die umgesetzt werden muss. Auch die Netzbe­treiber müssen die Änderung umsetzen. Die Fortsetzung der Absenkung der Umsatz­steuer ist wohl nicht betroffen. Genaueres ist noch nicht bekannt: Bisher gibt es nur ein Interview mit Lindner, was zu einem Rechts­in­stitut, das zum nicht unerheb­lichen Teil per FAQ „geregelt“ wurde, einer­seits passt, anderer­seits Ende November der allge­meinen Unüber­sicht­lichkeit natürlich die Krone aufsetzt (Miriam Vollmer).

2023-11-24T17:53:06+01:0024. November 2023|Allgemein|

Verhand­lungs­be­richt zu Muster­fest­stel­lungs­klagen prima­strom und voxenergie : „Kammer­ge­richt – andere Ansicht Kammergericht“

Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ – der Verfasser dieses Beitrages mag diesen geläu­figen Spruch eigentlich nicht so gerne, da er eine Belie­bigkeit der Recht­spre­chung sugge­riert die so nicht besteht.

Gestern aller­dings fühlten auch wir uns dann zeitweise doch ein wenig wie auf hoher See, als wir nämlich faktisch direkt nachein­ander zwei Verhand­lungs­termine am Kammer­ge­richt zu zwei Muster­fest­stel­lungs­klagen wahrnahmen, bei denen es exakt um die selben Rechts­fragen ging – und zwei davon vom 16. Senat und vom 27. Senat des Kammer­ge­richtes nach vorläu­figer Einschätzung völlig unter­schiedlich bewertet werden. Und das obwohl – wie man uns glaubhaft versi­cherte – beide Senate dazu vorab in kolle­gialem Austausch standen.

Dabei ging es zum Einen um die Frage, ob der § 313 BGB rechtlich ein „einsei­tiges gesetz­liches Preis­an­pas­sungs­recht“ darstellt, auf das sich ein Energie­ver­sorger bei vorliegen der dortigen Tatbe­stands­vor­aus­set­zungen berufen könne (Wegfall der Geschäfts­grundlage). Wir meinen nein und beriefen uns dazu auf eine entspre­chende Entscheidung des OLG Düsseldorf , dessen Rechts­auf­fassung sich auch der 27. Senat des Kammer­ge­richtes (vorläufig) anschließt – während der 16. Senat des Kammer­ge­richtes vorläufig dazu neigt, diese Frage gegen­teilig zu beurteilen.

Weiterhin war streitig, wie tief der Senat bei einer Muster­fest­stel­lungs­klage in die Einzel­fall­prüfung der jewei­ligen Kunden, die sich im Klage­re­gister als Betroffene einge­tragen haben, einsteigen muss. Wir meinen: gar nicht, weil alleine die ausrei­chende Anzahl von mindestens 50 Eintra­gungen in dieses Register eine formale Zuläs­sig­keits­vor­aus­setzung der Muster­fest­stel­lungs­klage ist. Dieser Auffassung ist auch der 27. Senat des Kammer­ge­richtes. Der 16. Senat tendiert aller­dings zu der Rechts­auf­fassung, dass das Feststel­lungs­in­teresse der Muster­fest­stel­lungs­klage entfällt, wenn sämtliche regis­trierten Verbraucher bereits klaglos gestellt wurden. Und um diese Frage zu klären, müsse das Gericht sich im Zweifel diese Einzel­fälle anschauen und damit inzident bereits eine Leistungs­an­spruchs­prüfung der einzelnen Betrof­fenen vornehmen.

Wie gesagt, handelt es sich dabei nur um vorläufige Einschät­zungen der Senate. Wir werden weiter berichten.

(Christian Dümke)

2023-11-24T13:52:29+01:0024. November 2023|Rechtsprechung|