Verlän­gerung der Preis­bremsen: Das schiere Chaos.

Am 16.11.2023 stimmt der Bundestag über eine Verlän­gerung der Preis­bremsen ab. Die Bundes­re­gierung will per Preisbremsenverlängerungsverordnung (PBVV), also nicht per formellem Gesetz, die Preis­bremsen nach StromPBG (Strom) und EWPBG (Wärme und Erdgas) bis 30.04.2024 verlängern.

Der Entwurf ist von wahrhaft frappie­render Kürze: Der zeitliche Anwen­dungs­be­reich wird verlängert, das Ganze unter beihil­fe­recht­lichen Vorbehalt gestellt, und dann kommt schon die Klausel zum Inkraft­treten. Okay, fragt sich da der Praktiker: Zum einen ist doch aktuell schon unklar, wie der Temporäre Krisen­rahmen der EU, von dem abhängte ob Deutschland das eigentlich darf, nach der geplanten Änderung eigentlich genau aussieht. Zum anderen sind wir immer noch in Deutschland, wo der Schwanz nicht mit dem Hund wedeln darf, also Verord­nungen nicht imstande sind, Gesetze zu ändern. Nun ist zwar die Verlän­ge­rungs­mög­lichkeit per Verordnung jeweils gesetzlich geregelt, aber vielfach stellen Einzel­re­ge­lungen beider Preis­brem­sen­ge­setze auf konkrete Zeiträume und ‑punkte ab, die qua Gesetz fortge­schrieben werden müssten. Einfach gar nichts zu regeln und zu hoffen, dass die Praxis und dann auch die Gerichte das per analoger Anwendung erledigen, ist mindestens abenteu­erlich, in jedem Fall riskant.

Malen, Abstrakt, Rot, Explosion

Unklar ist ja schon, wie die Entlastung überhaupt berechnet wird. § 4 Abs. 1 StromPBG (§ 3 Abs. 1 EWPBG regelt das kurio­ser­weise flexibler) stellt konkret auf 2023 ab, und begrenzt die Entlastung in Satz 2 auch ausdrücklich bezogen auf die Strom­kosten 2023. Entfällt diese Begrenzung nun als gegen­standslos? Oder wird sie fortge­schrieben, aber wenn ja: Anteilig auf vier Monate oder nicht? Eine Analogie dürfte schon an diesen Unsicher­heiten scheitern. Ebenso müssten die Endab­rech­nungen gegenüber Kunden und Übertra­gungs­netz­be­treibern angepasst werden, aber aus einer schieren Verlän­gerung ergibt sich nicht, wie, selbst wenn eine Verordnung dieses Gesetz ändern könnte.

Über verschüttete Milch soll man nicht weinen: Die Bundes­re­gierung hätte sich früher überlegen müssen, was sie nun will, aber nun ist es zu spät für eine rechts­si­chere Lösung. Ein Änderungs­gesetz kommt nicht mehr. Vielleicht ist es aber auch gar nicht erfor­derlich, schaut man sich die Preise für Energie an, zu denen Verbraucher und Unter­nehmen aktuell abschließen. Ob die mögli­cher­weise gar nicht mehr so großen Vorteile der Fortführung der Preis­bremsen die Unsicher­heiten beim Vollzug recht­fer­tigen, darüber kann man durchaus streiten (Miriam Vollmer).

2023-11-10T17:35:15+01:0010. November 2023|Allgemein|

Reform der StVO: Ringen um Vision Zero

Bei der Reform der StVO ist aktuell noch Einiges in Bewegung. Vorgestern hat der Verkehrs­aus­schuss des Bundesrats einige Änderungs­emp­feh­lungen beschlossen. Am 24.11.2023 soll dann im Plenum abgestimmt werden. Bis dahin gibt es zwischen den Ländern und den betei­ligten Bundes­mi­nis­terien noch erheb­lichen Abstimmungsbedarf.

Denn vom Verkehrs­aus­schuss wurden gleich mehrere Änderungs­an­träge mehrheitlich empfohlen. Vor allem waren sich die Verkehrs­po­li­tiker der Länder weitgehend einig, dass die Verkehrs­si­cherheit nicht ins Hinter­treffen geraten darf und stärker betont werden solle.

In den Verwal­tungs­vor­schriften zur  StVO findet sich zwar bereits ein Verweis auf die „Vision Zero“ (keine Verkehrs­un­fälle mit Todes­folge oder schweren Perso­nen­schäden) als Grundlage aller verkehr­lichen Maßnahmen. Das hilft zwar, die Proble­matik in der Verwaltung stärker ins Bewusstsein zu rufen, ist aber in dieser Form nicht bindend für Gerichte. Das Straßen­ver­kehrs­recht gilt daher weiter als beson­deres Ordnungs­recht, so dass auf Abwehr konkreter Gefahren abgestellt wird. Der Gedanke der Prävention von abstrakten Gefahren gerät dabei ins Hintertreffen.

Der Verkehrs­aus­schuss empfiehlt nun, das Ziel von „null“ Verkehrs­toten und Schwer­ver­letzten ausdrücklich in die StVO aufzu­nehmen. Nur ein Bundesland, Brandenburg, stimmte gegen den Antrag.

Neben dieser Empfehlung fanden noch weitere Änderungs­vor­schläge Mehrheiten, beispiels­weise die Ermög­li­chung von Lücken­schlüsse zwischen zwei Tempo 30-Abschnitten bis auf eine Distanz von 1000 m (statt 500 m) zuzulassen, um häufige Tempo­wechsel zu vermeiden. Weiterhin gibt es nun die Empfehlung, die Regel­bei­spiele für schüt­zens­werte Einrich­tungen wie Schulen, Kinder­gärten und – nach dem aktuellen StVO-Entwurf – auch hochfre­quen­tierte Schulwege oder Spiel­plätze, in die Verwal­tungs­vor­schrift zu verlagern. Dies hätte den Vorteil, dass sie leichter geändert und angesichts der neuen unbestimmten Rechts­be­griffe (wie „Spiel­plätze“ oder „hochfre­quen­tierte Schulwege“) auch besser präzi­siert werden könnten.

Es sieht so aus, als könnte die Reform der StVO, die im Kabinetts­entwurf hinter den Erwar­tungen des Koali­ti­ons­ver­trags zurück­ge­fallen ist, nun doch größeres Innova­ti­ons­po­tential entfalten. Aller­dings hat das Bundes­ver­kehrs­mi­nis­terium offenbar schon signa­li­siert, dass bestimmte Änderungen nicht akzep­tiert würden. Bis zum Plenar­ent­scheidung des Bundesrats wird also noch viel verhandelt werden müssen. Wenn dabei am Ende mehr für die Sicherheit im Straßen­verkehr heraus­springt und die Kommunen größere Handlungs­spiel­räume erhalten, dann hat es sich gelohnt. (Olaf Dilling)

2023-11-10T12:41:49+01:0010. November 2023|Verkehr|

Entlastung der Industrie: Die Regie­rungs­pläne vom 09.11.2023

Nun kommt der Indus­trie­strom­preis also nicht. Für viele Unter­nehmen ist das eine gute Nachricht, weil der Kreis der Begüns­tigten gegenüber den ursprüng­lichen Plänen des BMWK deutlich steigt. Dieser hätte nur einem relativ kleinen Kreis niedrigere Energie­kosten als heute ermög­licht. Doch was hat die Bundes­re­gierung nun vor und was hat das zu bedeuten?

Zunächst sinkt die Strom­steuer von dem (bereits heute nach § 9b StromStG für Unter­nehmen um rund 0,5 Cent/kWh ermäßigten) Satz von 1,537 Cent/kWh auf 0,05 Cent/kWh. Das ist niedrigste Steuersatz, den die EU zulässt. Wichtig für die Einordnung: Schon jetzt können Unter­nehmen des produ­zie­renden Gewerbes nach § 10 StromStrG den sog. Spitzen­aus­gleich beantragen. Dieser beträgt aller­dings „nur“ bis zu 90% der Steuer, so dass die nun geplante Absenkung den Unter­nehmen doch Einiges bringt. Zudem entfällt der Antrags­aufwand, etwa Nachweis­pflichten für ein Energie­ma­nage­ment­system. Das haben viele Unter­nehmen zwar aus anderen Gründen sowieso, eine Beschneidung des ausufernden Nachweis- und Antrags­wesens ist trotzdem zu begrüßen. Dass Preis­sen­kungen Unter­nehmen dazu verführen könnten, Strom zu verschwenden, ist gleich­zeitig eher fernliegend, dafür ist und wird Elektri­zität mit oder ohne Steuer­senkung schlicht zu teuer.

Deutscher Bundestag, Reichstagsgebäude

Über die Ausweitung der Strom­kos­ten­kom­pen­sation wird dagegen gestritten. Um die Bedeutung und die Funktion der Strom­kos­ten­kom­pen­sation zu erklären, muss man etwas weiter ausholen: Der Emissi­ons­handel setzt bekanntlich preis­liche Anreize, Emissionen zu mindern. Die Strom­pro­duktion aus fossilen Quellen etwa ist mit Abgabe­pflichten von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen verbunden. Strom­erzeuger müssen also Berech­ti­gungen kaufen und geben diesen Preis an ihre Kunden weiter, entweder über die Kosten­kal­ku­lation im konkreten konkreten Strom­be­zugs­vertrag, oder über die Preis­bil­dungs­me­cha­nismen an der Börse, wo das preis­bil­dende Grenz­kraftwerk – meist ein Gaskraftwerk – regel­mäßig CO2-Kosten trägt. Der Strom­erzeuger selbst reicht die Kosten also nur durch, effektiv bezahlt sie der Strom­kunde. Bei diesem kommt also auch zuerst der Minde­rungs­anreiz an.

Dieser Minde­rungs­anreiz sinkt natürlich, wenn der indus­trielle Strom­kunde diesen Preis gar nicht voll bezahlt. Dass es die Strom­kos­ten­kom­pen­sation trotzdem gibt, liegt daran, dass bei Abwägung des Schutzes der europäi­schen Industrie und einem ungebremsten Preis­an­stieg für fossil erzeugten Strom der struk­tur­po­li­tische Aspekt überwiegt, und wegen des unver­än­derten Budgets für Emissionen auf EU-Ebene ohnehin insgesamt nicht mehr emittiert wird. Es macht aber auch deutlich, wieso um eine Ausweitung dieser Privi­le­gierung mehr gestritten wird. Denn künftig sinken die emissi­ons­han­dels­be­dingten Lasten für den Kreis der Berech­tigten noch weiter: Der Selbst­behalt von rund 40.000 EUR/a soll abgeschafft werden, das Super-Cap für die Topver­braucher im deutschen Stromnetz wird fortge­führt. Insgesamt soll die Strom­kos­ten­kom­pen­sation für fünf Jahre verlängert werden. Anders als beim Spitzen­aus­gleich für die Strom­steuer soll es aber weiter ein Antrags­ver­fahren geben, da die quali­ta­tiven Anfor­de­rungen, die der konkreten Beihil­fenhlhe zugrunde liegen, schon aus europa­recht­lichen Gründen nicht entbü­ro­kra­ti­siert werden können (Miriam Vollmer).

2023-11-10T09:38:52+01:0010. November 2023|Allgemein|