Dass nicht jeder gegen jede Rechtsverletzung zu Felde ziehen kann, enttäuscht gerade Aktivisten immer wieder. Zwar gelten einige Ausnahmen zugunsten von Umweltverbänden. Doch mit Urteil vom 25. März 2021 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Klage mehrerer Familien abgewiesen, die die EU auf die Erhöhung des Klimaziels von 40% bis 2030 verklagt haben (C‑565/19 P).
Die Kläger hatten im Verfahren dargelegt, dass ihre Betroffenheit höher ist als die anderer Personen, vor allem wegen ihres exponierten Wohnorts. Sie müssen deswegen teilweise ganz mit dem Verlust ihrer Häuser, mindestens mit erheblichen Nachteilen und Schäden rechnen, weil sie etwa auf Inseln leben, die besonders von einer Erhöhung des Wasserspiegels betroffen sind. Teilweise leben die Kläger in der EU, teilweise auch im außereuropäischen Ausland.
Doch dem EuGH reichte dieser Grad an Betroffenheit nicht. Denn Art. 263 Abs. 4 AEUV erlaubt Klagen von Privatpersonen nur in den engen Grenzen der persönlichen Betroffenheit:
„Jede natürliche oder juristische Person kann unter den Bedingungen nach den Absätzen 1 und 2 gegen die an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen sowie gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, die sie unmittelbar betreffen und keine Durchführungsmaßnahmen nach sich ziehen, Klage erheben.“
Solche „an sie gerichteten oder sie unmittelbar und individuell betreffenden Handlungen“ oder Rechtsakte sah schon das EuG mit Beschluss vom 8. Mai 2019 nicht als gegeben an. Der AEUV sehe keine Popularklagen vor. Die Klage sei deswegen unzulässig. Dies hat der EuGH als Rechtsmittelgericht nun bestätigt.
Haben die Kläger nunmehr also Grund, enttäuscht zu sein? Ja und nein. Die Möglichkeiten, die EU und ihre Organe über den Umweg der Gerichte zum Jagen zu tragen, sind damit wohl gescheitert. Doch die Kläger, vertreten durch bekannte Namen der Umweltszene, sind nicht naiv. Dass die EU verurteilt würde, mögen sie sich gewünscht, aber kaum erwartet haben. Wenn es ihnen darum ging, das Thema Klimaschutz in der Öffentlichkeit zu halten und politisch Druck zu machen, können sie sich zufrieden schätzen: Tatsächlich will die EU statt der bisher angesetzten 40% nun 55% Minderung bis 2030 erreichen. Die Kläger haben ihr Ziel also nicht gerichtlich, aber politisch realisiert (Miriam Vollmer).
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