Wer schon mal in der Bremer Neustadt war, kennt diese engen Einbahnstraßen mit den kleinen Reihenhäuschen und schmalen Bürgersteigen. Dort hat sich letztes Jahr ein Rechtsfall zugetragen, der Licht wirft auf das mitunter komplizierte Verhältnis von Recht und Wirklichkeit:
Eigentlich ist, was das Parken angeht, die Rechtslage in der Biebricher Straße klar: Es ist dort regulär nur Platz für eine Reihe parkender Autos. Wegen der Bürgersteige, die ohnehin die Mindestbreite unterschreiten, hat das in Bremen dafür zuständige Amt für Straßen und Verkehr kein Schild aufgestellt, das das Parken auf Gehwegen erlauben würden. Insofern wäre in der Einbahnstraße nur das Parken auf der rechten Fahrbahnseite erlaubt. Denn ansonsten ist nicht ausreichend Platz für durchfahrende Liefer‑, Rettungs- und Feuerwehrwagen.
Nun hatte sich in der Straße wegen des Parkdrucks eine Art „Gewohnheitsrecht“ eingeschlichen: Statt einseitig auf der Fahrbahn zu parken, hatte es sich durchgesetzt, beidseitig auf dem Gehweg aufgesetzt zu parken. Dadurch waren die Gehwege nicht mehr wie vorgesehen benutzbar. Zumindest für Kinderwagen oder alte Leute mit Gehhilfen war nicht mehr ausreichend Platz. Das ärgerte einen Anwohner so sehr, dass er aus Protest seinen Kastenwagen buchstäblich „außer der Reihe“ vorschriftsmäßig parkte. Die Gelegenheit dazu hatte sich ergeben, als auf beiden Seiten der Straße genug Parklücken waren, dass er seinen Wagen parken konnte, ohne den fließenden Verkehr zu behindern.
Die Konsequenz war maximales Chaos, was sogar die Polizei auf den Plan rief, die im finanziell chronisch klammen Bremen bei Parkverstößen sonst eher zurückhaltend agiert: Es war gekommen, wie es kommen musste: Andere Autofahrer hatten wieder wie gewohnt geparkt, so dass der Müllwagen an dem nun entstandenen Engpass stecken blieb. Die gerufene Polizei hatte schnell den in die Fahrbahn ragenden Kastenwagen als die Ursache der Verkehrsbehinderung ausgemacht, ein Abschleppunternehmen beauftragt und ein Bußgeld gegen den Halter verhängt. Das brachte den Anwohner nicht aus der Ruhe, der beim Amtsgericht Bremen nach § 67 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegte.
Der Richter fand bei der Zeugenaussage der Polizeibeamtin heraus, dass der wohl einzige Grund für das Abschleppen des Autos gewesen sei: „es stand anders als alle anderen“. Das reichte ihm vor dem Hintergrund der oben geschilderten Rechtlage nicht und er hob den Bußgeldbescheid auf.
Zu recht, wie wir meinen. Denn es ist zwar naiv zu erwarten, dass sich jeder an Gesetze hält. Dass aber rechtswidriges Verhalten zur Normalität wird, sollte die Ausnahme bleiben, oder? Dass die prekäre Parksituation allein zwischen wildwüchsiger Selbsthilfe der Bürger, überforderter Polizei und Gerichten ausgetragen wird, steht auf einem anderen Blatt. Ideal wäre, wenn die Kommunen die Möglichkeiten stärker wahrnehmen würden, die ihnen zur Lenkung des fließenden und des ruhenden Verkehrs zur Verfügung stehen. (Olaf Dilling)
Hinterlasse einen Kommentar