Wann verjähren Strom- und Gasrechnungen?

Jahresende. Abteilung Z feiert schon mittags mit Glühwein. Abteilung B wichtelt seit Tagen in der Hoffnung, dass die Verteilung von Badesalz und Kerami­kenten irgendwie noch besser wird. Und ansonsten selten auftau­chende Kollegen schleichen durch die Büros um nachzu­schauen, wie viele Weihnachts­karten die anderen bekommen.

Doch das Jahresende hat nicht nur entspannte Seiten, denn Silvester knallen nicht nur die Korken und die China­böller. Lautlos, aber ebenso endgültig, detonieren Ansprüche, die nicht recht­zeitig geltend gemacht wurden. Ein kurzes Wort also zu Fragen der Verjährung von Strom- und Gasentgelten:

Die regel­mäßige Verjäh­rungs­frist beträgt gemäß § 195 Abs. 1 BGB drei Jahre. Dies gilt auch für Ansprüche für die Lieferung von Energie. Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (das ist hier der Energie­ver­sorger) das weiß oder hätte wissen müssen. Aber wann ist der Anspruch entstanden? Das Gesetz ordnet an, dass ein Anspruch mit Fälligkeit entsteht. 

Die Fälligkeit festzu­stellen ist nicht immer ganz einfach. Nach § 17 GasGVV und StromGVV werden Versor­gungs­re­chungen frühestens zwei Wochen nach Zugang einer Zahlungs­auf­for­derung fällig. Das bedeutet: Wenn ein Versorger keine Rechnung gestellt hat, tritt dieser Zeitpunkt theore­tisch nie ein.

Aller­dings enthält § 40 Abs. 3 EnWG eine Verpflichtung, den Energie­ver­brauch nach Wahl monatlich oder in anderen Zeitab­schnitten, die jedoch zwölf Monate nicht wesentlich überschreiten dürfen, abzurechnen. Diese Regelung ist aller­dings nicht sehr präzise. Was bedeutet „nicht wesentlich“? Der Wortlaut spricht dafür, dass ein Unter­nehmen nicht 20 Jahre nach dem Energie­ver­brauch auf einmal aus dem Hinterhalt springen und Rechnungen präsen­tieren kann. Indes: Laut BGH, Urt. v. 17. Juli 2019, ist es unschädlich, wenn ein Versorger die Fristen des § 40 Abs. 3 EnWG verpasst hat. Maßgeblich bleibt der Zeitpunkt der Abrechnung. 

Für den Verbraucher ist das misslich: Auch wenn der Bezugs­zeitraum schon lange zurück­liegt, tritt wohl nur in extremen Fällen Verwirkung ein. Ansonsten verjähren Forde­rungen erst ab Rechnungs­legung. Der § 40 Abs. 3 EnWG läuft deswegen weitgehend leer. Hier wäre der Gesetz­geber gefragt.

(Sie sind sich unsicher, was einzelne Forde­rungen angeht? Mailen Sie uns, wir sind auch zwischen den Jahren erreichbar.)

2021-07-27T08:59:11+02:0017. Dezember 2018|Gas, Strom, Vertrieb|

Bescheidene Erfolge in Kattowitz

Gemessen an den Erwar­tungen ist es für den globalen Klima­schutz eigentlich glimpflich ausge­gangen. Die Klima­kon­ferenz in Kattowitz stand anfangs eher unter schlechtem Stern: Die Ankün­digung der USA das Pariser Überein­kommen zu verlassen, der Regie­rungs­wechsel in Brasilien und ein Gastge­berland, das die Konferenz in ein tradi­tio­nelles Stein­koh­le­revier verlegt hatte. Anderer­seits war das Jahr nicht nur in Mittel­europa von Wetter­ex­tremen geprägt, so war der Klima­wandel greif­barer als je zuvor.

Zwiespältig waren auch die Berichte von der Konferenz. Auf der einen Seite schienen Staaten die Oberhand zu bekommen, deren Ökonomie weiterhin stark auf fossilen Brenn­stoffen beruht, wie die USA, Russland, Saudi-Arabien und Kuwait. Sie sorgten für Verzö­ge­rungen und für Nachver­hand­lungen. Auf der anderen Seite brachten auch pazifische Insel­staaten ihre Inter­essen lautstark ein. Weite Resonanz fand die Rede einer 15-jährigen Schwedin, die im Namen der Kinder und Jugend­lichen an das Gewissen der Völker­ge­mein­schaft appellierte.

Schließlich kam es mit einem Tag Verzö­gerung doch zu einer Einigung über das Regelbuch zum Pariser Klima­über­ein­kommen. Allein, dass die Mitglied­staaten im Großen und Ganzen an ihrer Verpflichtung von Paris festhalten, war angesichts der politi­schen Ausgangslage keine Selbstverständlichkeit.

Die zentralen Punkte, auf die sich die Mitglied­staaten geeinigt haben, betreffen vor allem, wie die knapp 200 Staaten ihre Klima­ziele dokumen­tieren, ihre Emissionen messen und sich gegen­seitig kontrol­lieren. Dies müssen nun nicht nur die Indus­trie­länder, sondern auch Entwick­lungs­länder wie China oder Indien. Dies war seit langem eine zentrale Forderung der USA, was nun zu Speku­la­tionen Anlass gibt, sie könnten doch zum Überein­kommen von Paris zurück­kehren. Mit der Abgabe der Berichte können sich die Staaten jedoch noch ein paar Jahre Zeit lassen.

Am inter­na­tio­nalen Emissi­ons­handel sollen in Zukunft nur Staaten teilnehmen dürfen, die regel­konform Ziele zur Begrenzung ihrer Emissionen verfolgen. Klare Sanktionen gibt es darüber hinaus nicht, vielmehr setzen die Staaten auf „Naming und Shaming“, ein Mecha­nismus, der im Völker­recht oft angewendet wird. Immerhin zeigt das Beispiel USA, dass im Völker­recht ohnehin nur begrenzte Möglich­keiten bestehen, Mitglied­staaten zur Vertrags­treue zu zwingen.

Ein weiterer Punkt, der in Kattowitz beschlossen wurde, betrifft einen Fonds für Finan­zierung von Klima­schutz­pro­jekten in Entwick­lungs­ländern. Ein finan­zi­eller Ersatz der Schäden in armen und verletz­lichen Ländern ist dagegen nicht vorge­sehen. Immerhin soll über Schäden und Verluste in Zukunft regel­mäßig Bestand aufge­nommen werden.

Alles in allem ist der Erfolg der Konferenz zwar bescheiden, aber vor dem Hinter­grund der politi­schen Großwet­terlage eine Bestä­tigung, an den Zielen von Paris festzu­halten. Die Umwelt­mi­nis­terin Svenja Schulze ist angesichts der drohende Verfehlung der deutschen Klima­ziele nun in einer beson­deren Schuld, Entschlos­senheit zu signa­li­sieren. Anfang nächsten Jahres will sie ein Klima­schutz­gesetz vorlegen, in dem für alle Sektoren verbind­liche Ziele festgelegt werden. Dabei soll deutlich werden, dass Klima­schutz nicht nur eine Sache des Umwelt­res­sorts ist, sondern die ganze Regierung betrifft.

2018-12-17T12:21:19+01:0017. Dezember 2018|Allgemein, Emissionshandel, Energiepolitik|

Alarm für den Diesel‑6: Das EuG streicht den Berichtigungskoeffizienten

Die schlechten Nachrichten für den Diesel­fahrer reißen nicht ab: Das Gericht der Europäi­schen Union (EuG), erstin­stanzlich zuständig für Nichtig­keits­klagen, die nicht von einem privi­le­gierten Kläger eingelegt werden, hat nun kurz vor Weihnachten Entschei­dungen über Klagen der Städte Paris, Brüssel und Madrid gefällt. Diese Entschei­dungen haben es in sich, weil sie neue Diesel der Euro-6-Kategorie betreffen.

Zunächst zum norma­tiven Hinter­grund: Das Ungemach deutscher Diesel­fahrer mit Fahrver­boten beruht auf der schlechten Luftqua­lität in Innen­städten. Hier gilt nämlich die 39. BImSchV. Es gibt aber nicht nur solche quali­täts­be­zogene Vorschriften. Sondern auch emissi­ons­be­zogene Regelungen für das, was aus dem Auspuff eines Kraft­fahr­zeugs kommen darf. Um diese geht es hier, und zwar in Gestalt der Emissi­ons­grenz­werte für Stick­oxide. Diese Grenz­werte stehen in der Verordnung (EG) Nummer 715/2007.

Bekanntlich werden diese Grenz­werte von vielen Diesel­fahr­zeugen nur auf dem Prüfstand, aber nicht im Realbe­trieb auf der Straße einge­halten, weil die Hersteller eine Manipu­la­ti­ons­software verwenden, die sich auf der Straße abschaltet. Das soll in Zukunft natürlich nicht mehr möglich sein. Deswegen erließ die europäische Kommission eine Verordnung (2016/646), die ein Verfahren vorgab, wie genau die Emissionen von Kraft­fahr­zeugen ermittelt werden sollen, die sogenannte RDE-Verordnung. Aber um zu verhindern, dass in Anwendung dieses Verfahrens mit einem Schlag lauter neue Diesel‑6 ihre Typen­zu­lassung verlieren und ihre Halter ohne Fahrzeug dastehen, enthält die RDE-Verordnung Berich­ti­gungs­ko­ef­fi­zi­enten, also Faktoren, mit denen die eigentlich anwend­baren Grenz­werte multi­pli­ziert werden. Diese werden also drastisch überschritten, aber die realen Emissionen in einem zweiten Schritt klein­ge­rechnet. Wir sprechen hier nicht über wenige Milli­gramm, sondern um teilweise das Doppelte.

Die Städte Paris, Brüssel und Madrid zogen gegen diesen Grenz­wer­trabatt vor Gericht. Die europäische Kommission hielt die Klagen zwar für unzulässig, weil die Städte nicht unmit­telbar betroffen seien. Das EuG sah dies aber anders, denn die Städte seien in ihren Regulie­rungs­be­fug­nissen einge­schränkt. Alle drei Städte haben nämlich bereits Maßnahmen zur Luftver­bes­serung erlassen, auf die sich die Erhöhung der Grenz­werte durch Berich­tigung wesentlich auswirkt.

Auch im Hinblick auf die Begrün­detheit der Klagen setzten die Städte sich durch. Das Gericht stellte sich auf den Stand­punkt, dass die Grenz­werte nicht durch Berich­tigung hätten abgeändert werden dürfen. Die Kommission hat also ihre Befug­nisse überschritten. Nach Ansicht des Gerichts müssen dann, wenn es Unschärfen gibt, die Grenz­werte in der Verordnung Nummer 715/2007 korri­giert werden. Eine nachträg­liche Regelung durch die Kommission, in der passend gemacht wird, was nicht passt, darf es nicht geben.

Immerhin kostet diese Entscheidung die Halter der betrof­fenen Diesel-6-Kraft­fahr­zeuge nicht gleich morgen ihre Typen­zu­lassung. Das Gericht räumt zwölf Monate Umset­zungs­frist ab Ablauf der Rechts­mit­tel­frist ein. Aller­dings ist wohl davon auszu­gehen, dass in einer sowohl politisch als auch rechtlich nicht unkom­pli­zierten Frage das Rechts­mittel zum europäi­schen Gerichtshof (EuGH) eingelegt werden wird. Angesichts der auch rechtlich überzeu­genden Argumen­tation des EuG müssen die betrof­fenen Fahrer aber wohl damit rechnen, dass auch die zweite Instanz zum Ergebnis kommen könnte, dass die goldene Brücke für ihre Typen­zu­lassung im Ernstfall nicht hält.

2018-12-14T14:56:32+01:0014. Dezember 2018|Verkehr|