Es gibt in Deutschland Umweltqualitätsnormen. Diese stammen aus dem europäischen Recht und stehen in der 39. Bundes­im­mis­si­ons­schutz­ver­ordnung. Hier stehen Grenz­werte unter anderem für Stick­oxide, Feinstaub und Schwefeloxide.

Die Grenz­werte, die in der 39. BImSchV stehen, hat der Staat zu garan­tieren. Es handelt sich also um sog. „subjektive öffentliche Rechte“, die man notfalls einklagen kann. Das ergibt sich aus § 47 BImSchG. Problem an der Sache: Es sind ja gar nicht Staaten, die verschmutzen. Das sind wir alle. Autofahrer, Warmdu­scher, Wohnungs­heizer. Der Staat – das sind hier die Länder, also Berlin, Bayern, BaWü … – müssen also uns alle dazu bringen, dass wir weniger Auto fahren, heizen etc. Wenn die Länder wegen Grenzwertüberschreitungen verklagt werden, haben sie also zu wenig Druck ausgeübt. Hier liegt auch die politische Spreng­kraft solcher Klagen: Des einen saubere Luft ist des anderen Fahrver­zicht. Da sich niemand gern etwas verbieten lässt, sind die Länder in einer Zwickmühle. Sie verärgern auf jeden Fall jemanden.

Haupt­quelle ist der Verkehr. In Berlin stammen ungefähr 3/4 der proble­ma­ti­schen Emissionen von Stick­oxiden und Feinstaub aus dem Straßen­verkehr. 1,3 Mio. Kraft­fahr­zeuge emittieren Schad­stoffe. Natürlich kommt auch aus den Auspuffen von Bussen und aus den Kraft­werken, mit denen der Strom für Straßen- und S‑Bahnen erzeugt wird, Abgase. Aber pro gefah­renem Kilometer sind die Schad­stoffe des Autover­kehrs viel, viel mehr.

Leider ist es Berlin nicht gelungen, die Luftqualitätsziele einzu­halten. An einigen der 16 Messsta­tionen und 23 Probenahmegeräten wird immer noch zu viel Schad­stoff gemessen. Wer wissen will, wie es gerade konkret aussieht, kann im Internet nachschauen. Unter https:// www.berlin.de/senuvk/umwelt/luftqualitaet/luftdaten/ stehen die Daten. Hier sieht man, dass es Berlin bis heute nicht gelingt, durchgängig die Luftqualität zu garan­tieren, die laut der 39. BImSchV den Bürgern zusteht. Problem ist insbe­sondere Stick­stoff­dioxid, NO2. Das ist unter anderem schlecht für die Lunge und kann für Asthma­tiker zum ernsten Problem werden.

Weil Diesel­mo­toren mehr Stick­oxide emittieren als Benziner, sind diese derzeit so in der Diskussion. Sie sorgen nicht nur für Überschreitungen der Umweltqualitätsziele, sondern entsprechen auch den emissi­ons­be­zo­genen EU-Abgas­normen nicht. Das gilt, wie sich ja letztes Jahr heraus­ge­stellt hat, auch für neue Motoren, weil die nur auf dem Prüfstand, nicht auf der Straße wirksam filtern. Man darf aber nicht verkennen, dass nicht nur Diesel­mo­toren, sondern alle Verbren­nungs­mo­toren die Gesamt­be­lastung erhöhen. Wer nur Diesel verteufelt, macht es sich zu einfach. Man braucht eine ganz andere Mobilität.

Um für die Zukunft zu gewährleisten, dass die Luft besser wird, hat Berlin Luftreinhaltepläne erlassen, die diverse Maßnahmen enthielten. ZB die Umweltzone, mehr Parkraum­be­wirt­schaftung, mehr Tempo 30-Zonen etc. Gleich­zeitig nimmt der Pendler­verkehr zumindest gefühlt eher zu, weil immer mehr Leute immer weiter von ihrem Arbeits­platz weg wohnen. Man wird sehen, wie sich das entwickelt.

Nun ist die Berliner Luft ja nicht erst seit gestern schlecht. Leider ist – wie auch in anderen deutschen Städten – aber in den letzten Jahren nicht genug passiert. Deswegen hat es immer wieder Klagen gegeben. Lange Zeit durften nur direkt Betroffene klagen, also etwa Anwohner am Stutt­garter Neckartor. In den letzten Jahren hat der Europäische Gerichtshof, EuGH, aber in mehreren Entschei­dungen klarge­stellt, dass nicht nur Betroffene vor die Gerichte ziehen dürfen. In Berlin wären das etwa Anwohner an der Leipziger Straße. Oder an einigen Straßen in Neukölln, am Görlitzer Bahnhof oder an einigen Straßenzügen in Schöneberg. In Deutschland galt nämlich lange, dass klage­befugt nur derjenige ist, der direkt und unmit­telbar betroffen ist.

Deutschland, wie auch die EU, sind aber Parteien der Arhus-Konvention, die neben vielen anderen Rechten auch die Durch­setzung von Umwelt­recht durch Umweltverbände erleichtert. Schon vor einigen Jahren hat der EuGH deswegen ausge­ur­teilt, dass Verbände Lufteinhaltepläne einklagen können. Seitdem hat der EuGH in immer weiteren Entschei­dungen den deutschen Gesetz­geber dazu gezwungen, das Umwelt­rechts­be­helfs­gesetz immer weiter zu ändern. Heute können Umweltverbände sich vor Gericht auf fast alle Umwelt­ge­setze stützen. Dass die Deutsche Umwelt­hilfe in 16 Städten auf die Einhaltung der Luftqualität pocht, ist deswegen möglich, obwohl sie selbst ja nicht so betroffen ist wie Anwohner.

In Stuttgart, Düsseldorf und München waren diese Klagen erstin­stanzlich erfolg­reich, mit denen der Umwelt­verband Fahrverbote für bestimmte Diesel­mo­delle durch­setzen will. In Berlin und einigen anderen Städten sind ähnliche Klagen anhängig. Aber noch haben die Betrof­fenen und der Verband nicht gesiegt:

Die Städte sind sehr zögerlich, was die Umsetzung angeht. Bayern hat sich sogar zu 4000 EUR Zwangsgeld verur­teilen lassen, weil die Umwelt­mi­nis­terin das Urteil des Gerichts nicht umsetzt. Aber Zwangsgeld geht ans Land, so dass es dem Land nicht wehtut. Mal abgesehen davon, dass 4.000 EUR viel zu wenig sind, um den Staat zu beein­drucken. Nun ist Zwanghaft beantragt. Das geht gegen Gebietskörperschaften eigentlich gar nicht, ganz ausge­schlossen ist es aber nicht. Am 29.01. wird der Bayerische VGH diesen Antrag verhandeln.

Außerdem ist immer noch unklar, ob Fahrverbote überhaupt zulässig sind. Die Länder sind gegen die Verur­teilung, solche zu erlassen, in Revision gegangen. Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) wird prüfen, ob es sich um zulässige Mittel handelt. Am 22.02.2018 wird in Leipzig verhandelt. Wenn das BVerwG sich dafür ausspricht, ist ein Fahrverbot für ältere Diesel auch in Berlin recht wahrscheinlich.

Wer klagen will, weil er sich an seinem konkreten Wohnort betroffen fühlt: Der Streitwert ist in BaWü mit 30.000 EUR bemessen worden. Das liegt aber daran, dass es hier um einen Verband geht. Bei privaten Dritten, die nicht in Eigen­tums­rechten, sondern in anderen Rechten betroffen sind, ist nach dem Streit­wert­ka­talog 2013 von 15.000 EUR auszu­gehen. In erster Instanz würde das 4.291 EUR ausmachen, das umfasst Gerichtsgebühren, den eigenen und den gegne­ri­schen Anwalt.