BKartA und Vergleichsportale

Spricht man mit Vertriebs­leiter von Energie­ver­sorgern, so klagen viele: Vor allem jüngere Kunden nutzen das Internet auf der Suche nach einem guten Energie­ver­sorger. Dort landen sie regel­mäßig bei Vergleichs­por­talen wie vor allem Check24 und Verivox. Es herrscht aber eine verbreitete Unkenntnis darüber, dass Vergleichs­portale keineswegs wirtschaftlich auf Verbrau­cher­seite stehen. 

Diese Schweig­samkeit über den wahren Charakter diese Dienst­leis­tungen hat in der Vergan­genheit schon der BGH für Bestat­tungen und u. a. auch das Landge­richt München in Hinblick auf Versi­che­rungen bemängelt. Und auch das Bundes­kar­tellamt hat sich der Proble­matik angenommen. Erste Ergeb­nisse seiner Sektor­un­ter­su­chung von Vergleichs­por­talen u. a. auch in Hinblick auf Energie liegen in Form eines Konsul­ta­ti­ons­pa­piers seit gestern vor.

Die Behörde zeigt sich kritisch. Zwar lobt auch die Behörde das Mehr an Trans­parenz, dass Portale liefern können. Aller­dings bemängelt das Bundes­kar­tellamt den Einfluss von Entgelten und Provi­sionen, die die Anbieter zahlen, zum Teil verwir­rende Hinweise etwa auf angeb­liche Exklu­siv­an­gebote. Auch der Umstand, dass speziell Check 24 Kunden zusätz­liche Boni für bestimmte Energie­tarife anbietet und so den anbie­tenden Unter­nehmen Vorteile beim Ranking verschafft, sieht die Behörde als Problem. Generell stößt die Vermi­schung der Rollen als Makler, Werbe­plattform und Verbrau­cher­trans­pa­ren­z­an­gebot auf Unbehagen.

Tatsächlich hängt die recht­liche Einordnung des Verhaltens der Portale stark davon ab, was man dem aufge­klärten Durch­schnitts­ver­braucher zutraut. Erkennt er, dass die Portale letztlich werben und makeln? Betrachtet er Rankings kritisch? Je weniger man von einem solchen aufge­klärten Blick ausgehen kann, umso eher wird man zum Ergebnis kommen, dass hier unerlaubt der Werbe­cha­rakter verschleiert und über die Vorzugs­wür­digkeit mancher Tarife sogar irrege­führt würde. Wenn dem so wäre, könnten beispiels­weise Konkur­renten sowohl das Vergleichs­portal als auch den einzelnen zahlenden Energie­an­bieter wettbe­werbs­rechtlich zur Verant­wortung ziehen. Und auch für die Verbrau­cher­schutz­zen­tralen gäbe es Anknüp­fungs­punkte, wenn sie denn wollten. 

Doch kann die Lösung in einer Geißelung dieser verbrei­teten Praxis bestehen? Der Verbraucher geht in der Vielzahl der Angebote unter und ist ohne Platt­formen nicht in der Lage, sich neutral zu infor­mieren. Deswegen stellt sich die Frage, ob dann, wenn sich das Rollen­di­lemma der Vergleichs­portale als system­im­manent heraus­stellt, nicht der Gesetz­geber gefragt wäre, die Verknüpfung von Werbung, Vermittlung und Infor­mation aufzulösen. 

(Wenn Sie es ganz genau wissen wollen: Vollmer, EnWZ 2015, 457)

2018-12-13T13:16:12+01:0013. Dezember 2018|Wettbewerbsrecht|

Wenn der Werber x‑mal klingelt

Es ist bekanntlich verboten, Verbraucher ohne deren vorherige ausdrück­liche Einwil­ligung anzurufen, um ihnen etwas zu verkaufen. Das steht in § 7 Abs. 2 Nummer 2 des Gesetzes gegen den unlau­teren Wettbewerb (UWG).

Das UWG sieht in solchen Fällen zwei denkbare Konse­quenzen vor. Zum einen können Wettbe­werber abmahnen und, wird keine Unter­las­sungs­er­klärung abgegeben, eine gericht­liche Unter­las­sungs­ver­fügung herbei­führen. Wenn der Misse­täter noch einmal unerlaubt zum Hörer greift, kann dann ein Ordnungsgeld beantragt werden. Doch auch die öffent­liche Hand muss nicht tatenlos zusehen. § 20 Abs. 1 Nummer 1 UWG erklärt solche Verstöße zu Ordnungs­wid­rig­keiten. Abs. 2 sieht eine Geldbuße von bis zu 300.000 € vor.

Jetzt hat die für die Verhängung der Bußgelder zuständige Bundes­netz­agentur (BNetzA) erstmals den Bußgeld­rahmen voll ausge­schöpft. Zuvor hatten sich mehr als 6000 Verbraucher über die ENERGYs­parks GmbH beschwert. Das Unter­nehmen hatte telefo­nisch für einen Wechsel des Strom-und Gasver­sorger geworden. Die Anrufer wurden auch uns gegenüber als selbst für dieses robuste Gewerbe ausge­sprochen aggressiv geschildert: Offenbar wurden viele Verbraucher immer wieder angerufen, sie wurden teilweise beleidigt, bedroht, und die von der ENERGYs­parks GmbH gekauften Adress­daten waren wohl auch nicht hinrei­chend mit Einwil­li­gungen unterlegt.

Wie nun bekannt wurde, will das Unter­nehmen Einspruch einlegen. Der Rechts­anwalt des Direkt­ver­markters teilt mit, Wettbe­werber des Unter­nehmens hätten die Telefonate im Namen des Unter­nehmens durch­ge­führt. Doch ist so etwas wirklich wahrscheinlich? Es ist bekannt, dass die meisten Verbraucher sich auch nach ausge­sprochen ärger­lichen Telefo­naten zwar aufregen, aber es muss eine Menge passieren, damit der Verbraucher sich an die BNetzA wendet. Allein die Kosten, so viele Verbraucher anzurufen, um für die ENERGYs­parks GmbH zu werben, dabei absichtlich belei­digend und bedrohend aufzu­treten, bis 6.000 Beschwerden einge­gangen sind, dürften horrend sein. Man hat, wie der Volksmund sagt, schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen, aber ein solches Pferd und eine solche Apotheke können wir uns kaum vorstellen.

Der Anwalt der ENERGYs­parks GmbH meint weiter, das Unter­nehmen hätte sich gar keine Kontakt­daten von unseriösen Adress­händlern beschafft, sondern eine „zentral angelegte Adress­da­tenbank“ genutzt. Uns ist eine solche Einrichtung ja nicht bekannt. Was er wohl meint? Offenbar ist ihm nicht klar, wie anspruchsvoll die Anfor­de­rungen an eine wirksame Einwil­ligung sind. Es gibt schon deswegen keine zentral angelegten Adress­da­ten­banken, bei denen sich jeder, der für irgendein Produkt werben will, frei bedienen kann. Einwil­li­gungs­er­klä­rungen müssen klar erkennen lassen, welche Produkte oder Dienst­leis­tungen welcher Unter­nehmen konkret erfasst sind. Dies hat der BGH am 14.3.2017 (VI ZR 721/15) für E‑Mail-Werbung unter­strichen, und es spricht alles dafür, dass das natürlich auch für Telefon­anrufe gilt. Schon deswegen ist es schwer vorstellbar, dass sich das Unter­nehmen mit seiner Rechts­an­sicht durchsetzt.

Was passiert also nun? Der Einspruch wird bei der BNetzA eingelegt. Wenn diese den Bußgeld­be­scheid aufrecht erhält, wird über die Staats­an­walt­schaft das Amtsge­richt Bonn aktiv. Dieses kann entweder durch Beschluss ohne oder mit Urteil nach einer Haupt­ver­handlung entscheiden, ob es bei dem außer­or­dentlich hohen Bußgeld bleibt. Gegen Urteil und Beschluss in dieser Sache ist schon wegen der Höhe des Bußgeld die Rechts­be­schwerde zum Oberlan­des­ge­richt eröffnet.

2018-12-12T00:04:05+01:0012. Dezember 2018|Wettbewerbsrecht|

Brexit oder Brücke?

Es ist fast ein bisschen mitleid­erregend, zurzeit nach Westminster zu schauen. Wenn von der BBC spätabends politische Diskus­sionen übertragen werden, sind vor allem ratlose, wütende und verzagte Gesichter zu sehen. Es ist wohl nicht wirklich die Stimmung, die sich die Verfechter einer souve­ränen Insel-Nation erwartet hatten. Dieje­nigen, die sich vom Brexit einen klaren Schnitt von der EU erwartet hatten, dürften spätestens jetzt einge­sehen haben, dass die Klarheit und Einfachheit dieses Schnitts eine Illusion war.

Klar ist derzeit nur, dass es zur Zeit der Entscheidung über den Brexit noch vollkommen unklar war, was auf Großbri­tannien zukommen würde. Und der Brexit hat in dem Moment aufgehört einfach zu sein, als deutlich wurde, dass der scheinbar einfache Pfad, der mit der Entscheidung zum Austritt aus der EU einge­schlagen wurde, sich in unendlich viele Verzwei­gungen und Sackgassen verläuft. Von diesen Verzwei­gungen sind, wie sich nun selbst viele Befür­worter des Austritts einge­stehen müssen, die aller­meisten gangbaren ganz eindeutig keine Verbes­serung gegenüber der Mitglied­schaft in der EU.

Vor allem führt die aktuelle politische Unsicherheit auch für Unter­nehmen zu einer unerträg­lichen, weiterhin andau­ernden Rechts­un­si­cherheit. Bis jetzt ist nicht klar, welche Regeln ab März 2019 gelten werden: Die von der Regierung May tatsächlich ausge­han­delten, Neuver­hand­lungen auf der Basis einsei­tiger Wunsch­vor­stel­lungen, gar keine Verein­ba­rungen im Sinne eines harten Brexit – oder doch eine Rückkehr zur Vollmit­glied­schaft? Dass der geordnete Rückzug vom Brexit gestern durch den Europäische Gerichtshof noch als rechtlich möglicher Weg ergänzt wurde, hat in Westminster offenbar so für Verwirrung gesorgt, dass Theresa May die für heute geplante Abstimmung über ihre Verein­barung mit der EU im Unterhaus auf unbestimmte Zeit verschoben hat.

Es handelt sich im Kontext des Brexits sicherlich nicht um das brennendste Problem, aber selbst in der Energie­wirt­schaft würde sich Etliches zum Schlech­teren wenden; jeden­falls dann, wenn nach dem aktuellen Stimmungsbild im Unterhaus zwar am Brexit festge­halten, aber Theresa Mays Verein­ba­rungen nicht unter­stützt werden. Großbri­tannien wird dann nicht nur aus dem Euratom-Vertrag und der gemein­samen Forschung über die Kernfusion aussteigen. Auch der gemeinsame Energie­bin­nen­markt würde wieder separiert werden. Steigende Energie­preise und eine Verschlech­terung der Versor­gungs­si­cherheit wären die wahrschein­liche Konse­quenz. Zudem könnte Großbri­tannien dann auch umwelt- und klima­po­li­tisch ausscheren und den Ausbau der erneu­er­baren Energien vernach­läs­sigen. Jeden­falls gibt es im Land selbst nun Befürch­tungen, dass es wieder, wie in den 1980er Jahren, zum „dirty man of Europe“ werden könnte.

Die Moral, die sich Populisten und ihre Anhänger hinter die Ohren schreiben sollten: wenn über Jahre Zusam­men­ge­wach­senes plötzlich nicht mehr zusammen gehören soll, dann ist heillose Verwirrung und Paralyse die Folge, auch wenn ein klarer Schnitt und souveräne Freiheit inten­diert war. England, you could and you can do better, denken wir uns und zitieren zum Beweis John Donnes prophe­tische Meditation von 1623 über die Vernetzung des Menschen in einem großen Ganzen:

No man is an island entire of itself; every man / is a piece of the continent, a part of the main / if a clod be washed away by the sea, Europe / is the less…”

Vielleicht, so hoffen wir, lässt sich die Insel Albion ja doch wieder mit dem Kontinent verbinden. Der Europäische Gerichthof hat eine Brücke gebaut. Die Briten brauchen sie nur noch zu beschreiten.

2018-12-11T08:55:30+01:0011. Dezember 2018|Allgemein, Energiepolitik, Umwelt|