Domain­streit um „wir-sind-afd.de“: Urteil des LG Köln vom 06.02.2018

Der Berliner Blogger Nathan Mattes betreibt seit November 2015 die Homepage www.wir-sind-afd.de. Auf dieser Seite führt er Origi­nal­zitate der AfD auf. Mattes hofft, durch die oft entlar­venden Zitate einer inter­es­sierten Öffent­lichkeit zu verdeut­lichen, dass die AfD keine konser­vative Partei wie „die CDU früher“ ist, sondern rechts­ra­dikale Positionen vertritt.

Die AfD versucht seit April 2017, dies zu unter­binden. Sie klagt seit Mai 2017 vor dem Landge­richt (LG) Köln und verlangt von Mattes, dass er die Domain www.wir-sind-afd.de aufgibt. Dabei beruft sie sich auf das Namens­recht an der Bezeichnung „AfD“ gem. § 12 BGB. Laut deren Anwälten würde durch die Domain eine „Namens­ver­wirrung“ eintreten. Mattes würde sich den Namen AfD „anmaßen“, dabei  legt Mattes direkt auf der Homepage offen, wofür er die AfD hält: Für eine rechts­extreme, rassis­tische, menschen­ver­ach­tende Partei.

Die AfD muss damit leben, dass die Äußerungen ihrer Funktionäre im Internet unter einer leicht auffind­baren Adresse gefunden werden.“, begründet Mattes, warum er sich gegen die Klage verteidigt und – zumindest vorerst – nicht einfach die Domain wechselt. Bei diesem Kampf um seine Seite stehe ich Herrn Mattes seit 2017 zur Seite.

Das LG Köln sieht dagegen erstin­stanzlich die AfD im Recht. Der – laut LG Köln – „sogenannte Blogger“ Mattes würde eine Namens­ver­wirrung auslösen, weil derjenige, der auf die Seite kommt, erst einmal glauben würde, er wäre bei der AfD und nicht bei einem engagierten Gegner. Dabei beschreibt die Domain vollkommen zutreffend, dass die dort versam­melten, fast durchweg skanda­lösen Stimmen für das „wir“ der AfD stehen.

Zwar geht das LG Köln dabei kurz auf die Frage ein, ob im politi­schen Streit das Namens­recht nicht diffe­ren­ziert betrachtet werden muss. Tatsächlich spricht aber Einiges dafür, dass das Gericht Art. 5 Abs. 1 Grund­gesetz (GG) nicht so gewürdigt hat, wie die Lüth-Recht­spre­chung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) es verlangt. Green­peace etwa hatte vor einigen Jahren beim KG Berlin deutlich mehr Glück, das Art. 5 GG bei der Inter­es­sen­ab­wägung im Kampf um eine Domain zugunsten der Umwelt­or­ga­ni­sation berück­sich­tigte und das klagende Unter­nehmen abwies (Urt. v. 23.10.2001, 5 U 101/01). Zweifelhaft erscheint es auch, ob die Bezeichnung der AfD als „rechts­extrem, rassis­tisch und menschen­ver­achtend“ auf der Seite des Beklagten Mattes wirklich eine belei­di­gende „Schmäh­kritik“ darstellt, wie das LG Köln obiter dictum meint. Das LG Köln hat überdies auch den Streitwert hier sogar mit 50.000 EUR noch höher angesetzt als die AfD selbst vorge­schlagen hat, die 30.000 EUR angeregt hatte.

Freunde von Herrn Mattes sammeln deswegen unter https://www.leetchi.com/c/hilfe-fuer-zeitschlag Geld für die verlorene erste Instanz. Dies schlägt inzwi­schen hohe Wellen, so haben unter anderem die Online­ma­gazine Vice, Bento und ze.tt berichtet. Parallel und nachdem nun klar ist, dass genügend Geld zusam­men­ge­kommen ist, wird Herr Mattes über das weitere Verfahren entscheiden. Sollte er Berufung einlegen und vorm Oberlan­des­ge­richt (OLG) Köln recht bekommen, so dass die AfD alle Kosten tragen müsste, wird er die Spenden zu gleichen Teilen den Flücht­lings­paten Syrien e.V. und der Sea Watch e.V. spenden, um auch auf diese Weise für mehr Mensch­lichkeit einzu­treten. In jedem Fall hat mein Mandant aber sein Haupt­an­liegen bereits erreicht: Die auf seiner Seite versam­melten Stimmen der AfD haben ein breites Publikum erreicht.

2018-02-16T07:25:11+01:0016. Februar 2018|Allgemein, Wettbewerbsrecht|

Angefangene Viertel­stunden: Wieder Ärger mit Viertelstundenklauseln

Kanzleien rechnen ihre Dienst­leis­tungen regel­mäßig entweder über das Rechts­an­walts­ver­gü­tungs­gesetz (RVG) oder anhand von Stunden­sätzen für die angefallene Arbeit ab. Da es sich bei den dieser Abrechnung zugrunde liegenden Honorar­ver­ein­barung regel­mäßig (wenn auch nicht immer) um Allge­meine Geschäfts­be­din­gungen (AGB) handelt, unter­liegen diese Klauseln nicht nur dem anwalt­lichen Standes­recht, also dem Sonder­recht der Rechts­an­wälte, sondern auch der AGB-Kontrolle der §§ 305ff. BGB. Sie werden also von den Gerichten einer Inhalts­kon­trolle unter­zogen. Klauseln, die nicht diesen Ansprüchen genügen, sind unwirksam.

Insbe­sondere die verbrei­teten Viertel­stun­den­klauseln, nach denen die angefallene Arbeitszeit je angefangene Viertel­stunde abgerechnet und per Stunden­auf­stellung nachge­wiesen wird,  sind in den vergan­genen Jahren mehrfach vor Gericht gegangen, wobei eine klare Linie der Recht­spre­chung sich dabei bisher nicht ausmachen lässt. Unter­schied­liche Oberlan­des­ge­richte (OLG) sind zu unter­schied­lichen Ergeb­nissen gelangt. Das OLG Düsseldorf hat am 18.02.2010 (I‑24 U 183/05) eine Viertel­stun­den­klausel, bei der jeweils die angefangene Viertel­stunde mit einem 1/4 des Stunden­satzes vergütet werden sollte, für unwirksam erklärt. Die Entscheidung hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) zwar aufge­hoben, aber die Frage nach der Vergü­tungs­klausel ausdrücklich offen gelassen. Das OLG Schleswig sah sodann 2009 (11 U 159/07) in direkter Ausein­an­der­setzung mit der Recht­spre­chung aus Düsseldorf eine ganz ähnliche Klausel für unpro­ble­ma­tisch an. Das OLG Düsseldorf (I‑24 U 112/09) segnete dann 2010 immerhin eine Klausel ab, in der nur einmal am Tag eine angefangene Viertel­stunde zu vergüten war, also alle anderen angefan­genen Viertel­stunden addiert werden sollten, so dass es maximal zu einer Mehrbe­rechnung von 14 Minuten hätte kommen können.

Nunmehr hat das Landge­richt (LG) Köln sich erneut mit einer solchen Klausel beschäftigt (26 O 453/16), inter­es­san­ter­weise auf Betreiben der Rechts­an­walts­kammer Köln (RAK Köln), die geklagt hat, weil die ihrer Ansicht nach proble­ma­tisch agierende Kanzlei nicht in Köln ansässig ist, so dass die Kammer nicht – wie gegenüber in Köln ansäs­sigen Anwälten – hoheitlich vorgehen und etwa rügen konnte.

Die Entscheidung ist in vielfacher Hinsicht inter­essant. Beson­deres Augenmerk verdient aber erneut die Passage zur viertel­stünd­lichen Abrechnung. Hier heißt es in der Honorar­ver­ein­barung, die vor Gericht ging:

Diese Klausel genügte dem LG Köln in Anknüpfung an die Recht­spre­chung des OLG Düsseldorf nicht. Das LG Köln sah darin wiederum eine unange­messene Benach­tei­ligung des Mandanten, weil die Gleich­wer­tigkeit von Leistung und Gegen­leistung verletzt würde. Ein Anwalt könnte so – so argumen­tierte bereits das OLG Düsseldorf – nämlich über den Tag verteilt jeweils vier Minuten für den Mandanten aktiv werden, und weil so vier Viertel­stunden jeweils angefangen wären, würde ein ganzer Stundensatz anfallen. Das erschien dem Gericht angesichts der heutigen techni­schen Möglich­keiten, die Arbeitszeit ganz genau zu erfassen, proble­ma­tisch. Das Gericht unter­strich dabei, dass dies seiner Ansicht nach sowohl gegenüber Verbrau­chern als auch gegenüber Unter­nehmen gelten würde.

Da im vorlie­genden Fall die Kammer geklagt hat und es nicht (anders als in früheren Fällen) um konkrete Honorar­for­de­rungen geht, könnten weitere Instanzen die Frage nach der Wirksamkeit der Klausel nicht so leicht mit der Unerheb­lichkeit im konkrete Fall Außer­acht­lassung lassen. Es wäre aller­dings denkbar, dass höhere Instanzen die Zuläs­sigkeit der Klage verneinen, was die beklagte Kanzlei schon in der ersten Instanz vorge­tragen hatte. Die Wahrschein­lichkeit ist aber nicht gering, dass anhand dieses Verfahrens endlich auch einmal durch den BGH geklärt wird, wie Anwälte mit dem schwie­rigen Kapitel Zeittaktung umzugehen haben.

2018-02-15T07:01:40+01:0015. Februar 2018|Allgemein|

Und täglich grüßt … das Fahrverbot

Die Ausein­an­der­set­zungen rund um die Frage, wie mit der Verfehlung der Luftqua­li­täts­ziele umzugehen ist, gehen weiter. Nachdem die Bundes­um­welt­mi­nis­terin in der vergan­genen Woche von der Kommission aufge­fordert worden war, Maßnahmen mitzu­teilen, wie diese denn nun endlich einge­halten werden sollen, hat das Bundes­um­welt­mi­nis­terium (BMUB) nunmehr neue Ideen vorge­bracht.

Hierbei handelt es sich nicht um offene, unver­bind­liche Überle­gungen. Denn die Bundes­re­publik befindet sich wegen der dauer­haften Überschreitung der verbind­lichen Luft Quali­täts­ziele derzeit bereits in einem rechts­wid­rigen Zustand. Der Dialog mit der europäi­schen Kommission stellt damit kein allge­meines politi­sches Gespräch über Wunsch­vor­stel­lungen dar, die gemeinsam erreicht werden sollen. Vielmehr handelt es sich um Stationen eines forma­li­sierten Vertrags­ver­let­zungs­ver­fahrens, an dessen Ende schmerzhaft hohe Straf­zah­lungen verhängt werden können. In einem solchen Verfahren werden erst Stellung­nahmen zwischen Mitglied­staat und Europäi­scher Kommission ausge­tauscht. Reichen die Erklä­rungen, wie der Mitglied­staat, der sich nicht an Gemein­schafts­recht hält, der Kommission nicht, so ruft diese den europäi­schen Gerichtshof an. Die nunmehr an Brüssel übermit­telte Stellung­nahme stellt also die letzte Chance auf Vermeidung eines Klage­ver­fahrens dar. Umso überzeu­gender sollten die deutschen Pläne nun ausfallen.

Die besondere Schwie­rigkeit an der Sache: Die Bundes­re­gierung möchte Fahrverbote für insbe­sondere ältere Diesel­fahr­zeuge noch immer auf jeden Fall vermeiden. Dies haben die wohl auch künftigen Koali­tionäre im Entwurf des Koali­ti­ons­ver­trags nochmals bekräftigt. Man fürchtet offenbar die Wut des deutschen Autofahrers und die zu erwar­tende Prozess­lawine gegen die Hersteller auf Schadens­ersatz. Entspre­chend finden sich Fahrverbote in der angekün­digten Maßnah­men­liste, deren Inhalt das Magazin Politico veröf­fent­licht hat, erst als absolut letzte Ultima Ratio, und dann auch nur in ausge­wie­senen Straßen. Bevor es dazu kommt, sollen andere Maßnahmen greifen. Die Verkehrswege für den Schwer­last­verkehr sollen einge­schränkt werden. Es soll auch zusätz­liche Anreize geben, Elektro­fahr­zeuge zu kaufen, ganz besonders für den gewerb­lichen Bereich. Solche Maßnahmen sind beliebt: Hiervon würden sicherlich auch die deutschen Automo­bil­her­steller profi­tieren, auch wenn Elektro­mo­bi­lität bisher nicht zu ihren starken Seiten zählt. Am meisten disku­tiert wird jedoch eine andere, vorge­schlagene Maßnahme: In zunächst nur einigen Städten (Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim) soll ausge­setzt werden, ob ein kosten­loser ÖPNV so viele Autofahrer zum Umstieg motiviert, dass die verkehrs­be­dingten Emissionen deutlich sinken. Dies wäre sicherlich angesichts der derzeit vollen Kassen eine zu recht populäre Maßnahme. Doch fahren Bürger wirklich heute mit dem Auto, weil ihnen der ÖPNV zu teuer ist? In Berlin kostet eine Monats­karte derzeit 81 EUR. Dafür kann niemand ein Auto unter­halten. Abgesehen vom „Spaßfahrer“ (und wie spaßig ist der Großstadt­verkehr heute noch?) spielen Verfüg­barkeit, Komfort und Verläss­lichkeit die wohl entschei­dende Rolle bei der Frage, ob die täglichen Wege per Bahn oder per Auto erledigt werden. Tragisch wäre es, wäre der ÖPNV eines Tages zwar kostenlos, aber aus Kosten­gründen so ausge­dünnt, dass der Verbraucher sich dann doch fluchend in seinen Schad­stoffe emittie­renden Wagen setzt.

2018-02-14T07:19:24+01:0013. Februar 2018|Verkehr|