BEHG: Was heisst der Kabinettsbeschluss?

Am 20. Mai 2020 hat das Bundes­ka­binett die im Vermitt­lungs­aus­schuss im Dezember 2019 gefundene Lösung für das Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­gesetz (BEHG) beschlossen und so die Voraus­setzung für eine schnelle Verab­schiedung geschaffen. Die Preise für Emissi­ons­zer­ti­fikate sollen damit drastisch steigen, schon 2021 sind 25 EUR statt 10 EUR geplant. 2026, im ersten Verstei­ge­rungsjahr, sollen 55 – 65 EUR erlöst werden. Das Geld soll u. a. die EEG-Umlage senken. Die für diese Senkung erfor­der­liche Änderung der Erneu­erbare-Energien-Verordnung hat das Kabinett gleich­falls beschlossen, sie muss nun auch in den Bundestag.

Was heisst das nun für die Liefe­ranten von Gas und Fernwärme? Da es eine gefes­tigte Recht­spre­chung gibt, nach der nur solche hoheit­lichen Belas­tungen über allge­meine Steuer- und Abgabe­klauseln gewälzt werden können, die zum Zeitpunkt des Vertrags­schlusses noch nicht absehbar waren, ist es gerade für neue Gas-Sonder­kun­den­ver­träge nun aller­höchste Eisenbahn. Mit viel gutem Willen konnte bisher noch argumen­tiert werden, dass nach Inkraft­treten eines Gesetzes, aber vor einer schon politisch angekün­digten Änderung noch die endgültige Regelung abgewartet werden sollte, aber wer nicht am Ende bei Neuver­trägen aus dem laufenden Jahr auf Kosten für das BEHG sitzen­bleiben will, sollte nun spätestens seine Verträge angehen. Auch bei Bestands­kunden sollten die Verträge zumindest noch einmal gründlich daraufhin geprüft werden, wie die Weitergabe abgesi­chert ist.

Ähnlich sieht es in der Fernwärme aus. Hier gibt es kein gesetz­liches Recht, neuartige Kosten einfach ohne Vertrags­än­derung weiter­zu­reichen, weil weder das neue Gesetz noch die AVBFern­wärmeV eine solche Regelung enthält. Es bedarf also einer vertrag­lichen Änderung. Diese Änderung, die nach aktueller oberge­richt­licher Recht­spre­chung auch nicht ohne das Einver­ständnis der Kunden zustande kommen dürfte. Wenn die ab 2021 anfal­lenden Kosten nun weiter­ge­reicht werden sollen, bedarf es also einer Überar­beitung der Kunden­ver­träge mit erfah­rungs­gemäß einigem Vorlauf. Unter­nehmen, die neben BEHG-Kosten etwa aus nicht emissi­ons­han­dels­pflichtige Anlagen, auch TEHG-Wärme liefern, sollten zudem auch in Ansehung des Kosten­ori­en­tie­rungs­gebots nach § 24 Abs. 4 AVBFern­wärneV darüber nachdenken, auch das TEHG endlich in ihrer Formel unter­zu­bringen, weil eine asymme­trische Berück­sich­tigung der unter­schied­lichen Klima­schutz­in­stru­mente die Preis­ent­wicklung mindestens verzerrt (Miriam Vollmer).

2020-05-22T10:38:13+02:0022. Mai 2020|Emissionshandel, Gas, Vertrieb, Wärme|

Emissi­ons­handel: Umgang mit der Pandemie

Das Robert-Koch-Institut (rki) geht von einer bis zu zweijäh­rigen Dauer der Corona-Pandemie aus, in deren Zuge sich voraus­sichtlich die meisten Deutschen irgendwann infizieren. Da der Virus hochan­ste­ckend ist, wird das absehbar auch ganze Mitar­bei­ter­gruppen betreffen, insbe­sondere, wenn sie eng zusam­men­ar­beiten. Es kann also sein, dass von heute auf morgen ganze Teams in Quarantäne geschickt werden. Was bedeutet das für den Emissi­ons­handel nach dem TEHG?

Bekanntlich kennt der Emissi­ons­handel eine ganze Reihe von Pflichten, die den Verant­wort­lichen treffen, also den Anlagen­be­treiber. Die Haupt- und Königs­pflicht befindet sich in § 7 Abs. 1 TEHG, die Pflicht zur Abgabe von Emissi­ons­be­rech­ti­gungen alljährlich zum 30. April für die Vorjah­res­e­mis­sionen. Der Bedeutung dieser für die Funktio­na­lität des Instru­ments essen­ti­ellen Instituts trägt die außer­or­dentlich scharfe Sanktio­nierung Rechnung: Nach § 30 Abs. 1 TEHG muss der Betreiber für jede Berech­tigung, die nicht frist­ge­recht abgegeben wurde, mindestens 100 EUR zahlen. Bei einem  mittel­großen HKW, das im Jahr 150.000 t CO2 emittiert, werden also 15 Mio. EUR fällig.

Diese Straf­zahlung kann nicht abgesenkt werden, es handelt sich also nicht um einen Höchst­betrag oder einen Rahmen. Die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) hat kein Ermessen. Zudem stehen Verspätung und Ausfall gleich. Die Straf­zahlung ist auch nicht verschul­dens­ab­hängig. Leichte Fahrläs­sigkeit wird genauso behandelt wie der böswillige Versuch, sich den Lasten des TEHG zu entziehen. Das bedeutet: Auch in außer­ge­wöhn­lichen Zeiten hat die Einhaltung der Abgabe­pflicht aller­höchste Priorität.

Die Abgabe­pflicht kennt nur eine Ausnahme: Bei höherer Gewalt muss  nicht gezahlt werden. Liegt aber höhere Gewalt schon vor, wenn der zuständige Mitar­beiter des Anlagen­be­treibers an Corona erkrankt? Schließlich versteht man unter höherer Gewalt Umstände, die auch durch die äußerst zumutbare Sorgfalt weder abgewendet noch unschädlich gemacht werden können.

Hier muss sich nun jedes Unter­nehmen hinter­fragen. Hat es wirklich alles mit der höchsten zumut­baren Sorgfalt getan, um die Einhaltung der Abgabe­pflicht zu sichern? Ist gewähr­leistet, dass mehr als eine Person mit den Pflichten vertraut ist und eine gültige Signa­tur­karte hat und auch noch ins Büro kommt, wenn dies wegen äußerer Umstände schwierig wird, etwa, weil der ÖPNV nicht mehr statt­findet? Wenn mehrere Mitar­beiter zuständig ist, kann man diese über Dienst­pläne separieren, so dass nicht Kollege Schulze quaran­tä­ne­be­dingt ausfällt, wenn Kollege Müller erkrankt? Gibt es Verant­wor­tungs­kas­kaden, die etwa eine Einbe­ziehung Dritter ermög­lichen? Kümmert sich jemand und stellt notfalls die technische Infra­struktur Kollege Schulze vor die Tür?

Viele Unter­nehmen müssen nun ihr Playbook Emissi­ons­handel kurzfristig auf seine Robustheit hin hinter­fragen. Dringend gefordert sind dieje­nigen, die sich bisher um die TEHG-Compliance noch gar nicht gekümmert haben (Miriam Vollmer).

Ergänzung: Zwischen­zeitlich hat die DEHSt per E‑Mail infor­miert: Wenn nachweislich aufgrund COVID19 Pflichten nach dem TEHG verletzt würden, würde dies berück­sichtigt werden. Es wird auf weitere Veröf­fent­li­chungen der EU bzw. der KOM verwiesen. Dies ist aller­dings alles andere als ein Freibrief: Dass eine Epidemie höhere Gewalt darstellen kann, ist das eine. Aber Unter­nehmen müssen sich trotzdem fragen lassen, ob sie auch für diesen Fall alles Erdenk­liche getan haben, um Abgabe­fehler auszuschließen.

2020-03-20T20:24:56+01:0020. März 2020|Emissionshandel, Umwelt, Verwaltungsrecht|

BEHG: Flucht in den Emissionshandel

Am 1.1.2021 geht es los: Der nationale Emissi­ons­handel nach dem Brenn­stoff-Emissi­ons­han­dels­gesetz (BEHG) belastet jede Tonne CO2 in Form eines vom Gaslie­fe­ranten (oder anderen Inver­kehr­bringer flüssiger oder gasför­miger Brenn­stoffe) mit zunächst 25 €. Die Zerti­fikate erwerben muss der Brenn­stoff­lie­ferant, am Ende landet die Kosten zumindest bis 2025 über Steuer– und Abgabe­klauseln beim Letzt­ver­braucher.

Von dieser flächen­de­ckenden Bepreisung klima­schäd­licher Emissionen sollen nur dieje­nigen ausge­nommen werden, die bereits über den „großen“ Europäi­schen Emissi­ons­handel belastet werden. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 5 BEHG. Der Gesetz­geber stellt sich hier vor, dass der Betreiber der EU–emissi­ons­han­dels­pflich­tigen Anlage seinem Liefe­ranten mithilfe seines Emissi­ons­be­richts nachweist, dass er den Brenn­stoff in einer ETS–Anlage verbrannt hat. Für diese Mengen sollen dann keine Zerti­fikate nach dem natio­nalen Emissi­ons­handel abgegeben werden.

Damit ist insgesamt (bzw. ab 2023, wenn alle Brenn­stoffe erfasst sind) eine an sich lückenlose Erfassung von Emissionen gewähr­leistet: Zerti­fikate abführen muss jeder. Trotzdem kann es sinnvoll sein, zwischen den beiden Welten zu wechseln. Denn im BEHG ist keine Zuteilung kosten­loser Zerti­fikate vorge­sehen. Es gibt zwar eine Härte­fall­klausel. Aber eine regel­mäßige Ausstattung von Teilnehmern mit Gratis­zer­ti­fi­katen kennt das BEHG nicht. Im TEHG sieht es aber anders aus.

Dies bietet Chancen für die Betreiber von Anlagen, die die Schwel­len­werte für die Teilnahme am Emissi­ons­handel bisher – absichtlich oder nicht – knapp verfehlen. Diese ergeben sich aus Anhang 1 zum TEHG. Insbe­sondere dann, wenn sie abwan­de­rungs­be­drohten Branchen angehören (etwa Papier) oder Fernwärme liefern, können sie von kosten­losen Zutei­lungen auf Grundlage der Zutei­lungs­ver­ordnung 2030 (ZuVO) auf Antrag profi­tieren. Vielen – nicht allen – Anlagen, die nach dem TEHG emissi­ons­han­dels­pflichtig sind, stehen danach nämlich kostenlose Zerti­fikate auf Antrag zu.

Doch wie wird man emissi­ons­han­dels­pflichtig? Hier kommt es nicht nur auf die schiere Größe der Anlage an, denn mit ausschlag­gebend ist gem. § 2 Abs. 4 TEHG die immis­si­ons­schutz­recht­liche Geneh­mi­gungslage. Es ist damit durchaus eine Prüfung im Einzelfall wert, ob durch geschickte Änderung der immis­si­ons­schutz­recht­lichen Geneh­migung die finan­zi­ellen Belas­tungen verringert werden können. Insbe­sondere angesichts der in den nächsten Jahren drastisch steigenden Preise für Emissi­ons­be­rech­ti­gungen ergibt es Sinn, diese Möglich­keiten zumindest einmal auszu­loten (Miriam Vollmer).

2020-02-26T16:58:53+01:0026. Februar 2020|Emissionshandel, Industrie, Strom, Umwelt|