Kabinetts­entwurf „Faire Verbrau­cher­ver­träge“ soll Regeln für Strom- und Gaslie­fer­ver­träge ändern

Die Bemühungen des Gesetz­gebers um mehr Verbrau­cher­schutz mit Auswir­kungen auch auf die Versorgung mit Energie konkre­ti­sieren sich: Mit Datum vom 16. Dezember 2020 liegt nun ein Regie­rungs­entwurf eines „Gesetzes für faire Verbrau­cher­ver­träge“ (ja, das heißt wirklich so) auf dem Tisch (zum Referen­ten­entwurf siehe hier).

Erleich­terung immerhin in einem Punkt: Es soll danach auch weiterhin Zweijah­res­ver­träge über Strom und Gas auch mit Verbrau­chern geben. Aber trotzdem bleibt nicht alles beim Alten. Der Entwurf eines neuen § 309 a) bb) BGB sieht vor, dass Laufzeiten über zwei Jahre in AGB in Verbrau­cher­ver­trägen nur noch dann wirksam sind, wenn gleich­zeitig ein Vertrag über ein Jahr angeboten wird, in dem der Preis maximal 25% über dem Zweijah­res­vertrag liegt.

Ein neuer § 309 b) bb) BGB soll die Regeln für automa­tische Vertrags­ver­län­ge­rungen ändern. Künftig muss der Verwender (also das EVU) den Kunden auf die automa­tische Vertrags­ver­län­gerung hinweisen, wenn die still­schwei­gende Verlän­gerung mehr als 3 Monate beträgt (Verlän­ge­rungen um mehr als 1 Jahr sind sowieso unwirksam). Dies kann nicht mit dem Vertrags­ab­schluss verbunden werden, denn der Hinweis muss spätestens zwei, frühestens vier Monate vor Verlän­gerung ergehen.

Ein wichtiger Punkt betrifft speziell Energie­lie­fer­ver­träge: Sonder­kun­den­ver­träge mit Haushalts­kunden sollen künftig nach einer Änderung des § 41 EnWG der Textform bedürfen, also mindestens einer E‑Mail o. ä., ein telefo­ni­scher Vertrags­schluss soll nicht mehr reichen. Damit will der Gesetz­geber auf Probleme mit unter­ge­scho­benen Verträgen reagieren.

Ein weiterer inter­es­santer Punkt, der neu geregelt werden soll, ist für EVU (bisher) praktisch nicht so relevant: In manchen Bereichen wie zB Flugreisen sind Anbieter auf dem Vormarsch, die sich Ansprüche gegen Geld abtreten lassen und sie dann geltend machen. Dies versuchen manche Unter­nehmen klausel­mäßig auszu­schließen. Diese Ausschlüsse sollen künftig einem Klausel­verbot unter­liegen (Miriam Vollmer).

Sie möchten mehr zu diesem Thema erfahren? Am 23. Februar 2021 schulen wir online von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Infos und Anmeldung gibt es hier.

 

2021-02-09T20:54:48+01:009. Februar 2021|Gas, Strom, Vertrieb|

Preis­gleit­klauseln: BGH verwirft die Revision der Extra Energie

Nach langer Ausein­an­der­setzung hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) mit einem Nicht­zu­las­sungs­be­schluss (VII ZR 119/18) den Versuch der Extra Energie GmbH unter­bunden, zahlreiche von zwei Instanzen verwor­fenen Preis­an­pas­sungs­klauseln doch noch durch­zu­setzen. Auch den Karls­ruher Richtern erschienen die Regeln des Unter­nehmens unver­einbar mit dem Verbot, Verbraucher zu benach­tei­ligen, § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Besonders inter­essant ist die nun rechts­kräftige Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 19.04.2018 – 6 U 182/16) in Hinblick auf die Weitergabe gestie­gener Steuern und Abgaben und bezüglich der Regeln für Paketpreisverträge:

Die Steuern und Abgaben, die im Endkun­den­ge­schäft mit elektri­scher Energie anfallen, ändern sich bekanntlich weit häufiger als die, die bei anderen Produkten abzuführen sind. Dies liegt vor allem an der EEG-Umlage, aber auch an den anderen Umlagen, die über die Netzbe­treiber an die Letzt­ver­braucher weiter­ge­wälzt werden. Zudem sind in den vergan­genen Jahren immer wieder neue Umlagen einge­führt worden, die in den alten Verträgen noch nicht angelegt waren. Entspre­chend hoch ist das Interesse der Versorger nach möglichst flexiblen Steuer- und Abgabeklauseln.

Solche Klauseln haben Gesetz­geber und Recht­spre­chung zwar nicht unter­bunden. Jedoch hat der BGH im Juli 2017 festge­stellt (VIII ZR 163/16), dass auch dann, wenn der Versorger Steuer- und Umlage­er­hö­hungen nur weiter­reicht, ein Sonder­kün­di­gungs­recht gem. § 41 Abs. 3 Satz 2 EnWG besteht, das auch nicht vertraglich abbedungen werden kann. Mit anderen Worten: Immer, wenn eine der vielen Umlagen sich ändert, kommt der Kunde auch aus Verträgen mit noch nicht abgelau­fener Mindest­laufzeit heraus.

Diese Recht­spre­chung wurde nun noch einmal bekräftigt. Auch der Versuch der Extra Energie GmbH, die Preise nach billigem Ermessen zu ändern, wenn sich die Kosten steigern, ist gescheitert. Diese, wohl den Regeln für die Grund­ver­sorgung nachemp­fundene Klausel, ist gleich­falls unwirksam. Dies wirft insbe­sondere für schwer absehbare oder nicht präzise indexierbare Kosten­be­stand­teile Fragen auf, wie etwa für den Emissionshandel.

Auch die Entscheidung des OLG Düsseldorf zu den Paket­ver­trags­ver­län­ge­rungen hat der BGH bestätigt, indem er die Revision hierzu nicht zugelassen hat. Das Unter­nehmen hatte Rückerstat­tungen weitgehend ausge­schlossen, auch wenn das Liefer­ver­hältnis vorzeitig beendet wird. Auch dies hat der BGH nicht aufge­hoben. Hier stellt sich die Frage, wie Paket­tarife dann zutreffend zu kalku­lieren sind, die günstigen Preise werden ja oft gerade dadurch ermög­licht, dass es für den Versorger ganz klar ist, dass er in jedem Fall die verein­barte Summe erhält und behalten kann. Dies an sich hat das OLG auch nicht bemängelt, wenn es ausdrücklich Paket­tarife als zulässig ansieht. Hier geht es offenbar um vertrags­rechtlich filigranere Operationen.

Was bedeutet das nun für andere, weniger verwegene Tarife? Generell ist die Hoffnung mancher Versorger, eine Art „AGB-Rabatt“ zu erhalten, wenn besonders feste Vertrags­be­din­gungen besonders günstige Preise ermög­lichen, offen­sichtlich unbegründet. Dem ist Rechnung zu tragen. Das ist gerade für Unter­nehmen ungünstig, die durch außer­ge­wöhnlich niedrige Preise Kunden gewinnen wollen. Hier trägt der BGH offenbar dem Umstand Rechnung, dass der Kunde meist nur den Preis sieht, nicht aber die Vertrags­klauseln (Miriam Vollmer).

2019-12-20T19:54:27+01:0020. Dezember 2019|Allgemein, Strom, Vertrieb|

Der sonder­ver­tragslose Kaufmann

Eine inter­es­sante Entscheidung zum Grund­ver­sor­gungs­tarif hat im vergan­genen Oktober das OLG München (Urteil v. 06.06.2018 – 7 U 3836/17) gefällt:

Norma­ler­weise befinden sich im Grund­ver­sor­gungs­tarif dieje­nigen Kunden, die noch nie ihren Strom­ver­sorger gewechselt haben.  Wie § 1 Abs. 1 StromGVV zu entnehmen ist, geht es um die Versorgung von Haushalts­kunden in Nieder­spannung. In der Entscheidung des OLG München geht es aber nicht um einen Haushalts­kunden. Sondern um ein Unter­nehmen. Diese sind vom § 36 EnWG, der die Grund­ver­sorgung regelt, auf den ersten Blick gar nicht erfasst. Das OLG München kam gleichwohl auf letztlich nachvoll­zieh­barem Wege zur Anwendung der Grundversorgungstarife.

In dem entschie­denen Fall hatte nämlich ein Restaurant ohne Vertrags­schluss Strom bezogen. Dass der Betreiber damit Kunden der Stadt­werke München geworden war, erfuhr er über die Hausver­waltung. Da kein abwei­chender Tarif vereinbar wurde, gilt die verein­barte Taxe, und als solche bestä­tigte das OLG München die Grund­ver­sorgung. Dabei verwies es auf die „Üblichkeit“ dieser Taxe und auf den Umstand, dass nach § 3 Nr. 22 EnWG als Haushalts­kunde auch derjenige gilt, der zwar gewerblich oder freibe­ruflich Strom bezieht, aber nicht mehr als 10.000 kWh pro Jahr.

Der Restau­rant­be­treiber zahlte Abschläge und erhielt Rechnungen, in denen auf die StromGVV hinge­wiesen wurde. Es hätte ihm also klar sein können, dass er sich im Gurndver­sor­gungs­tarif befand, aber wenn wir ehrlich sind: Wer kann als Laie mit diesem Begriff etwas anfangen? Und wer schaut sich überhaupt seine Strom­rech­nungen genauer an? Wie auch immer, irgendwann endete das Liefer­ver­hältnis und der Restau­rant­be­treiber erhielt eine Schluss­rechnung. Um die ging es gerichtlich.

Der beklagte Restau­rant­be­treiber hatte zwar argumen­tiert, er sei nicht grund­ver­sorgt, sondern ersatz­ver­sorgt worden. Und überhaupt hätte das Stadtwerk ihn darüber aufklären müssen, dass man sich günstiger versorgen kann. Dies verneinte das OLG aber zumindest unter Kaufleuten.

Das Ergebnis – es gilt der Grund­ver­sor­gungs­tarif – überzeugt. Offen bleibt, wie es aussehen würde, würde der Restau­rant­be­treiber mehr Strom beziehen. Oder er wäre kein Kaufmann, sondern ein Freibe­rufler, ein Verband oder ähnliches.

2019-04-09T10:53:16+02:009. April 2019|Strom, Vertrieb|