Hinder­nisse für die dezen­trale Versorgung: Das OLG Düsseldorf entscheidet zur Kundenanlage

Die dezen­trale Erzeugung hat es nicht leicht. Auf der einen Seite will man die ortsnahe Erzeugung, am besten innerhalb der Quartiere. Auf der anderen Seite hat der Gesetz­geber es versäumt, den regula­to­ri­schen Rahmen für solche Strom­ver­sor­gungs­kon­zepte so zu gestalten, dass die ortsnahe Versorgung sich auch lohnt. Dabei wären solche Anreize dringend nötig, um die durch die Umgestaltung der Erzeu­gungs­land­schaft strapa­zierten Netze zu entlasten. Schließlich fließt Strom, der ganz in der Nähe der Versorgten erzeugt wird, nicht durch die halbe Republik und alle Netzebenen und spart so am Ende allen Letzt­ver­brau­chern Geld.

Es wäre damit konse­quent, wenn kleine Leitungs­struk­turen, die ein Versorger extra für seine Kunden legt, nicht wie große Strom­netze behandelt werden und entspre­chend auch nicht reguliert werden müssten. Doch § 3 Nr. 24a EnWG, der solche kleinen Struk­turen als „Kunden­an­lagen“ von großen Netzen abgrenzt, lässt leider Fragen offen, wenn es hier heißt:

„Kunden­an­lagen

Energie­an­lagen zur Abgabe von Energie,

a)
die sich auf einem räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiet befinden,
b)
mit einem Energie­ver­sor­gungsnetz oder mit einer Erzeu­gungs­anlage verbunden sind,
c)
für die Sicher­stellung eines wirksamen und unver­fälschten Wettbe­werbs bei der Versorgung mit Elektri­zität und Gas unbedeutend sind und
d)
jedermann zum Zwecke der Belie­ferung der angeschlos­senen Letzt­ver­braucher im Wege der Durch­leitung unabhängig von der Wahl des Energie­lie­fe­ranten diskri­mi­nie­rungsfrei und unent­geltlich zur Verfügung gestellt werden,“

Schon im März ist das OLG Frankfurt ausgehend von dieser Regelung zu der Ansicht gelangt, eine Kunden­anlage sei nur dann gegeben, wenn weniger als 100 Anschlüsse versorgt würden. Für diese damals auch hier bespro­chene Entscheidung liegen inzwi­schen auch die Gründe vor. Das ist für viele Modelle das Aus. Denn bei weniger als 100 Anschlüssen ist die Wirtschaft­lichkeit oft kaum darstellbar, der Aufwand verteilt sich einfach auf zu wenig Köpfe. Kupfer­kabel sind eben nicht umsonst.

Ins selbe Horn stößt nun das OLG Düsseldorf. In einer Entscheidung vom 13.06.2018 beschloss der Senat nun, dass es sich bei zwei Leitungs­struk­turen einer Wohnungs­bau­ge­sell­schaft nicht um Kunden­an­lagen handelt. Das Unter­nehmen hatte an zwei Stand­orten Mieter­strom­kon­zepte entwi­ckelt und damit jeweils 457 bzw. 515 Wohnungen mit umwelt­freund­lichem vor Ort erzeugten Strom versorgt. Das OLG Düsseldorf kam nun ähnlich wie schon das OLG Frankfurt zu der Ansicht, die Struktur sei zu groß und damit nicht „unbedeutend“, wie das Gesetz es fordert. Außerdem seien Kunden­an­lagen immer Ausnahmen und deswegen eng auszulegen.

Nun steht dem unter­le­genen Unter­nehmen noch der Weg zum BGH offen. Es steht zu hoffen, dass entweder die Karls­ruher Richter diesen dezen­tralen Konzepten, die einen wichtigen Beitrag zur Energie­wende leisten könnten, helfen. Oder die Politik muss ran: Ohnehin mehren sich die Stimmen, die Geset­zes­än­de­rungen fordern, um mehr Mieter­strom­kon­zepte zu ermöglichen.

2018-06-29T01:04:31+02:0029. Juni 2018|Strom|

Mieter­strom in aller Kürze

Eigentlich eine tolle Sache: Auf den oft großen Dachflächen von Miets­häusern errichtet der Vermieter oder ein Dienst­leister Photo­voltaik-Anlagen und bietet den so erzeugten Strom den Hausbe­wohnern an. Um solche in der Vergan­genheit zu selten reali­sierten Modelle zu fördern, hat der Gesetz­geber letztes Jahr im Juli ein Mieter­strom­gesetz erlassen, das vor allem das Erneu­erbare-Energien-Gesetz (EEG) geändert und so die Grundlage für eine bessere Ausnutzung von vor allem urbanen Dachflächen gelegt hat.

Für diese Mieter ist dieses Modell ein gutes Geschäft: Sie zahlen gem. § 42a Abs. 4 S. 1 EnWG maximal 90% des Grund­ver­sor­gungs­preises für den Strom. Und weil der Strom vor Ort verbraucht wird, wird das Stromnetz entlastet. Wer das Netz nicht nutzt, muss natürlich auch keine Netznut­zungs­ent­gelte zahlen. Da einige Umlagen an die Netznutzung gekoppelt sind, entfallen auch diese. Dies betrifft u. a. die KWK-Umlage für die Förderung der hochef­fi­zi­enten und deswegen besonders klima­freund­lichen Kraft-Wärme-Kopplung. Aber auch die Umlage nach § 19 Abs. 2 StromNEV, die Entlas­tungen der Strom­netze durch besondere Netznut­zungs­profile honoriert. Und die Konzes­si­ons­abgabe, die anfällt, weil die Betreiber von Strom­netzen den Grund und Boden der jewei­ligen Gemeinde nutzen und für diese Nutzung zahlen. Die EEG-Umlage muss er aber voll zahlen.

Zusätzlich zu diesen Vorteilen gibt es noch einen Zuschlag für die Anlagen, die maximal 100 kW aufweisen dürfen und nach dem 24 Juli 2017 in Betrieb gegangen sein müssen. Diesen Mieter­strom­zu­schlag erhält der Anbieter aus der EEG-Umlage. Die Höhe orien­tiert sich an der Einspei­se­ver­gütung für Solar­strom, ist aber natürlich geringer, weil der Anbieter ja auch Geld für den erzeugten Strom von den Mietern erhält. Da sich sowohl die unter­schied­lichen Leistungs­klassen als auch die schritt­weise Verrin­gerung der Vergütung auf die Höhe auswirken, gibt es keine feste Taxe. In einem Rechen­bei­spiel des Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­riums wird für eine 40 Kilowatt-Mieter­strom­anlage ein aktueller Mieter­strom­zu­schlag von 3,45 Cent/Kilowattstunde ausgewiesen.

Doch der Anbieter – in der Praxis oft nicht der Vermieter, sonder ein Energie­ver­sorger als Dienst­leister – hat auch über den reinen Betrieb der PV-Anlage hinaus­ge­hende Pflichten. Er muss den Mietern eine Vollver­sorgung mit Strom bieten und muss die Differenz zwischen dem selbst erzeugten Strom und dem Bedarf der Mieter am Markt beschaffen, kann die Mieter also nicht darauf verweisen, sie müssten selbst einen weiteren Strom­lie­fer­vertrag abschließen. Außerdem ist es ihm verboten, Strom und Miete als „Zwangs­ge­schäft“ zu koppeln. Wer nicht will, soll sich ander­weitig versorgen dürfen. Gelegentlich hört man auch am Markt, dass einzelne Energie­ver­sorger den bürokra­ti­schen Aufwand als unnötig hoch empfinden.

Insgesamt ist das Gesetz, hört man sich um, noch kein Erfolg. Es ergeben sich Fragen, wer beispiels­weise vom Mieter­strom­zu­schlag profi­tiert, wann ein Wohnge­bäude noch als Einheit zu betrachten ist oder ob auch Gewer­be­un­ter­nehmen Mieter­strom beziehen können. Eine erste Ausle­gungs­hilfe hat nun vor einigen Wochen die Clearing­stelle EEG vorgelegt. Die von der Clearing­stelle erarbei­teten Hinweise sind zwar nicht bindend, geben aber einen um einen umfang­reichen Materi­alteil ergänzten Überblick über den Meinungs­stand zu einigen viel disku­tierten Fragen.

2019-09-27T12:59:23+02:0016. Mai 2018|Energiepolitik, Erneuerbare Energien|

Dezentral und ökolo­gisch: So geht es schon heute

Die Leute wollen weg von den Strom­kon­zernen, höre ich am Donnerstag bei einem tempe­ra­ment­vollen Kaffee als ein Argument für die Block­chain. Man wolle den Strom vom Solardach gegenüber oder aus Windkraft von den Hügeln hinterm Dorf. Na klar, sage ich. Aber das geht doch schon heute. Da hat man mich mit großen Augen angesehen und ich versprach diesen Text (hallo, Marc!).

Vorab ein kleiner Einwurf: Vermutlich beziehen die Leute mit der Abneigung gegen die Strom­kon­zerne schon jetzt ihren Strom zumindest teilweise aus der Nachbar­schaft. Erinnern wir uns an den Physik­un­ter­richt der Mittel­stufe: Strom nimmt immer den Weg des geringsten Wider­standes. Man kann sich den Weg des Elektrons durch die Kupfer­atome einer Strom­leitung nämlich ein bisschen wie Wasser in einem mit Kiesel­steinen gefüllten Rohr vorstellen: Auf der einen Seite wird es herein­ge­pumpt. Die Zwischen­räume füllen sich mit Wasser. Solange immer mehr nachge­pumpt wird, fließt das Wasser bzw. der Strom immer weiter, um dann dort auszu­treten, wo ein gerin­gerer Wider­stand besteht als im kiesge­füllten Rohr bzw. zwischen den Kupfer­atomen. Wer sich partout gerade nicht erinnern kann, kann es sich übrigens von Peter Lustig nochmal erklären lassen.

Was bedeutet das also für den Strom vom Solardach nebenan? Er sucht sich ausgehend von der Erzeu­gungs­anlage den kürzesten Weg zum Verbraucher. Das ist vermutlich jetzt schon sein Nachbar.

Aber natürlich geht es den meisten Leuten nicht um Physik. Sie möchten ihr Geld nicht mehr an Strom­kon­zerne bezahlen und sie wollen eine schnellere Energie­wende, als die Politik ihnen verspricht. Dieser Wunsch ist aber schon heute absolut erfüllbar, auch für Verbraucher:

Wer einfach nur bestimmte Techno­logien ablehnt, kann ganz simpel zu Anbietern wechseln, die genau das bieten. Zwar verbergen sich hinter 100% Erneu­er­baren oft (aber nicht immer, hier lohnt sich Aufmerk­samkeit) vorwiegend Wasser­kraft aus Skandi­navien oder den Alpen, also keine neuen Anlagen, so dass streng genommen kein Zuwachs an EEG-Anlagen statt­findet. Aber wenigstens hat man so die Gewähr, dass der auf den eigenen Verbrauch entfal­lende Anteil am großen Stromsee aus erneu­er­baren Energie­quellen bezogen wird. Ein solcher Strom­an­bie­ter­wechsel ist schnell gemacht. Der Umwelt tut man so vermutlich etwas Gutes, aber aus der Nähe kommt der Strom oft natürlich nicht.

Wer die Sache selbst in die Hand nehmen will, hat es nicht ganz so leicht. Entweder erzeugt er einen Teil seines Bedarfs selbst, indem er auf seinem Grund­stück eine eigene Erzeu­gungs­anlage instal­liert wie zB eine Solar­anlage, eine Mini-KWK-Anlage oder ein Windrad. Denkbar ist es auch, sich mit anderen zusam­men­zutun. Auch wenn dann mehr Kosten für Umlagen und Netzent­gelte anfallen als bei ganz isolierten Lösungen. Derzeit wirbt z. B. schon ein Geschäfts­modell um Kunden, bei dem Photo­vol­ta­ik­an­lagen in Kombi­nation mit einer Batterie als Speicher bei einer Vielzahl von Kunden eine weitge­hende Versorgung aus der eigenen Infra­struktur ermög­lichen sollen. Denkbar sind auch Genos­sen­schafts­mo­delle von (sehr kompe­tenten) Prosumern, bei denen dann auch nicht einmal mehr ein Unter­nehmen profi­tiert. Und selbst in Großstädten sind mit Mieter­strom­mo­dellen dezen­trale Lösungen möglich, bei denen oft der Vermieter aus einer eigenen Solar­anlage gem. § 42a EnWG seine Mieter ohne Nutzung des öffent­lichen Strom­netzes versorgt. Hierfür gibt es in § 23b Abs. 2 EEG auch einen Zuschlag (zu diesen Modellen schreibe ich demnächst einmal mehr).

Angesichts dieser Vielzahl an Möglich­keiten, muss sich der einzelne Verbraucher fragen, was er eigentlich will. Will er seine Kosten reduzieren? Geht es ihm um Unabhän­gigkeit? Will er eine Versorgung, die bestimmten ökolo­gi­schen Standards genügt? Je nachdem, wie er sich diese Frage beant­wortet, bieten sich ganz unter­schied­liche Lösungen an. Allen gemein ist aber, dass sie den offenbar verbrei­teten Wunsch nach einer dezen­tralen und ökolo­gi­schen Versorgung abseits großer Konzerne schon jetzt erfüllen.

2018-05-06T21:38:52+02:007. Mai 2018|Erneuerbare Energien, Strom, Umwelt|