Mal wieder: Die Kunden­anlage (OLG Dresden, Beschl. v. 16.09.2020 – Kart 9/19)

Die Abgrenzung von Netz und Kunden­anlage ist ein Dauer­brenner des Eenrgie­rechts. Das ist nicht erstaunlich, denn der Status als Kunden­anlage erspart ihrem Betreiber nicht nur viel Aufwand, sondern oft auch viel Geld (hierzu etwa hier).

Im vorver­gan­genen Jahr hat nach langem Hin und Her der BGH endlich ein paar wesent­liche Leitplanken zur Frage geklärt, was unter einer Kunden­anlage eigentlich zu verstehen ist. Doch § 3 Nr. 24a EnWG bietet noch einige offene Fragen mehr, wie eine Entscheidung des OLG Dresden vom 16. September 2020 (Kart 9/19) zeigt.

Sachverhalt

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt geht es um zwei Wohnan­lagen jeweils bestehend aus mehreren Häusern, getrennt durch eine Straße. Die eine weist 160 Wohnein­heiten auf, die andere 96. Beide gehören demselben Eigen­tümer, beide sollen jeweils durch dasselbe Unter­nehmen (die Beschwer­de­füh­rerin) mit Energie aus einem jeweils zu errich­tenden BHKW versorgt werden. Dies haben der Betreiber der BHKW und der Eigen­tümer – und Vermieter – per Vertrag vereinbart. Wärme sollte der BHKW-Betreiber an den Eigen­tümer liefern, den Strom dagegen sollte er den Bewohnern anbieten, die aller­dings frei bleiben sollten, dieses Angebot anzunehmen. Die Strom­lei­tungen sollte laut Vertrag der BHKW-Betreiber übernehmen, aber keine Netzent­gelte berechnen. Wichtig: Beide Strom­lei­tungs­an­lagen auf beiden Straßen­seiten sind technisch nicht mitein­ander verbunden.

Der BHKW-Betreiber betrachtete sich deswegen als Betreiber einer Kunden­anlage, der örtliche Netzbe­treiber sah das anders. Die Sache ging vor Gericht.

Was sagt das OLG Dresden?

Die erhoffte Klarstellung, dass hier zwei Kunden­an­lagen betrieben werden, gab es von den Richtern nicht. Das OLG Dresden geht von einem Netz aus. Dass das angeb­liche Netz keine technische Verbindung hat, störte die sächsi­schen Richter dabei nicht. Dem OLG Dresden reichte der Vertrag zwischen dem Eigen­tümer und dem Betreiber der BHKW.

Weiter führte das OLG Dresden aus, dass auch ohne berechnete Netznut­zungs­ent­gelte hier keine unent­gelt­liche Netznutzung vorliegen würde, weil dieselbe Person die Kunden­an­lagen betreiben und die Energie­ver­sorgung gewähr­leisten würde. Das Unter­nehmen hätte anhand der Kalku­lation offen­legen müssen, dass der Strom­preis keine Infra­struk­tur­kosten enthalten würde. Hier an sich unerheblich, gleichwohl inter­essant, ist zudem die Feststellung des OLGDresden, dass es schon ab 200, nicht erst ab 300 Wohnein­heiten (wie das OLG Düsseldorf) von „mehreren hundert“ Wohnein­heiten ausgeht, die nicht mehr unbedeutend für den Wettbewerb und damit auch keine Kunden­anlage mehr sind.

Dresden, Elbe, Frauenkirche, Sonnenuntergang

Was halten wir von der Entscheidung?

Um es direkt zu sagen: Wir sind nicht überzeugt.

Zwar spricht auch die amtliche Begründung des § 3 Nr. 24a EnWG davon, dass für die Frage, ob die Kunden­anlage „unbedeutend“ ist, auch auf die Vertragslage abgestellt werden kann. Aber auf die Verträge mit den Letzt­ver­brau­chern, aus denen sich ergibt, welche Rolle der Betreiber der Leitungs­struktur hat. Nicht – wie hier – auf den Vertrag mit dem Vermieter und Eigentümer.

Auch die Frage der Einpreisung von Infra­struk­tur­kosten ist aus unserer Sicht nicht befrie­digend gelöst. Der Senat legt den Begriff der verbrauchs­ab­hän­gigen Nutzungs­ent­gelte ausge­sprochen weit aus, wenn er Infra­struk­tur­kosten als Teil des Strom­preises als faktische Netzent­gelte bewertet. Ob das noch von der Norm gedeckt ist? Wir haben Zweifel. Um so bedau­er­licher, dass der Senat die Rechts­be­schwerde nicht zugelassen hat. Es läuft wohl eine Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde (Miriam Vollmer).

 

2021-04-20T14:17:03+02:0016. April 2021|Strom|

Die Kunden­anlage: BGH vom 12.11.2019

Schade eigentlich: Mit Beschluss vom 12. November 2019 (EnVR 65/18) hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) die Hoffnungen auf eine Vergrö­ßerung von Spiel­räumen für Mieter­strom­pro­jekte fürs Erste zunichte gemacht, aber auch für viele andere Grenz­fälle Pflöcke in den Boden gerammt. Der Senat sollte darüber entscheiden, ob das OLG Düsseldorf mit seiner Einschätzung richtig lag, dass es sich bei zwei BHKW der GeWoBa mit je 140 kW Leistung in Bremen, die jeweils rund 500 Anschlüsse versorgen sollten, nicht mehr um Kunden­an­lagen handelt. Die GeWoBa, die ein Missbrauchs­ver­fahren gegen die Wesernetz anhängig gemacht hatte, argumen­tierte, die Voraus­set­zungen des § 3 Nr. 24a EnWG seien erfüllt. Nach dieser – bekanntlich seit langem heiss umstrit­tenen – Norm liegt eine Kunden­anlage vor, wenn Anlagen, …

a) die sich auf einem räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiet befinden,
b) mit einem Energie­ver­sor­gungsnetz oder mit einer Erzeu­gungs­anlage verbunden sind,
c) für die Sicher­stellung eines wirksamen und unver­fälschten Wettbe­werbs bei der Versorgung mit Elektri­zität und Gas unbedeutend sind und
d) jedermann zum Zwecke der Belie­ferung der angeschlos­senen Letzt­ver­braucher im Wege der Durch­leitung unabhängig von der Wahl des Energie­lie­fe­ranten diskri­mi­nie­rungsfrei und unent­geltlich zur Verfügung gestellt werden,“

Die Vorin­stanz, das OLG Düsseldorf, hatte insbe­sondere die Frage des räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiets breit thema­ti­siert und die Zusam­men­ge­hö­rigkeit des Geländes entlang der Qualität der Straßen bewertet. Grund­tenor war hier: Je wichtiger die Straße ist, um so eher ist nicht mehr von einem räumlich zusam­men­hän­genden Gebiet auszugehen.

Der BGH hat dies nun als „Grobfilter“ zwar nicht verworfen, aber doch deutlich präzi­siert. Danach sind Straßen nicht schädlich, aber ein Gebiet muss „räumlich abgegrenzt und geschlossen“ sein, es darf also keine anderen Grund­stücke, die nicht zur Struktur gehören, enthalten, es sei denn, diese fallen nicht ins Gewicht. Diese Formu­lie­rungen in den Rdnr. 23 und 24 sind so weich, dass die nächsten Strei­tig­keiten absehbar sind. Es kommt also weiter auf eine diffizile Einzel­fall­be­trachtung an.

In einem für viele Projekte wichtigen Aspekt ist der BGH aber restriktiv: Bei der Frage, ob eine Kunden­anlage bedeu­tungslos für den Wettbewerb ist, haben auch schon andere OLG als das OLG Düsseldorf abgeleitet, dass tatsächlich nur sehr kleine, im Ergebnis oft unwirt­schaft­liche Anlagen noch als Kunden­anlage durch­gehen. Hier hatte die Praxis auf mehr Möglich­keiten gehofft. Der BGH sieht aber auf Basis des heutigen § 3 Nr. 24a EnWG Kunden­an­lagen nur dann für gegeben an (Rdnr. 32),

wenn mehrere Hundert Letzt­ver­braucher angeschlossen sind, die Anlage eine Fläche von deutlich über 10.000 m² versorgt, die jährliche Menge an durch­ge­lei­teter Energie voraus­sichtlich 1.000 MWh deutlich übersteigt und mehrere Gebäude angeschlossen sind.“

Damit ist der BGH zwar großzü­giger als manche Oberge­richte, denen schon 90 oder 100 Letzt­ver­braucher zu viel waren, aber für die wirklich inter­es­santen Projekte ist hiernach nach wie vor kein Raum.

Was nun? Die Recht­spre­chung hat die Norm nun hinrei­chend ausge­deutet. Dass es hierzu verfas­sungs- oder gemein­schafts­recht­liche Impulse geben könnte, erscheint fernliegend. Damit ist der Gesetz­geber aufge­rufen, die Spiel­räume für die ökolo­gisch wie sozial ja überaus erwünschten Mieter­strom­pro­jekte durch Änderung des § 3 Nr 24a EnWG zu schaffen (Miriam Vollmer).

2020-02-14T15:22:47+01:0014. Februar 2020|Allgemein, Energiepolitik, Strom|

Hinder­nisse für die dezen­trale Versorgung: Das OLG Düsseldorf entscheidet zur Kundenanlage

Die dezen­trale Erzeugung hat es nicht leicht. Auf der einen Seite will man die ortsnahe Erzeugung, am besten innerhalb der Quartiere. Auf der anderen Seite hat der Gesetz­geber es versäumt, den regula­to­ri­schen Rahmen für solche Strom­ver­sor­gungs­kon­zepte so zu gestalten, dass die ortsnahe Versorgung sich auch lohnt. Dabei wären solche Anreize dringend nötig, um die durch die Umgestaltung der Erzeu­gungs­land­schaft strapa­zierten Netze zu entlasten. Schließlich fließt Strom, der ganz in der Nähe der Versorgten erzeugt wird, nicht durch die halbe Republik und alle Netzebenen und spart so am Ende allen Letzt­ver­brau­chern Geld.

Es wäre damit konse­quent, wenn kleine Leitungs­struk­turen, die ein Versorger extra für seine Kunden legt, nicht wie große Strom­netze behandelt werden und entspre­chend auch nicht reguliert werden müssten. Doch § 3 Nr. 24a EnWG, der solche kleinen Struk­turen als „Kunden­an­lagen“ von großen Netzen abgrenzt, lässt leider Fragen offen, wenn es hier heißt:

„Kunden­an­lagen

Energie­an­lagen zur Abgabe von Energie,

a)
die sich auf einem räumlich zusam­men­ge­hö­renden Gebiet befinden,
b)
mit einem Energie­ver­sor­gungsnetz oder mit einer Erzeu­gungs­anlage verbunden sind,
c)
für die Sicher­stellung eines wirksamen und unver­fälschten Wettbe­werbs bei der Versorgung mit Elektri­zität und Gas unbedeutend sind und
d)
jedermann zum Zwecke der Belie­ferung der angeschlos­senen Letzt­ver­braucher im Wege der Durch­leitung unabhängig von der Wahl des Energie­lie­fe­ranten diskri­mi­nie­rungsfrei und unent­geltlich zur Verfügung gestellt werden,“

Schon im März ist das OLG Frankfurt ausgehend von dieser Regelung zu der Ansicht gelangt, eine Kunden­anlage sei nur dann gegeben, wenn weniger als 100 Anschlüsse versorgt würden. Für diese damals auch hier bespro­chene Entscheidung liegen inzwi­schen auch die Gründe vor. Das ist für viele Modelle das Aus. Denn bei weniger als 100 Anschlüssen ist die Wirtschaft­lichkeit oft kaum darstellbar, der Aufwand verteilt sich einfach auf zu wenig Köpfe. Kupfer­kabel sind eben nicht umsonst.

Ins selbe Horn stößt nun das OLG Düsseldorf. In einer Entscheidung vom 13.06.2018 beschloss der Senat nun, dass es sich bei zwei Leitungs­struk­turen einer Wohnungs­bau­ge­sell­schaft nicht um Kunden­an­lagen handelt. Das Unter­nehmen hatte an zwei Stand­orten Mieter­strom­kon­zepte entwi­ckelt und damit jeweils 457 bzw. 515 Wohnungen mit umwelt­freund­lichem vor Ort erzeugten Strom versorgt. Das OLG Düsseldorf kam nun ähnlich wie schon das OLG Frankfurt zu der Ansicht, die Struktur sei zu groß und damit nicht „unbedeutend“, wie das Gesetz es fordert. Außerdem seien Kunden­an­lagen immer Ausnahmen und deswegen eng auszulegen.

Nun steht dem unter­le­genen Unter­nehmen noch der Weg zum BGH offen. Es steht zu hoffen, dass entweder die Karls­ruher Richter diesen dezen­tralen Konzepten, die einen wichtigen Beitrag zur Energie­wende leisten könnten, helfen. Oder die Politik muss ran: Ohnehin mehren sich die Stimmen, die Geset­zes­än­de­rungen fordern, um mehr Mieter­strom­kon­zepte zu ermöglichen.

2018-06-29T01:04:31+02:0029. Juni 2018|Strom|