Neue Grenz­werte für große Anlagen: Der Kabinetts­be­schluss zur 13. BImSchV

2017 hat die EU-Kommission mit dem Durch­füh­rungs­be­schlusses (EU) 2017/1442 und dem Durch­füh­rungs­be­schlusses (EU) 2017/2117 neue Schluss­fol­ge­rungen zu den besten verfüg­baren Techniken (BVT) nach der Großfeue­rungs­richt­linie getroffen. Weniger vornehm ausge­drückt: Brüssel hat neue Grenz­werte für Großkraft­werke, Gastur­binen und Verbren­nungs­mo­toren mit mehr als 50 MW FWL, insbe­sondere sind scharfe Emissi­ons­grenz­werte für Schwe­fel­dioxid, Stick­oxide, Queck­silber und Feinstaub vorgesehen.

Diese neuen Vorgaben muss die Bundes­re­publik an sich innerhalb eines Jahres umsetzen, wie sich aus § 7 Abs. 1a Nr. 1 des Bundes­im­mis­si­ons­schutz­ge­setzes (BImSchG) ergibt. Doch die Anpassung der 13. und der 17. BImSchV hat nicht frist­ge­recht funktio­niert: Statt 2018 wird nun wohl erst 2021 das deutsche Recht angepasst. Nach vier Jahren wären ansonsten die neuen Grenz­werte auch so umzusetzen gewesen. Grund für die Verzö­gerung war angeblich die Kohlekommission.

Nun aber liegt nach einem umstrit­tenen Referen­ten­entwurf aus dem Sommer immerhin der Kabinetts­be­schluss vor. Dieser enthält eine Vielzahl neuer Detail­re­ge­lungen, die sich teilweise aus einer verän­derten Syste­matik auch in Hinblick auf den Kreis der erfassten Anlagen ergeben. Neben diesen Regelungen, die viel Aufmerk­samkeit im Detail erfordern, bilden die novel­lierten Grenz­werte für Stick­oxide, Methan, Staub, CO, Formaldehyd und Schwe­fel­dioxid das Herzstück der Neuregelung.

Gegenüber dem Entwurf vom Sommer gibt es auch inhaltlich noch Änderungen. Bei Methan wurden die Regelungen noch einmal angepasst und entlang der techni­schen Gegeben­heiten bei Motor­an­lagen diffe­ren­ziert und zum Teil angehoben. Die verbreitete Kritik, die neuen Werte seien nur im Volllast­be­trieb realis­tisch, wurde aufge­nommen und ausdrücklich klarge­stellt, dass der Wert auch nur in Volllast gilt. Anspruchsvoll, aber mit dem Kohle­aust­siegspfad harmo­ni­siert, sind nun die Neuerungen beim Queck­silber: Der Tages­mit­telwert für Queck­sil­ber­emis­sionen wird von 30 Mikro­gramm auf 20 Mikro­gramm pro m3 im Abgas­strom sinken, auch weitere Anpas­sungen an den Stand der Technik werden von den Betreibern verlangt. Nun muss noch der Bundesrat und der Bundestag zustimmen (Miriam Vollmer).

Nitra­t­richt­linie: Einklag­bares Recht auf sauberes Brunnenwasser

Fragen Sie sich auch manchmal, warum das Thema der Luftqua­lität in Innen­städten die Politik und das Recht solange in Atem gehalten hat? Wieso passiert nicht genau­soviel bei anderen dring­lichen Umwelt­pro­blemen, wie etwa die schlei­chende Infil­trierung des Trink­wassers mit gesund­heits­chäd­lichen Stoffen, etwa Nitrat oder Pestiziden?

Erlauben Sie uns, mit der Antwort etwas weiter auszu­holen: Die Durch­setzung des europäi­schen Umwelt­rechts beruht im beson­deren Maß auf der Initiative von Bürgern und Verbänden. Schließlich hat Brüssel in den Mitglied­staaten keinen eigenen Verwal­tungs­un­terbau, der sich darum kümmert. Die Möglich­keiten, Rechte vor Gericht geltend zu machen, sind daher häufig ausschlag­gebend dafür, ob umwelt­recht­liche Vorgaben überhaupt ernst genommen werden. Die Klage­welle für effektive Luftrein­haltung in deutschen Innen­städten, die zu dem von uns bereits mehrfach thema­ti­sierten Fragen der Diesel-Fahrverbote geführt hat, zeigt dies deutlich: Dass es ein relativ kleiner Verband, die Deutsche Umwelt­hilfe, geschafft hat, die Politik seit Jahren vor sich herzu­treiben, wurde durch eine Erwei­terung der Klage­mög­lich­keiten vorbereitet.

Die entschei­dende Wegmarke war die Entscheidung Janecek gegen Freistaat Bayern des EuGH. In dieser Entscheidung hatte der Bundes­tags­ab­ge­ordnete Dieter Janecek geklagt, der zugleich Anwohner des Mittleren Rings ist, einer der Haupt­ver­kehrs­adern der Münchener Innen­stadt. Der EuGH stellte in der Entscheidung klar: Unmit­telbar betroffene Bürger können bei Gefahr der Überschreitung von Grenz­werten der Luftqua­li­täts­richt­linie (LQRL) die Regierung auf Erstellung eines Aktions­plans verklagen.

Anders als bei der Luftqua­lität war die indivi­duelle Einklag­barkeit von Nitrat-Grenz­werten im Wasser­recht bislang unklar. Anfang dieses Monats hat der EuGH nun entschieden, dass auch der Grenzwert für Nitrat im Grund­wasser, der bei 50 mg/l liegt, indivi­duell einge­klagt werden kann. Diesmal kam die Vorla­ge­frage von einem öster­rei­chi­schem Verwal­tungs­ge­richt. Geklagt hatten ein kommu­naler mit der Wasser­ver­sorgung beauf­tragter „Wasser­lei­tungs­verband“, eine Gemeinde und ein indivi­du­eller Brunnen­be­sitzer aus dem Burgenland. Da das örtliche Trink­wasser schwan­kende Nitratwert von bis über 70 mg/l aufweist, hatten die Kläger auf Änderung einer Verordnung geklagt, dem sogenannten „Aktions­pro­gramm Nitrat 2012“, mit dem die Vorgaben der Nitra­t­richt­linie umgesetzt werden sollten. Der EuGH hat entschieden, dass die zustän­digen Behörden unter bestimmten Bedin­gungen von betrof­fenen Bürgern oder Verbänden dazu verpflichtet werden können, ein Aktionsplan zu ändern oder weitere Maßnahmen zu erlassen. Ähnlich wie in der Janecek-Entscheidung reicht dafür auch schon eine drohende Überschreitung.

Fazit: Für Wasser­ver­sorger, und für Besitzer privater Brunnen könnte sich diese Entscheidung als bedeutsam erweisen. Denn bislang mussten sie bei Grenz­wert­über­schrei­tungen immense Kosten für die Aufbe­reitung zahlen oder ganz auf die Nutzung ihre Brunnen verzichten. Nunmehr stehen recht­liche Möglich­keiten zur Verfügung, den Staat – und damit indirekt die mehrheitlich landwirt­schaft­lichen Verur­sacher – zur Einhaltung der Grenz­werte zu bringen.

2019-10-24T17:21:19+02:0024. Oktober 2019|Immissionsschutzrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht, Wasser|