Die ganzen Emissionen: Veröf­fent­li­chungs­pflichten von Unternehmen

Wie viel einzelne Anlagen emittieren, ist kein Geheimnis. Wenn die Anlage emissi­ons­han­dels­pflichtig ist, also im Regelfall größer als 20 MW, werden die Emissionen in der Anlagen­liste publi­ziert, die die Deutsche Emissi­ons­han­dels­stelle jedes Jahr veröf­fent­licht. Die für 2019 finden Sie beispiels­weise hier. Und damit man mit dem ganzen Zahlen­ma­terial auch etwas anfangen kann, veröf­fent­licht die Behörde auch den VET-Bericht mit umfas­senden Auswer­tungen, hier wiederum für 2019.

Doch selbst wenn man alle Anlagen­emis­sionen eines Unter­nehmens in der Liste zusam­men­zählt, kommt man nicht auf die gesamten Emissionen eines Unter­nehmens. Denn manche Verbren­nungs­vor­gänge sind nicht emissi­ons­han­dels­pflichtig, etwa in kleinen Anlagen, in Fahrzeugen, die Emissionen, die durch Reisen verur­sacht werden, oder schlicht die auf den Raumhei­zungs­bedarf für Verwaltung, Geschäfte oder Lager entfal­lenden Emissionen. Eine Veröf­fent­li­chungs­pflicht für alle Emissionen eines Unter­nehmens insgesamt existiert aber bisher nicht.

Teilweise ergibt sich eine Veröf­fent­li­chungs­pflicht zwar aus §§ 289b, 289c Handels­ge­setzbuch (HGB). Diese Regelungen setzen die CSR-Richt­linie um und verpflichten große, börsen­no­tierte Unter­nehmen mit mehr als 500 Mitar­beitern zur Veröf­fent­li­chung bestimmter Infor­ma­tionen, dazu gehören auch umwelt­be­zogene Infor­ma­tionen. Doch diese Pflicht erfasst nur verhält­nis­mäßig wenige Unter­nehmen zudem recht lückenhaft. Dabei ist das Forschungs­in­stitut DIW in einer Unter­su­chung aus 2019 zum Ergebnis gekommen, dass die verpflich­tende nicht­fi­nan­zielle Emissi­ons­aus­weisung zu Emissi­ons­ver­rin­ge­rungen führe.

Nun wird die CSR-Richt­linie aktuell überar­beitet. Von Februar bis Juni 2020 fand eine Konsul­tation statt, die in der Aufregung der Corona-Pandemie in der Außen­wirkung ein wenig unterging. Die Stellung­nahmen und eine Auswertung hat die Europäische Kommission publi­ziert. Wie das Auswer­tungs­do­kument zeigt, vermissen die Anwender vor allem gemeinsame Standards.

Wie geht es nun weiter? Die Kommission ist nun am Zug. Sie wird Ablei­tungen treffen, die letztlich in einer Anpassung der Richt­linie münden sollen. Generell ist zu erwarten, dass die Berichts­pflichten jeden­falls nicht weniger werden, schon weil der Abbau einmal erlas­sener Regelungen nicht dem üblichen Muster entspricht. Wer es genau wissen will, kann statt ständig auf der Seite nachzu­schauen übrigens auch ganz unten auf dieser Seite Notifi­ca­tions durch die Kommission abonnieren (Miriam Vollmer).

2020-08-14T08:14:15+02:0014. August 2020|Energiepolitik, Umwelt|

Mindest­preis und Schokolade

Ich biete Ihnen eine Wette an. Sie gehen auf eine beliebige Konferenz, die etwas mit Energie zu tun hat. In der Pause holen Sie sich einen Kaffee. Sie stellen sich an einen Tisch mit belie­bigen fremden Leuten, warten ab, bis der erste „CO2-Mindest­preis“ sagt und fragen einfach mal nach, wie der eigentlich so ganz genau aussehen soll. Nicht die Höhe, sondern der genaue Regelungs­me­cha­nismus. Ich wette eine Tafel bester italie­ni­scher Schokolade: Sie hören nichts. Oder nur so ganz allge­meine Ausfüh­rungen, die mit der Talfahrt der Emissi­ons­han­dels­kurse beginnen und im Ungefähren enden.

Wieso überhaupt ein Mindestpreis?

Präzise an den vermutlich ziemlich wolkigen Ausfüh­rungen ist vermutlich nur der Beginn. Tatsächlich sollte der Emissi­ons­handel zu CO2-Preisen führen, die höher sein sollten als der Preis für technische Minde­rungs­maß­nahmen. Zumindest einige Unter­nehmen sollten eher umbauen als Zerti­fikate kaufen. Nach ganz landläu­figer Meinung hat das aber nicht funktio­niert: Für die ungefähr 8 EUR, die ein Zerti­fikat heute kostet, kann in der EU keine Tonne CO2 einge­spart werden. Das DIW ging in einer Studie 2014 davon aus, dass bei 20 EUR/Zertifikat emissi­ons­armes Erdgas günstiger wäre als Stein­kohle, und bei 40 EUR/Zertifikat Erdgas die emissi­ons­in­tensive Braun­kohle verdrängen könnte.

Nun wird die Gesamt­menge an Zerti­fi­katen, die neu ausge­geben werden, immer geringer. Aber es sind noch so viele Zerti­fikate vorhanden, dass niemand ganz sicher sein kann, dass ein strammer Minde­rungspfad von künftig 2,2% p.a. und die Markt­sta­bi­li­täts­re­serve ausreichen, um die Kurse nach oben zu treiben. Deswegen ist seit einiger Zeit der Mindest­preis für CO2 in aller Munde. Er soll auch dann ein bestimmtes Preis­niveau gewähr­leisten, wenn das schiere Verhältnis von Angebot und Nachfrage das eigentlich nicht hergeben.

Lauter offene Fragen

Aber wie soll das aussehen? Die Zerti­fikate werden zumindest bis 2030 zum Teil kostenlos von der Deutschen Emissi­ons­han­dels­stelle (DEHSt) ausge­geben. Teilweise versteigert. Bei diesen Verstei­ge­rungen an der Leipziger Strom­börse kann man sich einen gesetzlich festge­legten Mindest­preis noch am ehesten vorstellen. Dies setzt aber voraus, dass für alle anderen Trans­ak­tionen zwischen Privaten auch ein Mindest­preis gelten würde. Aber gilt das dann für alle? Wie ginge man mit Preis­ef­fekten für Industrie und Verbraucher um? Wo würde das Geld landen? Auf alle diese Fragen gibt es in der allge­meinen Diskussion in Deutschland kaum Antworten, hier wird mehr über die Höhe der Preise speku­liert. Für Details wird allen­falls auf das britische Modell verwiesen.

Wie machen es die Briten?

Schaut man sich dieses britische Modell an, so ist man erstaunt. Es handelt sich nicht um eine Mindest­preis­an­ordnung im wörtlichen Sinne, sondern um eine Steuer. Genauer gesagt: Um einen Aufschlag auf die Energie­steuer CCL, die diffe­ren­ziert nach Energie­trägern erhoben wird. Die Steuer wird vom Verkäufer des fossilen Brenn­stoffs abgeführt, wenn er an Unter­nehmen verkauft, die den Brenn­stoff in einer strom­erzeu­genden Anlage (nicht: kleine KWK) einsetzen.

Dass dieser Steuer­auf­schlag CPSR einen Mindest­preis darstellt, ergibt sich aus der Festsetzung der Höhe. Das britische Finanz­mi­nis­terium setzt ihn zwei Jahre im Voraus auf eine Höhe fest, die die Differenz zwischen den erwar­teten CO2-Preisen und dem CO2-Preis, den das Finanz­mi­nis­terium für richtig hält, abbildet. Derzeit liegt der Zielpreis bei 18 GBP.

Was wird derzeit in Deutschland diskutiert?

Tatsächlich verschleiert das Buzzword vom „Mindest­preis“, dass es auch in Deutschland wohl um eine Steuer gehen wird, entweder auf fossile Brenn­stoffe, oder auf Emissi­ons­be­rech­ti­gungen oder auf die Emission selbst.

Die Steuer auf die Zerti­fikate favori­sieren die GRÜNEN, die einen entspre­chenden Geset­zes­entwurf bereits 2013 vorge­stellt hatten. Besteuert werden sollte der Verbrauch, außer, es handelt sich um kostenlos zugeteilte Zerti­fikate. Ganz ähnlich würde sich eine Steuer auf das von emissi­ons­han­dels­pflich­tigen Anlagen emittierte CO2 selbst auswirken. Auch hier würde auf die Berichte abgestellt, die jährlich einge­reicht werden, und die kostenlose Zuteilung als privi­le­giert abgezogen. Etwas anders würde sich eine Brenn­stoff­steuer auswirken. Hier könnte eine heute bestehende Ausnahme gestrichen und der Steuersatz für die Strom­erzeugung wie in UK einem Zielwert angepasst werden.

Handelt es sich bei der ganzen Diskussion um „Mindest­preise“ damit nur um eine verschämte Umschreibung einer neuen Steuer? Nicht ganz, wenn man der jüngst veröf­fent­lichten Studie des Freiburger Ökö-Instituts im Auftrag des WWF Glauben schenkt: Die Forscher begründen auf S. 22, wieso sie nicht auf Mindest­preise bei den – ja sowieso vorge­se­henen – Auktio­nie­rungen von Zerti­fi­katen setzen. Diese würden nämlich eine Änderung der Emissi­ons­han­dels­richt­linie erfordern.

Doch ist diese nicht gerade sowieso geändert und just am 19.03.2018 sozusagen taufrisch veröf­fent­licht worden? Wieso hat man nicht im Zuge der ohnehin recht tiefgrei­fenden Anpas­sungen auf ein Mindest­preis­modell gesetzt? Hier scheint eine Ausweich­be­wegung statt­ge­funden zu haben: Weil man auf EU-Ebene einen „echten“ Mindest­preis nicht durch­setzen konnte, will man nun in Deutschland oder gemeinsam mit anderen für Klimathemen aufge­schlos­senen Mitglied­staaten eine CO2-Steuer einführen, aber sie nicht so nennen. Wähler reagieren auf neue Umwelt­steuern nämlich ziemlich allergisch.

Steuern und Schokolade

Wenn also auf der nächsten Tagung jemand zu Ihnen kommt und Sie fragt, wie der CO2-Mindest­preis genau funktio­nieren soll, dann sagen Sie laut: Es handelt sich um eine Steuer. Oh, oder Sie sagen nichts, denken sich Ihren Teil und teilen sich mit dem Frager meine Tafel Schokolade.

2018-03-20T08:08:55+01:0019. März 2018|Emissionshandel, Industrie, Strom, Wärme|